Christian Haase: "Pflegebedürftige gehören mitten ins Leben"

In der vergangenen Woche hatte sich der Bundestagsabgeordnete Christian Haase (CDU) im Warburger Klinikum und der Senioreneinrichtung Sankt Johannes umgeschaut und mit den Verantwortlichen gesprochen. Herr Haase, was sind Ihre Eindrücke, was nehmen Sie aus den Gesprächen mit nach Berlin?Christian Haase: Christlich geleitete Politik hat stets auch die Schwächsten und Hilfsbedürftigen im Blick. Mir persönlich liegt das Thema sehr am Herzen. Daher war es in diesem Fall auch so, dass ich dem Bereich Gesundheit und Pflege eine ganze Themenwoche gewidmet habe und selbst auf die Häuser zugegangen bin. Ich wollte wissen, wie sich die Pandemie auf das Leben und die Arbeit in den Einrichtungen auswirkt. Beeindruckend waren zum Beispiel die Schilderungen, wie sich die in der Quarantäne notwendige Isolation auf die Menschen ausgewirkt hat. Den Einrichtungen kann ich einen professionellen Umgang mit den neuen und vielfach belastenden Herausforderungen bescheinigen. Mit dem Neubau im Stadtzentrum verfolgt Sankt Johannes ein neues Konzept: Neben dem betreuten Wohnen wird im Küstergarten Beratung für Pflegebedürftige und Angehörige angeboten. Ein richtiger Weg?Ja, das finde ich ganz wichtig. Unsere pflegebedürftigen Familienmitglieder gehören dazu. Mitten ins Leben. Oft sind es die Familien, die einen großen Teil der Pflegearbeit leisten. Daher ist ein Gesprächs- und Beratungsangebot immens wichtig, um sich passgenaue Unterstützung suchen zu können. Das Pflegethema gehört dahin, wo sich die Menschen aufhalten und darf kein Tabu in Gesprächen sein. Neben den Erfahrungen in der Corona-Pandemie und in deren Folge den Belastungen in den Gesundheits- und Alteneinrichtungen, die Pfleger und Betreuer im Alltag erleben, waren sicherlich die knappen personellen Ressourcen in der Pflege und der Betreuung eines der Themen. Das Problem des Fachkräftemangels in Kliniken und Seniorenheimen ist keineswegs neu: Seit Jahren fehlt es an Pflege- und Betreuungskräften. Mangelt es dem Berufsfeld an Attraktivität?Richtig, das war natürlich auch ein Thema. Wie Sie aber richtig sagen, hat Corona hier nur einen bestehenden Trend verstärkt. Ich habe auch vor der Krise bereits mit Schülern der Pflegeschule aus dem Kreis Höxter gesprochen, die klar sagen: Über unseren Beruf muss – auch medial – positiver berichtet werden. Geld ist ein wichtiger Punkt, aber nur ein Teil. Es geht um Arbeitsbedingungen und Zeichen der Wertschätzung für diese emotionale und körperliche Arbeit, aber auch die Patienten würden einem viel zurückgeben. Über diese schönen Seite des Berufs höre man kaum etwas. Das habe, nach Ansicht der Schüler, auch einen abschreckenden Effekt. Auf dem Arbeitsmarkt sind Krankenschwestern und -pfleger Mangelware. Schon vor der Pandemie waren die Arbeitsbedingungen in der Pflege einer der ausschlaggebenden Gründe, warum Pflegende ihrem Beruf den Rücken kehren. Wie können die Arbeitsbedingungen verbessert werden, welche Ansätze können Sie sich vorstellen?Mit den Pflegestärkungsgesetzen wurden die Leistungen für Pflegebedürftige deutlich ausgeweitet. In dieser Wahlperiode ist es uns ein besonders wichtiges Anliegen, die Bedingungen für diejenigen zu verbessern, die pflegen. Ich möchte beispielhaft nennen: Ein Sofortprogramm hat dafür gesorgt, dass 13.000 neue Stellen in der Altenpflege unbürokratisch finanziert werden können. In den Krankenhäusern finanziert der Bund sogar jede neue Pflegestelle. Das Bundesgesundheitsministerium hat hier innerhalb dieser Legislaturperiode viel auf den Weg gebracht. Dazu gehören Pflegepersonaluntergrenzen, das Pflegepersonalstärkungsgesetz und die Konzertierte Aktion Pflege. Das bedeutet?Die Konzertierte Aktion Pflege enthält konkrete Maßnahmen, um die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für Pflegekräfte spürbar zu verbessern. Vereinbart wurden als Ziele und Maßnahmen: die Steigerung der Ausbildungszahlen, höhere Löhne für beruflich Pflegende, eine am Bedarf ausgerichtete Personalausstattung in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, mehr qualifizierte Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland, mehr Gesundheitsförderung, mehr Entlastung durch Digitalisierung und mehr Verantwortung für Pflegefachpersonen. Was kann die Attraktivität der Ausbildung steigern?Die neue generalistische Pflegeausbildung macht den Pflegeberuf moderner und attraktiver. Damit die Entscheidung für eine Pflegeausbildung leichter fällt, wurde das Schulgeld in der Altenpflege abgeschafft und eine Ausbildungsvergütung eingeführt. Die neue Ausbildung läuft seit 2020. Mit dem Gesetz für bessere Löhne in der Pflege wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass flächendeckend nach Tarif bezahlt werden kann. Wie können junge Menschen als Auszubildende gewonnen werden? Haben Sie in Warburg vielleicht konkrete Beispiele gefunden?Pflege muss wieder attraktiver werden. Das geht nur mit mehr Personal. Denn das entlastet nicht nur die einzelne Pflegekraft, sondern lässt auch mehr Zeit für die Betreuung der Pflegebedürftigen. Die Beschlüsse der Konzertierten Aktion sind ein Auftrag an alle Beteiligten. Und sie sind ein Versprechen der Politik an alle Pflegekräfte: Wir werden weiter dafür kämpfen, dass die Situation in der Pflege besser wird. Denn wir brauchen Euch! Applaudieren allein ist bei Weitem nicht alles: Arbeitsminister Heil und Gesundheitsminister Spahn fordern flächendeckende Tariflöhne in der Altenpflege und haben Gesetzesvorschläge vorgelegt. Ein Thema für den Wahlkampf?Wenn es nach uns geht, muss das noch in dieser Wahlperiode geklärt werden. Von den 1,2 Millionen Menschen, die bundesweit in der Altenpflege arbeiten, erhält nur knapp die Hälfte Tariflohn. Unser Gesetzesvorschlag sieht vor, dass Pflegedienste und -heime vom 1. Juli 2022 nur noch dann mit der gesetzlichen Pflegeversicherung zusammenarbeiten dürfen, wenn sie ihre Pflegekräfte nach einem anerkannten Tarifvertrag bezahlen. Hier sehe ich gute Einigungschancen mit der SPD. Anders bei dem, wie die Mehrkosten finanziert werden und welche Auswirkungen das zum Beispiel auf die Eigenanteile in den Einrichtungen hat. Da erwarten wir Antworten auf die Vorschläge von Jens Spahn. Die Pflege wird teurer. Wie finanziert sich die Pflege bei steigenden Personalkosten und von allen Seiten geforderten Stellenausweitungen?Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz enthält dazu entsprechende Regelungen. Im stationären Bereich geht es dabei vor allem um die Refinanzierung von Pflegekosten durch die Krankenkassen, die Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen und die Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen. All das muss finanziert werden. Zuletzt hat sich der Beitrag für die Pflegeversicherung zum 1. Januar 2019 im Zuge von Mehrleistungen erhöht. Das ist von den Beitragszahlern auch akzeptiert worden, da es ein hohes Verständnis für die notwendigen Veränderungen gegeben hat. Was kann die Pflegekasse noch leisten, wenn die Kosten steigen?Die Pflegereform hat bewirkt, dass mehr Pflegebedürftige den Zugang zu besseren Leistungen erhalten. Jeder kann einmal in die Situation kommen, Pflege zu benötigen, daher muss es hier um Qualität gehen. Die andere Seite der Medaille ist das Defizit in der Pflegekasse, weshalb wir die Beitragssätze anheben mussten. Ehrlicherweise sehe ich es nach der Schuldenaufnahme in der Coronakrise als problematisch an, einen dauerhaft höheren Zuschuss aus Steuermitteln zu zahlen.

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