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Detmold. &bdquo;Wir haben immer versucht, alles richtig zu machen, waren immer vorausschauend", sagt Sabine Horlemann. Mit den Kindern haben sie und ihr Mann das Radfahren viel geübt. Gut sichtbare, helle Helme gekauft, dazu hochwertige Fahrräder. Auch am Nachmittag des 9. Oktober 2018 macht die Familie alles richtig – die Radtour an diesem sonnigen Dienstag endet trotzdem in einer Tragödie. Der neunjährige Julian wird wenige Kilometer von seinem Zuhause entfernt vom Kleinwagen einer 85-Jährigen angefahren. Er stirbt in den Armen seiner Eltern. Alles hat sich verändert Ein Jahr ist seither vergangen. Nichts ist mehr wie es war. Dass Julian nicht mehr da ist, bleibt unbegreiflich. In dem gemütlichen Fachwerkhaus nahe Detmold lebt die Familie seit 2015. Von Rom hat es Sabine Horlemann (43) und ihren Mann Alessandro (46) nach Lippe verschlagen – wegen der Arbeit, sie ist Cellistin, er spielt Geige. Sie finden ein Engagement im Orchester des Landestheaters, mit ihren Söhnen ziehen sie ins beschauliche Diestelbruch. Die beiden Jungs gehen in die örtliche Grundschule, Manuel in die erste, Julian in die dritte Klasse: &bdquo;Sie waren ein Herz und eine Seele", sagt Sabine Horlemann und deutet auf Fotos, die die beiden Jungs zeigen: auf Luftmatratzen treiben sie auf dem Meer, gemeinsam posieren sie mit den Eltern für ein Familienfoto. Gas und Bremse verwechselt Der verhängnisvolle 9. Oktober 2018 ist beinahe sommerlich: &bdquo;Wir haben sogar den Grill noch mal vorgeholt", erinnert sich die 43-Jährige. Dann starten die Horlemanns zu einer Radtour: Vorneweg der Vater, dahinter der jüngste Sohn Manuel (7), dann Julian und zum Schluss die Mutter – die Familie fährt vorbildlich im Verband am Straßenrand der Bad Meinberger Straße von Oberschönhagen nach Fissenknick. Hier gibt es keine Geschwindigkeitsbegrenzung und keinen Radweg, doch die Straße ist schnurgerade, die Sicht gut. Ein Wagen überholt die Gruppe – ein zweiter folgt. Darin eine 85-Jährige, die, als sie Sabine Horlemann schon erreicht hat, den Gegenverkehr bemerkt. Sie stoppt den Überholvorgang, doch statt zu bremsen, drückt sie versehentlich aufs Gas, während sie nach rechts einschert. &bdquo;Mit 80 Kilometer pro Stunde fuhr sie direkt in Julian rein. Er knallte mit dem Kopf auf die A-Säule des Autos, wurde mehrere Meter durch die Luft geschleudert und landete in hohem Bogen im Graben. Er war sofort bewusstlos und starb in unseren Armen, noch bevor der Rettungswagen kam", schildert Sabine Horlemann. &bdquo;Fahrrad fahren wir seitdem nicht mehr" An der Stelle erinnert eine weiße Laterne an den furchtbaren Unfall. Die Familie vermeidet es, daran vorbei zu fahren. Am ersten Todestag aber will der kleine Manuel unbedingt Blumen für seinen Bruder niederlegen. Es regnet ununterbrochen – und noch bevor die Familie die Stelle erreicht, bekommt Manuel einen Weinkrampf. Der Zweitklässler ist schwer traumatisiert: &bdquo;Er traut sich kaum aus dem Haus – und wenn wir auf dem Gehweg unterwegs sind und er hört Autogeräusche hinter uns, drückt er fest meine Hand." Im Februar bekam die Familie eine Hündin – Lola: Für Manuel sei sie &bdquo;seine kleine Schwester", und auch eine Art Therapiehund für die Eltern. Denn auch sie kämpfen jeden Tag mit dem Verlust. &bdquo;Fahrrad fahren wir seitdem nicht mehr, und ich weiß auch nicht, ob wir das jemals wieder können werden", sagt die Mutter. Die Seniorin, die den Unfall verursacht hat, schrieb der Familie zwei Wochen danach einen Brief: &bdquo;Ich bin diejenige, die in den Unfall verwickelt war, stand darin", erzählt Sabine Horlemann. Keine Entschuldigung, kein Schuldeingeständnis – sie schluckt: &bdquo;Dann hätte sie besser gar nichts schreiben sollen." Petition gestartet Ihren Führerschein gab die alte Dame gleich nach dem Unfall freiwillig ab, den Strafbefehl über 4.500 Euro akzeptierte sie, zu einer Gerichtsverhandlung kam es nicht mehr. Doch für die Familie steht fest, dass das nicht alles sein kann: &bdquo;Wir können nicht nur wie gelähmt zuhause sitzen und trauern." Deshalb hat Sabine Horlemann nun eine Online-Petition ins Leben gerufen. Damit möchte sie verbindliche Gesundheitschecks zum Hör-, Seh- und Reaktionsvermögen für alle Führerscheinbesitzer erreichen: für unter 50-Jährige alle zehn Jahre, zwischen 50 und 70 alle fünf Jahre, zwischen 70 und 80 alle drei Jahre und ab 80 alle zwei Jahre. &bdquo;Ich bin sicher, der Unfall hätte vermieden werden können, Julian könnte noch leben, wenn es in Deutschland, wie in vielen anderen europäischen Ländern regelmäßige, verbindliche Gesundheitschecks gäbe." Der alterstypische Tunnelblick, die Reaktionszeit, die im Alter zunimmt, die an sich automatisierten Abläufe, die bei Älteren unter Stress leichter durcheinandergeraten und die Überforderung in einer unübersichtlichen Situation – diese vier Faktoren hätten zu der Katastrophe geführt, wären aber beim Medizincheck sicherlich aufgefallen, glaubt sie. Ziel: 50.000 Unterschriften Innerhalb eines Jahres müssen 50.000 Unterschriften zusammenkommen, damit sich der Deutsche Bundestag mit der Petition befasst. Gut 500 Unterstützer haben sich in der ersten Woche online registriert, Stimmen können auch analog abgegeben werden. Sabine Horlemann will Infos zur Initiative breit streuen und Vordrucke auslegen. Sie hofft auf viele Unterschriften: &bdquo;Ich weiß, dass die Lobby älterer Menschen in Deutschland groß ist. Und in unserem 'Auto-Land' stehen vor allem wirtschaftliche und politische Interessen an erster Stelle. Aber Julians Tod darf nicht umsonst gewesen sein."

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