Ausgrabungen am alten Eisenbahntunnel in Willebadessen gehen weiter

Willebadessen. Die Forschungen an der "Alten Eisenbahn", einer nie vollendeten Tunnelbaustelle des 19. Jahrhunderts, gehen in die nächste Runde. Aktuell graben Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in einem Kooperationsprojekt mit der Universität Kiel wieder im Eggegebirge. Nach dem Einsatz von Tauchern im vergangenen Jahr - der Premiere der Unterwasserarchäologie in Westfalen - werden die archäologischen Untersuchungen nun an Land fortgesetzt. Am Mittwoch wurden die Fundamente eines Wächterhauses frei gelegt, zudem wurden verschüttete Schächte näher untersucht. Dabei machten sich die Forscher auf die Suche nach einem sogenannten Pferdegöpel, einem Bauwerk, bei dem mit Hilfe von Pferden Erdaushub nach oben transportiert wurde. In der Mitte des 19. Jahrhunderts sollte in der Egge ein Tunnel der Cöln-Minden-Thüringer Verbindungs-Eisenbahngesellschaft entstehen, um die Städte Warburg und Paderborn mit Gleisen zu verbinden. Der Tunnelbau wurde jedoch wegen technischer Probleme wie Wassereinbrüchen und wegen der Insolvenz der Eisenbahngesellschaft im Jahr 1848 aufgegeben. Der preußische Staat übernahm die Gesellschaft und änderte die Streckenführung, so dass der Tunnel überflüssig wurde. Die Egge wurde dann bei Altenbeken gequert. Zurückblieb auf der Egge bei Willebadessen eine verlassene Großbaustelle, auf der zu Spitzenzeiten wohl bis 600 Arbeiter tätig waren. "Durch die Grabungen können wir die einzelnen Arbeitsschritte wie in einer Zeitkapsel betrachten", erläutert Fritz Jürgens von der Universität Kiel, einer der Grabungsleiter. Im vergangenen Jahr haben die Archäologen an der Tunnelbaustelle bereits die zugehörige Schänke ausgegraben. In der zweiwöchigen Grabungskampagne geht es nun mit klassischen archäologischen Methoden an Land weiter: Die Archäologen des LWL und der Universität Kiel untersuchen mit Studenten das alte Wächterhäuschen und legen einen der Richtschächte zwischen den beiden Tunneleingängen frei. Für die Studenten ist es ein Lehrgrabung, die von Nils Wolpert und Fritz Jürgens wissenschaftlich begleitet wird. Auf der Basis alter Zeichnungen konnten die Schänke und das Wächterhaus verortet werden. Bei dem Wächterhaus fanden die Studenten zunächst Ziegelschutt des Daches, am Mittwoch wurde die Reste des Fundaments aus Stein gefunden. "Darauf stand vermutlich ein Fachwerkhaus oder ein Holzhaus", erklärte Sven Spiong, der Leiter der LWL-Außenstelle Bielefeld. Gefunden wurden auch Reste einer mundgeblasenen Glasflasche. "Hier wurde wohl auch Alkohol konsumiert", sagte Fritz Jürgens. "Wir können hier vor Ort einmalige Relikte früher Industriegeschichte fassen, daher ist die Untersuchung dieses Denkmals so bedeutend", so Spiong, an vielen anderen Tunnelbauten sei durch den Baufortschritt der Ursprung nicht mehr so nachvollziehbar, wie es an der aufgegebenen Tunnelbaustelle in Willebadessen möglich sei. Bisher sind Größe und die genaue Funktion des Wächterhäuschen noch unklar. Eventuell wurde damals von dort aus kontrolliert, wer die Großbaustelle betrat. Vielleicht war es aber auch nur der erste Anlaufpunkt mit der Registratur für die bis zu 600 Arbeiter, die zeitweise gleichzeitig an der Baustelle im Forst beschäftigt waren. Im Wurzelbereich eines umgestürzten Baumes konnten in den letzten Tagen zahlreiche Dachziegel des Häuschens dokumentiert werden. Senkrechte Richtschächte wurden beim Tunnelbau angelegt, um die tiefer im Berg liegenden Bereiche zu erkunden, die geologischen Verhältnisse zu untersuchen und um den Tunnelverlauf zu überwachen. An der Baustelle im Eggegebirge sind drei Richtschächte bekannt, einer wird untersucht. Er hat einen Durchmesser von etwa vier Metern und ist noch rund zwei Meter tief. Die Frage gilt vor allem dem damaligen Baufortschritt: War der Schacht bereits befestigt und ausgemauert worden? Fritz Jürgens vermutet, dass bei der englischen Tunnelbauweise an dem Richtschacht ein sogenannter Pferdegöpel stand. Bei diesem Bauwerk aus Holz wurde mit Hilfe von Pferden über eine Umlenkrolle der Erdaushub nach oben befördert. "Wir sind jetzt auf der Suche nach Resten von Pfählen", erklärte Fritz Jürgens. Bis zum 7. April haben die Studenten Zeit, diesen Fragen nachzugehen, dann endet die kurze Grabungssaison im Eggegebirge wieder. "Dann beginnt für uns die Auswertung und Beschreibung der Funde. Die Daten werden wertvolle Erkenntnisse liefern", hofft Sven Spiong. "Wir sind Dienstleister auch für die Kommunen, die auf der Basis der Funde historische Stätten auch nutzen können für Präsentationen ihrer Ortsgeschichte", sagte der Archäologe. Der Willebadessener Konstantin von Wrede hofft, dass die geschichtliche Bedeutung des Eisenbahntunnels auch genutzt werden kann, um auf die kulturellen Besonderheiten der Eggegemeinde aufmerksam zu machen.

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