Dänische Kieferorthopädin in Warburg zur Europawahl: „Jede Stimme hat Gewicht“

Warburg. Gewählt hat sie schon. &bdquo;Per Brief“, sagt Charlotte Gormsen. Die Warburger Kieferorthopädin hat zwei Staatsbürgerschaften. Die Dänische und die Deutsche. &bdquo;Auch wenn ich schon seit mehr als 30 Jahren in Warburg wohne, bin ich immer noch Dänin“, sagt sie bestimmt. &bdquo;Doch konnte ich weder in Dänemark bisher wählen, weil ich dort nicht wohne, noch in Deutschland, weil ich keine Deutsche war“, klärt Gormsen auf. Das habe sich geändert. Gormsen besitzt jetzt zwei Pässe. Darf die gebürtige Kopenhagenerin bei der Europawahl am Sonntag, 9. Juni, auch zwei Mal abstimmen? Als &bdquo;ökonomischer Flüchtling“ sei sie Anfang der 1990er Jahre nach Deutschland gekommen, sagt Gormsen. In Dänemark waren die Jobs rar. In einer Praxis im sauerländischen Brilon hatte die junge Zahnärztin bereits zuvor zwei Jahre lang Erfahrungen gesammelt. Die waren vor der Spezialisierung zur Kieferorthopädie notwendig. Eigentlich habe sie Chirurgin werden wollen, sagt Gormsen. Doch sei es schon damals schwierig gewesen, eine entsprechende Weiterbildungsstelle zu finden. &bdquo;Ich habe in Dänemark alle Unis angeschrieben“, bemerkt sie. Dann entschied sich Gormsen für die Kieferorthopädie, absolvierte die Fachausbildung in dem skandinavischen Land. Warum in Deutschland leben? Und sucht ihre berufliche Chance im europäischen Ausland. &bdquo;Angestellte wollte ich nicht werden“, sagt sie. Mailand im Blick, landet Gormsen wieder in der Region jener Stadt, in der sie schon einmal war. &bdquo;Ich habe mich in ganz Deutschland umgesehen und mich dann für Warburg entschieden.“ Allerdings stand noch einmal die Fachprüfung zur Kieferorthopädin an. &bdquo;In Münster bei der Zahnärztekammer.“ In Dänemark und Nordrhein-Westfalen. &bdquo;Erfolgreich, aber doppelt abgelegt“, bilanziert die Medizinerin. 1992 eröffnete Gormsen in Warburg ihre Praxis für Kieferorthopädie an der Pellenbreite. Den amerikanischen Zahnarztdoktortitel auf dem Schild. DDS steht für Doctor of Dental Surgery. Seit 1995 arbeite die Praxis auch ganzheitlich, das ist ihr wichtig. &bdquo;Bürokratische Hürden, wohin man schaut, schon damals“, sagt Gormsen und träumt davon, Königin zu sein. Denn dann würde sich einiges vereinfachen, merkt sie charmant an. Die Bürokratie habe in allen Bereichen ein unvorstellbares Maß angenommen, sagt die Ärztin und Unternehmerin. &bdquo;In Dänemark lange nicht so viel wie hier“, hält sie fest. Ein Grund, warum die Dänen als die glücklichsten Menschen der Welt gelten? Was begeistert an der EU? &bdquo;Sie trauen anderen etwas zu“, sagt Gormsen ohne Umschweife. Im Berufsleben spiele das Vertrauen, das jemandem etwas Zutrauen, eine große Rolle. Dieser respektvolle Umgang gehöre zur Mentalität der dänischen Nachbarn über alle sozialen Schichten hinweg. Dieses vertrauende &bdquo;Mach mal, Du schaffst das schon“ gebe es nicht in vielen Ländern. Vom EU-Gedanken ist die Mutter eines erwachsenen Sohnes nach wie vor begeistert. &bdquo;In der Jugend hatten wir uns gefreut, uns innerhalb Westeuropas frei bewegen zu können. &bdquo;Und gehofft, dass auch Grenzen im Kopf weiter fallen werden“, bemerkt Gormsen. Aufbruchsstimmung: &bdquo;Wir werden langsam eine Welt“. Heute haben sich die Teile vor das große Ganze geschoben. Die Wünsche nach nationaler Identität in der negativ wirkenden Form des patriotischen Gefühls. &bdquo;Dabei möchte jeder nur seinen eigenen Kuchen backen. Wir sollten es besser machen“, sagt Gormsen. Sind die Dänen Royalisten? Die Königsfamilie schweiße die Menschen zusammen, sagt Gormsen. Doch gebe es auch die anderen Stimmen, die meinen, das Königshaus sei zu teuer. Die dänische Königsfamilie sei sehr volksnah. &bdquo;Das Land ist so klein, dass sie wirklich ein Teil der Bevölkerung sind“, sagt Gormsen. Welche Rolle spielen Vorbilder? &bdquo;Wir brauchen den König als Vaterfigur.“ In Deutschland würden die Stars aus der &bdquo;Bunten“ oder der &bdquo;Gala“, der Regenbogenpresse, dem Boulevard diese Rolle übernehmen. &bdquo;Politiker bekommen keine Vorbildfunktion.“ Die Dänen hängen ihre Flagge gern an die Straße und sind stolz darauf, sagt sie dann. Da seien die Deutsche bedingt aus ihrer Geschichte weit weniger stolz auf ihr Land. Aus Scham? &bdquo;Erstmals nach der Nazi-Zeit haben sie beim Sommermärchen, der Fußball-WM 2006 im Land, wieder Flagge gezeigt“. Jetzt kehrten die Nationalgefühle zurück. &bdquo;In den 1970ern haben wird gedacht, in Zukunft alle Europäer zu sein“, sagt Gormsen. Doch dieses Gefühl zu kreieren, &bdquo;das haben wir nicht geschafft“. Heute sei eine andere Zeit, blickt Gormsen auf Flüchtlingsbewegungen und Parallelgesellschaften. Und auf die US-amerikanische Gesellschaft. In den USA gebe es ein ausgeprägtes Nationalgefühl, &bdquo;doch die Kulturen und gesellschaftlichen Gruppen bleiben unter sich“. Was ist Demokratie? &bdquo;Wir müssen reden“, steht im Wartezimmer der Praxis in großen Lettern auf einem Plakat der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe. Die Demokratie sei eine große Chance, hält die Kieferorthopädin fest und wünscht sich für Deutschland, politisch mehr Selbstbewusstsein zu zeigen. Ach ja, jeder und jede Wahlberechtigte darf in den 27 Mitgliedsstaaten der EU nur einmal sein, ihr Wahlrecht ausüben. Die Doppelwahl ist verboten. &bdquo;Auch wenn meine Stimme nur eine ist, wählen gehen ist wichtig, um mit zu gestalten“, betont Gormsen.

Meistgelesen