Flüchtlingswelle: Willebadessener Christdemokraten hatten zu einer Podiumsdiskussion eingeladen

Niesen. Fast 300.000 Asylanträge wurden 2015 in Deutschland gestellt. Das sind doppelt so viele wie im Vorjahr. Die meisten Flüchtlinge soll das Land Nordrhein-Westfalen aufnehmen. Die steigenden Flüchtlingszahlen sind eine gesellschaftliche Herausforderung - und bergen sowohl Chancen als auch Risiken.Damit aber nicht immer nur über die Flüchtlinge geredet werde, hatte die Stadt Willebadessen Achmed Yazjy zur Diskussion in die Niesener Gemeindehalle eingeladen. Der Syrer schilderte zunächst die Situation in seinem Land: "Jeder weiß, was in unserem Land passiert. Es gibt große Probleme mit den Terrororganisation Islamischer Staat und al-Quaida", erklärte er. Nach Deutschland sei er gekommen, um diesem sinnlosen Kampf, einem "fight for nothing", zu entfliehen und um Frieden und eine Arbeit zu finden. "Wir müssen unser Land verlassen, unsere Erinnerungen und Träume hinter uns lassen, weil es für uns dort keine Chancen gibt", so Yazjy.HERAUSFORDERUNGGemeindereferentin Ursula Bußmann weiß, wie wichtig es ist, Kontakte zu den Flüchtlingen aufzubauen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen - sei dies auch nur mit Händen und Füßen. Dabei könne jeder helfen und sich mit seinen Fähigkeiten einbringen. "Initiative Helfende Hände" nenne sich daher die 30 Personen starke Gruppe um die Gemeindereferentin, von denen einige Deutschunterricht geben oder andere Fahrten zu Ärzten übernehmen. "Unsere Strickfrauen haben angeboten, mit den Flüchtlingsfrauen zu stricken, die Mitglieder der DLRG bieten Schwimmkurse für die Flüchtlingskinder an", so Bußmann.Mit der Zeit sei ein Miteinander entstanden und bei dem kürzlich stattgefundenen Begegnungsfest habe eine "super Stimmung" geherrscht.ÄNGSTENeben der großen Hilfsbereitschaft vieler Menschen macht sich aber auch die Angst breit. Bürgermeister Hans Hermann Bluhm weiß, dass die Frage "Werden wir mit der Flüchtlingswelle, die uns seit Juli förmlich überrollt, wirklich fertig?" ohne Zweifel im Raum steht.CHANCENVerena Homburg von der Arbeitsagentur Höxter-Warburg kennt die Bedenken der Bevölkerung: "Da ist zum einen die große Sorge: Wie lange liegen uns die Flüchtlinge auf der Tasche?", weiß sie. Solche Sorgen seien aber in ihren Augen völlig unberechtigt. "Ab dem vierten Monat darf grundsätzlich jeder arbeiten", erklärte sie. "Außerdem sind wir eine Region im Kreis Höxter, in der man sich um Personen bemühen sollte, die dauerhaft bleiben." Die Agentur für Arbeit baue Pools auf, um die Flüchtlinge schneller in Ausbildungsbetriebe zu vermitteln, biete sogar bis Ende des Jahres Sprachkurse an. Ein von der Arbeitsagentur angestellter Asylbewerber helfe zudem bei der Arbeitsvermittlung, da er vier Sprachen beherrsche.SPRACHVERMITTLUNGDas Thema der Sprachvermittlung griff auch der christdemokratische Bundestagsabgeordnete Christian Haase auf: "Zuallererst braucht man die Sprache. Deutsch zu lernen steht an erster Stelle", erklärte er. Dabei sei es nicht wichtig, dass diejenigen, die die Sprache vermittelten, hoch qualifiziert seien. Von diesem Qualifikationsniveau müsse man dringend wegkommen. "Die Sprache erlernen fängt im Alltag an - es muss keiner so sprechen können wie ein Abiturient", so Haase."Gerade für den Handwerksbetrieb sind die Sprachkenntnisse unverzichtbar", betonte Kreishandwerksmeister Alfred Gemmeke. Dabei könne man aber nicht erwarten, dass die Sprache so nebenbei während der Ausbildungszeit erlernt werde. "Es reichen auch keine sechs bis zwölf Wochen Intensivkurs aus. Das ist von vorne herein zum Scheitern verurteilt", sagte Gemmeke. Sinnvoller sei eine Zeit von mindestens vier Monaten, in denen täglicher Sprachunterricht stattfinde. Schnellere Verfahren und Entscheidungen darüber, wer bleiben darf und wer nicht, spielten dabei ebenfalls eine zentrale Rolle. Schließlich müsse auch der Betrieb wissen, ob er denn nun ausbilden könne oder nicht. "Wenn wir das Ganze richtig anpacken, uns auf Sprach- und Wertevermittlung und Integration Werte konzentrieren, dann kann die Problematik in der wir uns heute befinden, für Deutschland zu einer Win-win-Situation werden", sagte der Kreishandwerksmeister.Schulrat Hubertus Gockeln pflichtete Gemmeke bei: "Unsere Sprache muss möglichst schnell erlernt werden. Am besten klappt das bei den Kindern, die lernen sehr schnell", so Gockeln. Mit der gestiegenen Zahl der heutigen Grundschulkinder könne dem demografischen Wandel in der Region entgegengewirkt werden - wenn dies auch erst in rund zehn Jahren der Fall sei.BEFÜRCHTUNGENNeben den möglichen Chancen, die die Flüchtlingswelle bietet, waren aber auch die Ängste und Sorgen der Bürger Thema des Abends. Ein Zuhörer forderte mehr Transparenz: "Es muss alles viel offener und zugänglicher gemacht werden, die Bevölkerung muss besser informiert werden. Andernfalls werden die Leute an den Stammtischen weiter schimpfen und behaupten, dass die Flüchtlinge nur unser Geld kosten". Andere äußerten Bedenken darüber, dass im Islam Männern und Frauen nicht gleichberechtigt seien, so wie es im Christentum der Fall sei. "Meine Frau wird im Schwimmbad von jungen Männern angestarrt", beklagte sich ein Zuhörer. Auch die Frage danach, wann endlich die Verfahren derer, die nicht bleiben dürften, verkürzt werden, stand für viele im Raum.RELIGIONSUNTERSCHIEDEDer CDU-Bundespoltiker Christian Haase betonte, dass es wichtig sei, solche Ängste und Bedenken zu äußern. Er erklärte außerdem: "Ich hatte auch keine Ahnung vom Islam, bevor ich in den Bundestag ging. Heute weiß ich, dass man unterscheiden muss zwischen dem IS und seinen extremen Ansichten und dem aufgeklärten Islam", so Haase.Achmed Yazjy pflichtete Haase bei: "Wir akzeptieren die christliche Religion, wir wollen niemanden missionieren. Die extremen Ansichten des IS, dessen Anhänger zu 70 Prozent aus Europa und Australien kommen, teilen wir nicht.""Wir müssen uns der Ängste bewusst sein, uns aber gleichzeitig nicht davor scheuen, unsere Werte aufrechtzuerhalten. Ich möchte weder, dass aus dem Umzug zu St. Martins ein Lichterfest wird, noch dass wir die Weihnachtsmärkte in Wintermärkte umbenennen", sagte Bürgermeister Hans Hermann Bluhm.DIE SITUATION153 Flüchtlinge sind aktuell in der Stadt Willebadessen untergebracht. "Etwa sechs bis acht Personen sind in den vergangenen Monaten wöchentlich dazugekommen", informierte der Bürgermeister Bluhm. Fast die Hälfte komme vom Balkan, andere aus Syrien, Pakistan, Afrika oder anderen Ländern. Die weitere Entwicklung sei noch nicht absehbar, so der Bürgermeister. 125 Menschen leben derzeit in der Hüssenbergschule. "Vorgesehen waren zuerst maximal 80 Personen, durch die 45 zusätzlichen Flüchtlinge sind manche Zimmer sogar vierfach belegt", sagte Bluhm. Freie Kapazitäten gebe es für höchstens sechs weitere Flüchtlinge. Die Stadt sei bald an ihren Grenzen angelangt.Sportstätten wollten Verwaltung und die Vertreter der CDU-Ratsfraktion nicht nutzen und in Gebrauch nehmen. "Nicht nur unsere Jugendlichen, auch die jungen Flüchtlinge, speziell die jungen Männer brauchen einen Platz, an dem sie sich austoben und einmal richtig Dampf ablassen können", erklärte Bluhm."Wir gehen guten Mutes in das neue Jahr", sagte Hans Hermann Bluhm zum Abschluss der Diskussion. Berlin und Düsseldorf würden langsam Gelder locker machen. "Ich will nicht sagen: 'Wir müssen es schaffen', sondern: 'Wir werden es schaffen'. Wer in der Welt, außer Deutschland, sollte so etwas schaffen können. Ich drücke uns die Daumen", so Bluhm.

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