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Detmold. An einem Dezembervormittag 2020 schmeckt das Marmeladenbrötchen irgendwie anders. Irgendwie nach nichts. Und der Kaffee, was ist mit dem Kaffee? Wieso höre ich die Maschine röcheln, rieche aber nichts? &bdquo;Es war keine schöne Überraschung an diesem Nikolaustag", sagt Georg Stern. Ein etwas skurriles Frühstück und der baldige Verdacht: Diese Symptome, das wird doch nicht?... Der heute 57-Jährige und seine Frau Monika machen sich schlau, recherchieren im Netz, riechen an Essigflasche (&bdquo;nichts"), fahren schließlich zum Klinikum nach Detmold – in jenen damals hermetisch abgeriegelten Bereich für Leute mit &bdquo;Symptomen", wo ein &bdquo;Verdacht" besteht. Also eigentlich für andere Leute, aber nicht für sie, die sie größere Ansammlungen gemieden hatten, wochenlang extra ganz spät zum Einkaufen gegangen waren. Nun denn, Selbsttests gibt es noch nicht, die beiden machen den PCR-Test, und am nächsten Tag ist klar: Sie sind positiv. Nach der Quarantäne kamen starke Symptome &bdquo;Quarantäne" und &bdquo;Gesundheitsamt" sind keine Fremdwörter mehr. Einen Tag später erwischt es den 23-jährigen Sohn; sie werden zu dritt zwei Wochen zu Hause bleiben müssen.&bdquo;Die erste Woche war eigentlich ganz okay", sagt Georg Stern. Gut, da gab es einen leichten Schnupfen, aber Gott sei Dank kann er im Homeoffice weiterarbeiten. Seine Bielefelder Firma macht es möglich, er arbeitet dort im Vertrieb. Monika Stern, Erzieherin, bleibt zu Hause. Die drei richten sich ein. Dann aber, nach der Quarantäne, geht es richtig los. &bdquo;Wir wurden richtig krank. Hatten Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen." Dazu kommt eine schlimme Kurzatmigkeit. Ein ewig trockener Mund, eine ewig trockene Nase. Ewig sprayen. Spaziergänge durchs Dorf werden zur Herausforderung, Erschöpfungsmomente nehmen zu. Neun Stunden Schlaf Und abends? Die &bdquo;Tagesschau" schafft Georg Stern nicht mehr, vor dem Wetter schläft er ein. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Fußballspiele sieht Georg Stern dann bis zur Halbzeit, wenn er morgens nicht nach Bielefeld muss und länger schlafen kann. &bdquo;Es ist, als mache einer das Licht aus. Ich falle fast vom Sofa." Neun bis zehn Stunden Schlaf statt vorher sieben müssen es schon sein, die &bdquo;Tatort"-Zeiten sind vorbei. Aber der neue Tag-/Nachtrhythmus ist das eine. Hinzu kommen plötzliche Erschöpfungen – bei Autofahrten nach und von Bielefeld fährt Stern zuweilen rechts ran, um ein paar Schritte zu gehen. Auf dem Ergometer ist bei wenig Watt nach fünf Minuten Feierabend, zweimal die Woche zum Schwimmen ist Vergangenheit. Spaziergänge klappen heute besser, aber kein Sport. Und der Geschmack, der Geruch? Irgendwann im Februar schmeckt das Marmeladenbrötchen wieder wie ein Marmeladenbrötchen, duftet der Kaffee wie Kaffee. Wenigstens das. Bei seiner Frau dauert es länger, der Sohn hat bis heute keinen Geschmackssinn, seit 14 Monaten. Auch die drei Impfungen hatten erhebliche Nebenwirkungen, sagt Georg Stern. Er ist nicht wehleidig, weiß, dass es andere viel schlimmer erwischt hat. Im Februar lässt er sich umfangreich untersuchen – geht aber davon aus, dass &bdquo;Long-Covid" diagnostiziert werden wird. Mal wieder Sport machen Georg Stern möchte schon gerne mal wieder Sport machen oder abends mit der Familie zusammensitzen. &bdquo;Ich möchte, und dass soll nicht theatralisch wirken, am normalen Leben teilnehmen." Er ist eigentlich erstaunlich entspannt, doch wenn er zu Beginn der &bdquo;Tagesschau" die Bilder der Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen sieht, Plakate liest und Aussagen der &bdquo;Spaziergänger" hört, wird er sauer. &bdquo;Ich kann das nicht nachvollziehen, habe kein Verständnis. Eine Minderheit sorgt dafür, dass die Mehrheit nicht normal leben kann. Angst und Unsicherheit vor der Impfung versteh’ ich ja noch ein wenig, oder ich versuche es. Aber diese Falsch-Informationen, selbst von Leuten, die wie wir infiziert waren und das jetzt herunterspielen..." Er erwartet endlich klare Richtlinien: &bdquo;Die Impfpflicht muss kommen." "Als würde mir jemand die Luft abschnüren" Es fing alles ganz harmlos an. Leichte Erkältungssymptome, kurzzeitig erhöhte Temperatur, der Geschmack blieb wenige Tage aus. Tobias Ober (28) hätte nie gedacht, dass ihn diese Corona-Infektion für mehr als ein halbes Jahr aus der Bahn werfen würde. Erst vor wenigen Wochen hat er mit der Wiedereingliederung begonnen. Ein langer Weg für den jungen Mann, auf dem er das Atmen erst wieder lernen musste. Es ist der 21. Mai 2021 als Tobias und seine Freundin, die in Bad Salzuflen-Wülfer leben, an Corona erkranken. Er vermutet, sich auf der Arbeit angesteckt zu haben. In einem Unternehmen in Verl ist er als Techniker angestellt. Die Impfkampagne nahm um diese Zeit im vergangenen Jahr erst an Fahrt auf, erst waren die Älteren dran. Das junge Paar war also noch ungeimpft. Die Symptome waren zunächst nicht schwerwiegend. &bdquo;Wie eine leichte Erkältung", sagt Tobias. Doch als die verschwanden, die Infektion vermeintlich überstanden war, schlichen sich Atemprobleme bei dem 28-Jährigen ein. &bdquo;Es fühlte sich so an, als würde jemand auf meiner Brust sitzen und mir die Luft abschnüren", erinnert er sich. Am Abend und in der Nacht war es besonders schlimm. Panikattacken ließen nicht lange auf sich warten. &bdquo;Ich hatte das Gefühl, dass ich zwar atme, aber keine Luft bekomme." Die Diagnose: Long-Covid Es folgte ein Marathon – von Arzt zu Arzt. Er suchte einen Lungenfacharzt wegen der erschwerten Atmung auf, einen Kardiologen wegen der Schlappheit, einen Gastroentrologen, weil Magen- und Darmbeschwerden dazu kamen sowie einen Hals-Nasen-Ohrenarzt wegen Schluckbeschwerden. Die Diagnose: Long-Covid. Der Hausarzt verschrieb ihm ein Asthma-Spray, das das beklemmende Gefühl in der Brust löste, wenn es ganz schlimm war. Seine Muskulatur baute in den vergangenen Monaten stark ab, waren Sport oder andere körperliche Aktivitäten doch kaum möglich, zu schnell war der sonst sportliche junge Mann erschöpft. Acht Kilo hat er währenddessen verloren. Hinzu kam später die Verwirrtheit. Als &bdquo;tüddelich", so wie alte Leute es im hohen Alter werden, beschreibt Tobias diesen Zustand. &bdquo;Ich bin vergesslich geworden. Du gehst in einen Raum und weißt nicht mehr, was du dort wolltest." Auf der Arbeit fällt es ihm schwer, Dinge im Gedächtnis zu behalten. Er macht sich vorsichtshalber Notizen, damit er nichts vergisst. Die brauchte er vor seiner Erkrankung nicht. Atmen wieder lernen Seit November wird er wieder in seinen Job eingegliedert – nach sechsmonatiger Zwangspause. Viel Staub in der Luft, reichlich Bewegung, hohe Konzentration, das konnte der 28-Jährige bis dato weder körperlich noch psychisch leisten. Anfangs waren es drei Stunden, die er wieder arbeiten musste. Das wurde von Woche zu Woche gesteigert. &bdquo;Nach diesen drei Stunden war ich genauso kaputt wie nach einem achtstündigen Arbeitstag", erinnert er sich. Mittlerweile hat sich das mit der Belastbarkeit glücklicherweise gebessert. &bdquo;Ich kann meinen Körper zwar noch immer nicht zu 100 Prozent auslasten, aber da muss ich mich langsam herantasten", sieht er ein. Gott sei Dank seien keine Schäden an der Lunge festgestellt worden. Auch das Asthma-Spray kann er mittlerweile in der Tasche lassen. &bdquo;Es war aber nicht einfach, das ,richtige Atmen wieder zu lernen", stellt er fest. Seine Atmung war monatelang flach, nur über kurze Atemzüge drang Sauerstoff in seine Lungen. Eine Übung vom Arzt: Tief einatmen, um das Druckgefühl in der Brust wieder zu spüren, und danach ganz langsam die Luft durch gespitzte Lippen wieder rauslassen. Hat Tobias das mehrere Minuten gemacht, hat er tatsächlich mehr Luft bekommen, wie er sagt. Inzwischen sind Tobias Ober und seine Freundin geimpft und &bdquo;heilfroh darüber". Dafür hat er sogar gerne zwei Stunden im Regen am Impfbus in Leopoldshöhe gewartet. &bdquo;Ich kann einfach nicht verstehen, wie sich viele Menschen von falschen Fakten so blenden lassen können", macht er mit Blick auf Impfverweigerer und Querdenker deutlich. Die Ärzte gehen jedenfalls davon aus, dass ihm dieser schwere Verlauf mit einem Impfschutz gewiss erspart geblieben wäre. Long-Covid und die Folgen Einige Menschen, die eine Corona-Erkrankung hinter sich haben, leiden zum Teil noch Wochen oder Monate danach unter gesundheitlichen Beschwerden. Mögliche Langzeitfolgen von Covid-19 werden Long-Covid genannt. Bislang bekannte Symptome können laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter anderem sein: Müdigkeit und Erschöpfung, Gelenkschmerzen, Kurzatmigkeit und Atemnot, Husten, gestörter Geschmackssinn, Schwindel, Herzstolpern, Schmerzen im Brustbereich, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Haarausfall, Angstzustände oder Depressionen. Nach bisherigen Studien ist davon auszugehen, dass zehn bis zwanzig Prozent der Erkrankten eine Long-Covid-Symptomatik entwickeln. &bdquo;Am häufigsten treten pneumologische Symptome wie Husten und Atemnot, aber auch neurologische wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen auf", konnte Maik Brandes, am Klinikum Lippe für Pneumologie, Beatmungs- und Schlafmedizin zuständig, beobachten. Bevor Long-Covid diagnostiziert werde, müssten andere Krankheitsbilder durch diverse Untersuchungen ausgeschlossen werden. Das Klinikum Lippe betreibt eine Long-Covid-Ambulanz. Patienten, bei denen unklar ist, ob sich nach überstandener Infektion ernsthafte Folgeschäden entwickeln, können mit einer Überweisung in dieser behandelt werden. &bdquo;Primärer Ansprechpartner bleibt aber der behandelnde Hausarzt, da er die Patienten samt Vorerkrankungen am besten kennt", sagt Brandes. Ist jemand an den Spätfolgen tatsächlich erkrankt, gibt es verschiedene Behandlungsmethoden – von kognitiven Trainings, um das Gedächtnis zu trainieren bis zu Bewegungseinheiten, um wieder fit zu werden. Das geschieht häufig in spezialisierten Reha-Kliniken. Long-Covid kann indes jeder bekommen. &bdquo;Vom Gefühl her sind es aber eher die jungen Leute, die erkranken", sagt der Mediziner. Meist sind es die, die zu Beginn nur leichte Symptome hatten. Die meisten Symptome sind in der Regel nach sechs Monaten abgeklungen, die akute Phase überstanden. &bdquo;Bei manchen chronifizieren sich die Symptome aber auch", sagt Brandes. Impfen und das Befolgen der AHA-Regel sei weiter das Gebot der Stunde, um sich zu schützen.

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