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Lage. Endlose Staus, der Verkehr quält sich durch den Ortskern – das nervt Autofahrer und Anwohner gleichermaßen. Die Fahrt mit dem ÖPNV, beispielsweise einem Bus, ist oft keine echte Alternative, denn der steht direkt hinter den Autos. Im Stau. Kann eine Umgehungsstraße langfristig Abhilfe schaffen? Regelmäßiger Einwand: Neue Straßen erzeugen neuen Verkehr. Fakt: Leisere Straßen und saubere Luft dienen besonders jenen, die nicht einfach wegziehen können. Mit den Grünen in der Berliner Regierungsverantwortung könnte sich die bundesdeutsche Verkehrspolitik verändern. Eine Spurensuche in der Zuckerstadt Lage. Der Bundesverkehrswegeplan ist, wie der Name es schon verdeutlicht, eine Angelegenheit des Bundes. Wie auch eine Ortsumgehung B239 rund um Lage es wäre. Wäre und könnte – spätestens seit der neuen Regierungsbildung in Berlin dürfte Dynamik in der Frage angekommen sein, ob die seit Jahrzehnten hoch und runter diskutierte Umgehung im Raum Lage eine Zukunft hat. Geht es nach Landwirten, dem Nabu, der Heerser Mühle oder der örtlichen Bürgerinitiative, hat die neue Straße nicht einmal eine Gegenwart.Selten war die Gemengelage mit dem Rückenwind der Themen Klimakrise und Verbrennungsmotor so günstig wie in diesen Zeiten, um der Autofahrernation eine andere Mobilität zu verkaufen.Volker Schubach wohnt in Ehrentrup, einem Lagenser Stadtteil, der von einer Umgehungsstraße eine Portion abbekommen würde. Er ist Vorsitzender der Bürgerinitiative mit dem Cyborg-ähnlichen Namen b239n-neindanke. Schubach über den Status quo: &bdquo;Nach jüngster Auskunft von Straßen.NRW soll das Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt der Ortsumgehung Lage frühestens 2023 eingeleitet werden. Die einmal in Gang gesetzten Mühlen arbeiten also weiter. Und obwohl die Besetzung des Verkehrsministeriums vermuten lassen könnte, dass die bisherige Verkehrsplanung bei jetzt Grün geschalteter Ampel sogar ohne Tempolimit weitergeht, machen doch einige Passagen in der Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien Hoffnung auf eine Wende in der hiesigen Planung.“Für Schubach steht fest, dass nach jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz die Folgen von Regierungsentscheidungen auch für nachfolgende Generationen zu berücksichtigen sind. Der Vorsitzende der BI: &bdquo;Zurzeit beabsichtigt Straßen.NRW vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens für die Ortsumgehung Lage eine Veranstaltung zur sogenannten frühen Bürgerbeteiligung voraussichtlich noch Ende 2022. Im breiten Schulterschluss mit Umweltverbänden und anderen Verbündeten werden wir auch im zehnten Jahr unseres Bestehens versuchen, den Widerstand gegen das Projekt zu stärken.“Der Widerstand indes kommt nicht allein durch die Bürgerinitiative. Bereits vor zwei Jahren, Corona hatte das öffentliche Leben noch nicht im Griff, machten einige Landwirte gegen die Neubaupläne für die B 239 mobil. Entlang der geplanten Trasse zwischen Werl-Aspe und Lage forderten sie &bdquo;intelligentere Lösungen“ wie Ampelschaltungen, Ausschilderungen oder Kreisverkehre statt einer weiteren Bodenversiegelung samt Flächenverbrauch. Der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Lippe, Dieter Hagedorn, mahnte damals schon an, die Lipper müssten mit längeren Fahrzeiten auf der jetzigen B 239 leben lernen. Hagedorn heute: &bdquo;Lippe hat sich zuletzt einen immensen Landverbrauch geleistet. Wir meinen, Ackerland solle künftig erhalten bleiben.“ Betroffen von einer Umgehung, die ihren Ursprung in Herford hätte, wäre auch die Heerser Mühle. Der Geschäftsführer des Umweltzentrums, Ulrich Kaminsky, auf Anfrage: &bdquo;Kaum ein anderes Projekt steht dermaßen für die Diskrepanz zwischen dem Umweltbewusstsein, also dem Wissen über die Lebensraumzerstörung, den Klimawandel, das Artensterben und die Notwendigkeit einer Verkehrswende. Sollte das Straßenbauprojekt gegen alle Widerstände tatsächlich noch realisiert werden, wäre das zudem das Ende des Umweltzentrums Heerser Mühle in seiner jetzigen Form.“ Skepsis gegenüber der Umgehung in der Zuckerstadt hatte von Anfang auch der Lippische Heimatbund. Brigitte Scheuer von der entsprechenden Fachstelle im Heimatbund mahnte bereits vor zwei Jahren an, die Straßenbaupläne unter Abwägung aller Belange zu bewerten – neben den wirtschaftlichen eben auch mit den ökologischen Zielen des Kreises. Scheuer: &bdquo;Dazu sind wir den nachfolgenden Generationen verpflichtet.“ Und wie schätzt man das ganze Prozedere im Rathaus ein? Bürgermeister Matthias Kalkreuter sieht den Planungsträger, also die Bundesregierung, in der Pflicht, den Wegeplan 2030 zu prüfen. &bdquo;Wir haben vier Abgeordnete aus Lippe in Berlin.“ Kalkreuter würde eine isolierte Spange rund um Lage nicht als Lösung akzeptieren. Er fordert intelligente Lösungen, die beispielsweise auch den weiter zunehmenden Verkehr in den Wohngebieten durch Paketdienste reguliert. &bdquo;Da fahren Amazon, dpd oder DHL morgens nacheinander durch die Straßen.“ Ellen Stock (SPD) sieht Pläne kritisch &bdquo;Ich bin nicht grundsätzlich gegen eine Umgehungsstraße. Ich sehe aber die derzeit favorisierte Planungsvariante äußerst kritisch und halte sie nicht mehr für zeitgemäß“, sagt Ellen Stock, SPD-Landtagsabgeordnete aus Lage. &bdquo;Ich bin dafür, dass man sich die Verkehrsführung noch einmal ganz genau anschaut – auch unter Berücksichtigung des immer mehr an Bedeutung gewinnenden Klima- und Umweltschutzes und einem sich verändernden Mobilitätsverhalten der Menschen“, sagt Stock. Gemeinsam mit den Beteiligten vor Ort sowie den Behörden gelte es, noch einmal intensiv in den Dialog zu treten und zu besprechen, wie man eine bessere Verkehrsführung hinbekommen kann. Robin Wagener (Grüne) ist skeptisch Robin Wagener, erst einige Monate für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag: &bdquo;Ich bin sehr froh, dass wir im Koalitionsvertrag festschreiben konnten, dass ein neuer Konsens bei den Bundesverkehrswegen angestrebt wird. Vorab soll eine Verständigung über Prioritäten im geltenden Bundesverkehrswegeplan stattfinden. Ich werde mich dafür einsetzen, dass auch die Ortsumgehung in Lage, welche eine große Zerstörung von Natur und eine enorme Bodenversiegelung auf Flächen mit höchster Hochwassergefahrenstufe bedeutet, nun noch einmal auf den Prüfstand gestellt wird. Nabu klar gegen eine Umgehung Bernd Milde ist Vorsitzender des Nabu in Lippe: &bdquo;Die geplante Neubaustrecke der B 239n verursacht eine erhebliche und dauerhafte Naturzerstörung. Wertvolle Biotope sollen überbaut und die Werre mehrmals gequert werden. Der noch vorhandene Freiraum in dieser Region wird immer mehr zerschnitten und entwertet. In den letzten 20 Jahren hat Lippe einen erheblichen Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen, die Einwohnerzahl ging um 20.000 auf jetzt 346.000 zurück. Für diese neue Straße sehen wir keinen Bedarf. Zudem hat die Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums bis 2030 einen Verkehrsrückgang von 10 Prozent in der Region ermittelt.“ Handelskammer plädiert dafür Weiterhin ein großer Befürworter einer Ortsumgehung in Lage ist die Industrie- und Handelskammer in Detmold. Geschäftsführer Andreas Henkel: &bdquo;Die Wirtschaft fordert definitiv Verbesserungen in der Verkehrsinfrastruktur, speziell auf dieser wichtigen Achse zwischen Bad Salzuflen und Detmold. Ich sehe keine Alternative zu einem Bau der Umgehungsstraße. Unabhängig davon, ob dort künftig mehr E-Autos, Busse, Logistiker oder Pendler unterwegs sind.“ Martina Hannen (FDP) für die Umgehung &bdquo;Die FDP in Lage ist überzeugt, dass es für unsere Stadt wichtig wäre, die Ortsumgehung mit der B239n und der B66n umzusetzen, um die Bevölkerung vor dem Verkehrslärm und den Emissionen zu schützen. Wir gehen nicht davon aus, dass der Schwerlastverkehr in den nächsten Jahren signifikant abnehmen wird und halten es deshalb nach wie vor für notwendig, den Wirtschaftsstandort Lage zu sichern. Auch der Individualverkehr wird in absehbarer Zeit nicht spürbar durch den ÖPNV ersetzt werden können. Wir dürfen und können den ländlichen Raum an dieser Stelle nicht mit Großstädten vergleichen.“ Lagenser CDU ist geteilter Meinung Das Dilemma einer neuen Straße hat auch die Lagenser CDU erkannt. Längst vorbei sind die Zeiten, in denen Volksparteien nur noch eine Meinung haben. Rudi Stölting ist stellvertretender Bürgermeister in Lage und sieht sich selbst weiter als Befürworter der Umgehung: &bdquo;Ich bin für die Straße. Nicht nur wegen des Industriegebietes Sülterheide. Ich denke, wir müssen die Innenstadt entlasten“. Stölting stellt ebenso fest: &bdquo;Das sehen aber nicht alle in der CDU so. Und eine Art Fraktionszwang gibt es bei uns in dieser Frage nicht.“ BUND gegen das Projekt Markus Krüger, selbst Ehrentruper und Mitglied des BUND in Lippe: &bdquo;In Zeiten von Klimawandel, Energie- und Verkehrswende wäre die Realisierung neuer Bundesstraßen in Lippe falsch. Die B239n wäre in diesem Jahrhundert der bisher größte und schwerste Eingriff in das lippische Ökosystem. Lippe steht vor großen Herausforderungen. Dürreperioden und Starkregen werden zunehmen, Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalt gehen zurück. Wollen wir wirklich weitere 146 Hektar opfern für ein paar Minuten Zeitgewinn und noch mehr Autoverkehr? Wir brauchen eine intelligentere Verkehrsplanung, weniger Auto- und LKW-Verkehr und besseren und bezahlbaren Nahverkehr, Bahn- und Güterverkehr.“ Die Grünen lehnen die Straße ab &bdquo;Nach wie vor lehnt der Ortsverein Lage von Bündnis 90/Die Grünen jeglichen Straßenneubau um Lage herum ab. Wir erwarten von der jetzigen Ampel-Koalition, dass der Bundesverkehrswegeplan überarbeitet und die Errichtung der Umgehungen Lage herausgenommen wird. Stattdessen sollen die für den Neubau von Straßen benötigten Finanzmittel in die Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel fließen, um durch deren Attraktivitätssteigerung eine Reduzierung des Individualverkehrs zu erreichen“, sagt Frank Drexhage.

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