Nach Tropensturm: Der bange Blick aufs Smartphone einer jungen Madagassin

Warburg. Ando Fitiavana Rajoeliarioly fürchtet um die Menschen in ihrer Heimat. Seit Oktober ist die Madagassin zu Gast in Hansestadt, absolviert als Bufdi ihren Dienst im Heilpädagogischen Therapie- und Förderzentrum (HPZ) auf der Laurentiushohe. Daheim auf der vor Afrikas Ostküste gelegenen Insel hatte vor gut einer Woche ein Tropensturm verheerende Verwüstungen hinterlassen. Kein Kontakt: Bange Stunden für Ando, die um das Leben ihrer Mutter fürchten musste. Gemeinsam mit ihrer Mentorin Dagmar Feldmann aus Bonenburg, die den Bundesfreiwilligendienst vermittelt hatte, hat sich die 25-Jährige jetzt an die Zeitung gewandt, um auf die Katastrophe aufmerksam zu machen. Rund eine Woche nach dem Tropensturm &bdquo;Batsirai“ sei das ganze Ausmaß der Schäden auf der Insel Madagaskar noch immer nicht absehbar, melden die Nachrichtenagenturen. &bdquo;Doch diese Nachricht geht in diesen Zeiten unter“, bemerkt Feldmann. Die Zahl der Toten wird mittlerweile mit 120 Opfern angegeben. Die Anzahl hatten nationale Behörden am Freitagabend in der Hauptstadt Antananarivo genannt. Erdrutsche blockieren die Straße Ando stammt aus der Stadt Mananjary an der Südostküste. Über diesen Landstrich war der Zyklon als erstes gerast. Die Stadt sei immer noch von der Außenwelt abgeschnitten, berichtet Feldmann. Erdrutsche hatten die Straßen blockiert, das Wasser die Wege unterspült.Der Sturm hatte sich angekündigt, in Warburg von der jungen Madagassin verfolgt über die Wetter-App ihres Handys. Deshalb war sie am Freitag vorletzter Woche bei ihren Gasteltern in Wethen geblieben und nicht zum Dienst ins HPZ gegangen. Sie wusste, dass sich ein gewaltiger Tropensturm auf die Insel zubewegte. Angst umklammerte ihre Seele. &bdquo;Die Nacht und den Tag über keine Nachricht von meiner Mutter“, sagt sie immer noch beklommen. Am Sonntag um 4 Uhr dann ein erstes Bild. &bdquo;Ich habe von einer Freundin ein Foto von der Katastrophe aus der Stadt bekommen“, blick Ando auf das Smartphone. Aber immer noch kein Lebenszeichen von der Mutter. Schlimme Stunden. &bdquo;Was ist meiner Mutter passiert?“. Dann dringt endlich ein kurzes Video durch. &bdquo;Das Haus kaputt, aber Mutter lebt.“Viele haben ihr Zuhause verloren Andos Cousin (16), der mit der Mutter im Haus wohnt, habe am Tag vor dem Sturm mit Sandsäcken das Blechdach beschwert. Doch half es wenig. Jetzt klafft ein riesiges Loch in der Decke, der starke Regen hat alles durchnässt. Die beiden hatten die Nacht an ihrer zerstörten Hütte ausgeharrt. Mittlerweile sind sie bei den Schwestern des Heiligen Joseph von Aoste untergekommen. An der Schule der Ordensschwestern unterrichtet Andos Mutter als Lehrerin. &bdquo;Die Schwestern haben viele Menschen aufgenommen, die ihr Zuhause verloren haben“, sagt Ando. Solide Räume: Doch in die Klassenzimmer werden die Kinder zurückkehren. Lange bevor die verwüstete Infrastruktur der knapp 30.000 Einwohner zählenden Stadt vorerst provisorisch wieder aufgebaut sein wird. &bdquo;Wir können nicht oft miteinander sprechen“ Auch in der Region, in der Tafitasoa Bertrand Ogilvie lebt, hinterließ der Wirbelsturm große Schäden. Tafita ist im Warburger Land kein Unbekannter. Er war 2010 als &bdquo;Missionar auf Zeit“ für ein Jahr auf dem Jugendbauernhof in Hardehausen tätig und hatte damals auf dem Hof von Dagmar Feldmann und Antonius Tillmann in Bonenburg gelebt. Seit 2018 unterstützt der Verein &bdquo;Santatra – Partnerschaft mit den Menschen in Madagaskar“ Tafitas Projekt in Farafangana, in dem er sich mit seinen madagassischen Mitarbeitern für die Regeneration der Natur und die Verbesserung der Lebens- und Einkommenssituation von inzwischen 120 Bauernfamilien einsetzt. &bdquo;Große Teile der Häuser in seiner Baumschule sind zerstört“, weiß Feldmann. Ando hatte vor dem Aufenthalt in Warburg auf dem Agro-Forst-Betrieb bei Tafita ein Praktikum absolviert. Das Mobilfunknetz an der madagassischen Küste bricht immer wieder zusammen. Telefonieren und sich gegenseitig Nachrichten schicken sind nur schwer möglich. Auch sind derzeit in Mananjary noch die Stromleitungen gekappt. Und in Warburg wartet Ando. &bdquo;Wir können nicht oft miteinander sprechen“, sagt sie. Es bleibe beim Nötigsten. Kurze Gespräche: &bdquo;Wie geht es dir?“ Und die Mutter antworte immer mit dem knappen Satz &bdquo;Mir geht es gut“. Ando sucht bei den Worten den Blick ihrer Freundin Dinah. Auch die 23-Jährige versieht im HPZ den Bufdi-Dienst, möchte ebenso wie Ando deutsche Kultur und Sprache kennenlernen möchte."Im ganzen Land explodieren die Preise" &bdquo;Die Menschen hier machen sich keine Vorstellung von der Katastrophe in Madagaskar“, bekräftigt Feldmann den Besuch in der NW-Redaktion. 2019 hatte die Bonenburgerin die afrikanische Insel zuletzt besucht. Corona verhinderte in den beiden vergangen Jahren den beabsichtigten Aufenthalt. Die Anzahl der Zyklone nehme ständig zu, hält Feldmann fest. Erst zwei Wochen vor dem Sturm &bdquo;Batsirai“ sei ein anderer über die Hauptstadt hinweggefegt. Auch dort standen Häuser unter Wasser &bdquo;und Wassermassen lösten Erdrutsche aus“. Aktuell bahne sich ein neuer Zyklon über dem Norden der Insel an. &bdquo;Folgen des Klimawandels“, bilanziert Feldmann, verweist auf die schwierige Ernährungslage der Bevölkerung und auf hinweggeschwemmte Reispflanzen. &bdquo;Im ganzen Land explodieren die Preise“, hält sie fest. &bdquo;Dabei geben die Madagassen bereits gut 70 Prozent ihres Einkommens für ihre Lebensmittel aus.“ Die Versorgungslage sei beängstigend. &bdquo;Die Zeit vor der Reisernte im April war immer schon &bdquo;eine ungewollte Fastenzeit“. Jetzt blieben für die Ernte große Fragezeichen. Ando bedrücken die Sorgen, wie lange wird es mit der Reparatur des Hauses dauern, &bdquo;was passiert weiter mit der Stadt, der Schule, dem Essen, der Wirtschaft“. Sie freue sich über das Gebet für die Menschen in ihrer Heimat, sagt die junge Christin bescheiden.

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