Ein fast vergessenes „Arme-Leute-Haus“ feiert in Warburg seine Renaissance

Warburg. Einen rechten Winkel sucht man in diesem Haus vergebens. Nur die eine oder andere Ecke kommt den perfekten 90 Grad nahe. &bdquo;Ein Arme-Leute-Haus, ein Dreiseiten-Haus“, sagt Leon Sandten. &bdquo;Mit der Stadtmauer haben sich die Erbauer eine vierte Wand gespart“, erklärt der Architekt. Die liege im rückwärtigen Teil, im Süden, zum Garten und zur Diemel hin, drückt Sandten die Klinke der Eingangstür und lädt zum Rundgang. Das Haus vereinige viele Zeitepochen in sich, sagt Sandten. Einzelne Teile seien sicher älter als 300 Jahre. Innen wurde immer wider angestückelt, Materialien beispielsweise aus den alten Wehrtürmen zweitverwertet. Davon gab es 24 in der mittelalterlichen Stadtbefestigung in Unter- und Oberstadt. Der ein oder andere Stein habe beim Einbau auch bereits ein drittes Mal Verwendung gefunden, bemerkt der Fachmann. &bdquo;Angebaut, daher der asymmetrische Giebel und die dadurch längere rechte Dachhälfte.“ Das Resultat eines späteren Anbaus, merkt der Architekt an. Ursprünglich habe es zwischen dem Haus und der Nachbarbebauung eine Gasse gegeben. Wie sie auch heute noch an der anderen, der linken Seite zu sehen ist. &bdquo;Nur ein bisschen breiter“, sagt Sandten. Schäden der Heinrichsflut in der Warburger Altstadt Die Heinrichsflut hatte dem kleinen Haus arg zugesetzt. &bdquo;Raumhoch“, so schätzt Sandten, habe im Juli 1965 das Hochwasser der Diemel im Gebäude gestanden. Wie in der gesamten Altstadt. Für die Bewohnerinnen und Bewohner eine Katastrophe. Ebenso wie für die Bausubstanz. Heinrichsflut vor 60 Jahren: Als Warburg in den Fluten versank Seine Eltern hatten es Mitte der Nuller Jahre gekauft. Damals sollte es abgerissen werden. Die Stelle sollte einer Garage Platz bieten. Von der Nichte der letzten Bewohnerin kauften Elisabeth und Georg Sandten das marode Gemäuer, um es zu retten und für Warburg zu erhalten. Denn denkmalgeschützt ist es nicht. &bdquo;Hat aber jede Menge Charme“, ergänzt Sandten. Ein Objekt, in dem er sich verwirklichen könne. Gerade die wenigen Quadratmeter seien schon eine Herausforderung. Die Leidenschaft eines bekannten Warburger Architekten Gemeinsam mit dem 2016 verstorbenen Warburger Architekten Klaus Schulz wurde geplant. Allzu lange hatte das Haus leer gestanden. Über Jahrzehnte vernachlässigt. Die Dachbodenbalken drohten einzustürzen. Beim Experten für die denkmalgerechte Sanierung großer und kleiner Fachwerkbauten hatte Leon Sandten als Schüler Praktika absolviert &bdquo;und noch mit Tusche Zeichnungen gefertigt.“ Ihm habe er die Leidenschaft zu verdanken, sagt der Vater dreier Kinder. Schulz habe zudem nach ökologischen Gesichtspunkten saniert und manch stadtbildprägendes Bauwerk gerettet, hält Sandten anerkennend fest. Als Architekt habe er weit über den Tellerrand hinausgeschaut. Zum Kälkenfest in Warburg: Ehemalige Matzenbäckerei erhält Auszeichnung Vor gut zwei Jahren begann nach der notdürftigen Sicherung das Aufbauprojekt. Die Balken im Erdgeschoss derart morsch, das er sie &bdquo;mit Besen und Kehrblech“ aus dem Haus habe räumen können, beschreibt Sandten den Zustand. Offenes Sichtfachwerk: Der Raum bekam neue Balken aus Eichenholz. &bdquo;In Möbelqualität“, zeigt er sich begeistert vom Material und der Kunst des Zimmermannsmeisters. Restaurator Haase hat die Werkstatt auf Gut Wettesingen. Auch in Ostdeutschland ältestem Techno-Club aktiv Ein Fachmann: Seit drei Jahren betreibt der 32-jährige gebürtige Warburger mit einem Partner ein eigenes Büro in Leipzig. Als Architekt begleite er viele Altbausanierungen, sagt er. &bdquo;Von der denkmalgeschützten Villa über den modernen sozialen Wohnungsbau mit 40 Wohneinheiten in reiner Holzbauweise bis zu Ostdeutschlands ältestem Techno-Club. Die &bdquo;Distillery“ auf dem alten Leipziger Messegelände findet unter seiner Regie aktuell in den alten Hallen einen neuen Ort. Bauprojekte, die in ganz Deutschland Beachtung finden. Libero-Architekten heißt das Büro. Sandten war in der Jugend ein leidenschaftlicher Fußballspieler, mit Warburg 08 schaffte er es bis hinauf in die A-Jugend Landesliga. &bdquo;Legendäre Zeiten“, merkt er an. Gemeinsam mit Sebastian Schonlau, heute Innenverteidiger und Kapitän des Bundesligisten Hamburger SV, stand er auf dem Platz. Rechts der Eingangstür sind Bruchsteine aus Kalk- und Sandstein, linker Hand sind Ziegelsteine vermauert. Im einstigen Eingang, der ins Innere führte, habe die letzte Hausbesitzerin das Bad gehabt, merkt Sandten an. Jetzt liegen Wasser- und Abflussrohre im ehemaligen Kohlelager. &bdquo;Schlanke drei Quadratmeter, aber sechseinhalb Meter hoch“. Der Boden aufgefüllt mit Schaumglasschotter hält Sandten den Kopf in Augenhöhe der früheren Balkenlage. Historischer Stadtkern: Ausbaupläne in der Warburger City sorgen weiter für Zündstoff Am Wochenende von Leipzig nach Warburg Die 300 Kilometer zwischen Leipzig, dem Wohnort der Familie und Warburg legt Sandten an Wochenenden regelmäßig zurück. Die Großeltern freuen sich auf die Enkel (6 und 3 Jahre, der/die Jüngste ist elf Wochen alt), Vater Georg arbeitet gern im alten Fachwerk. Auch unter der Woche. Wie er es bereits in mehreren Warburger Häusern tat, die er beispielsweise an der Lange Straße oder der Delbrückstraße aufwendig renovierte und darin mit der Familie wohnte. Historisches Fachwerk in Warburg: Arnoldihaus sucht neuen Eigentümer &bdquo;Die Holzfenster sind neu“, sagt Sandten. &bdquo;Denkmalgerecht.“ Das habe die Denkmalpflege bestätigt. Die Sanierung im Innern erfolge &bdquo;von oben nach unten“. Der Blick aus dem Dachfenster gehört wohl zu den überraschendsten in der Hansestadt. &bdquo;Einmalig“, öffnet Sandten den Fensterflügel. Über den Dächern der Altstadthäuser ist im Rahmen das Stadtpanorama mit den beiden Marienkirchen der Altstadt zu sehen. Die Idee für die Loftnetze stammt aus der Schifffahrt Oben sei das Haus ein Raumwunder, bemerkt der Bauherr. Eine schmale Treppe führt zu den gut 40 Quadratmetern hinauf. Liegenetze im Bodenrahmen werden in Doppelbettgröße auch später den Blick ins Geschoss darunter freigeben. Die Netze hat er im Auto. Die Idee für die Loftnetze hat er aus der Schifffahrt, eine Firma an der Nordseeküste hat sie ihm auf Maß gefertigt. Eine Dachhälfte ist bisher gedämmt. &bdquo;Mit ökologischer Holzfaser-Weichdämmung als Zwischensparrenlösung, 18 Zentimeter“, nennt er für den Kundigen interessante Details. Ein Ferienhaus für die Familie. Später werde das Haus an vielen Stellen anders sein. &bdquo;Spezieller“, sagt er. Die winzigen Zimmer von damals wird es nicht mehr haben. Trotz der offenen Räume bleibe es &bdquo;dennoch ein historisches Haus“. Das ist dem jungen Architekten wichtig. &bdquo;Durch eine sensible Behandlung in die Gegenwart transferiert“, sagt Sandten in wohlgesetzten Worten. Bisher haben er und sein Vater unzählige Stunden in den Erhalt investiert. Bis alles fertig ist, werden es weitere unzählige sein. Wie bei allen Projekten der Libero-Architekten wird später ein Fotobuch das Werk dokumentieren. Für die Bauherrn eine Erinnerung, für den Architekten eine Referenz. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Höxter.

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