Bonenburg/Paderborn. Behörden arbeiten nüchtern, sie arbeiten neutral und gewissenhaft. Darauf kann man sich im Allgemeinen verlassen. Was jedoch, wenn eine solche Behörde grobe Fehler macht? Im Sommer 2015 gaben zwei Landesbehörden - die Bezirksregierung Detmold und das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz - bundesweit Warnungen an die Öffentlichkeit heraus, in denen sie erklärten, die Pflanzenkohle des Bonenburger Unternehmens "Biokraftstoffe Warburg" sei gesundheitsschädlich. Es handele sich um "krebserregenden Abfall", hieß es seitens der Behörden.

Pflanzenkohle, auch Biokohle genannt, wird durch die Vergasung von Holz gewonnen. Sie findet vielfache Verwendung: in Kosmetikprodukten, als Futterzusatz bei Nutztieren, aber vor allem in der Landwirtschaft. Dort wird sie auf den Feldern ausgebracht, um den Boden zu verbessern. Und die Pflanzenkohle aus der Holzverstromungsanlage von Hubertus Wiemers sollte den Behörden zufolge krebserregend sein.
Dass jene belastete Charge, die die Behörden zum Handeln veranlasst hatten, gar nicht aus Wiemers? Bestand stammte, dämmerte keinem der Verantwortlichen. Ein Fehler mit fatalen Folgen.
Dem Bonenburger wurde der Verkauf seines Produkts sofort untersagt. Die Behörden hatten nicht nur einschlägige Verbände und Kammern, sondern auch andere Behörden zur Verbreitung dieses Vorwurfs aufgefordert. Das saarländische Umwelt- und Verbraucherschutzministerium veröffentlichte am 17. August 2015 eine entsprechende Pressemitteilung ("krebserzeugender Abfall aus Biodieselanlage als Pflanzenkohle verkauft"). Verbände richteten Schreiben an ihre Mitglieder mit der Warnung - die Verunsicherung von Händlern und Verbrauchern war enorm.

Dass die Pressemitteilung vom Saarländischen Umwelt- und Verbraucherschutzminister Reinhold Jost nach Einschreiten des Herstellers am Folgetag zurückgezogen wurde, konnte den bereits eingetretenen Schaden nicht mehr verhindern.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich damals die hochoffizielle Warnung vor seinem Produkt. Kunden riefen bei Hubertus Wiemers an, sie beschimpften und bedrohten ihn. Die Polizei fuhr regelmäßig Streife vor seinem Haus in Bonenburg. Seine Familie litt furchtbare Ängste. Von einem auf den anderen Tag verkaufte Wiemers nichts mehr. Er musste seine Mitarbeiter entlassen. Aber nicht nur wirtschaftlich war der 45-Jährige als Unternehmer am Ende. Seine soziale Existenz war vernichtet, sein Ruf zerstört. Dabei stellte sich bereits kurz nach den Bekanntmachungen der Behörden heraus, dass alles falsch war. Dass den Behörden eklatante Fehler unterlaufen waren. Chargen waren vermutlich vertauscht und Ergebnisse falsch zugeordnet worden. Fehler, die nicht hätten passieren dürfen. Die den Bonenburger einen hohen Preis haben zahlen lassen.
Das Gericht hat festgestellt, dass die Aussagen der Behörde falsch waren
Wiemers hatte bereits 2015 kurz nach den Ereignissen durch selbst veranlasste Gegenproben die Unbedenklichkeit seines Produkts beweisen können. Noch Ende 2015 gelang es seinem Anwalt Dr. Christoph Worms von Brandi Rechtsanwälte in Paderborn, eine Gegendarstellung zu erwirken. Nur interessierte das zu diesem Zeitpunkt längst niemanden mehr.
Seitdem geht der Unternehmer mit seinem Anwalt durch sämtliche Instanzen. Er nahm das aufwendige und schwierige Amtshaftungsverfahren auf sich. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen. "Das Wichtigste ist für Hubertus Wiemers seine Rehabilitation. Dass er den Leuten zeigen kann: ,Seht, da wurde mir Unrecht getan?", erklärt Worms. Das Paderborner Landgericht hat nun unmissverständlich festgestellt, dass die Aussagen der Behörden über die Pflanzenkohle der Holzverstromungsanlage Warburg falsch waren (AZ.: 3 0 342/16, Urteil vom 25.09.2017). Fakt ist: Das von Hubertus Wiemers hergestellte Produkt "Pflanzenkohle" ist unschädlich, ungefährlich und vor allem nicht krebserregend. Die gegenteilige Behauptung der Behörden des Landes NRW war falsch. Dies hätten die Mitarbeiter der Behörden auch erkennen müssen, stellten die Paderborner Richter klar. Es müsse den Behörden nach der Entscheidung klar gewesen sein, dass zum Zeitpunkt ihrer Mitteilungen kein vernünftiger Verdacht bestand, der Kläger habe in seiner Anlage krebserzeugende Stoffe hergestellt und diese als Düngemittel verkauft, heißt es.
"Mit dem Urteil des Landgerichts Paderborn ist der Unternehmer weitgehend rehabilitiert", erklärt Christoph Worms. "Die jetzt erkämpfte Feststellung, dass sich die Behörden schuldhaft falsch verhalten haben, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der unangebrachte Aktionismus der zuständigen Behörden das Unternehmen wirtschaftlich ruiniert hat. Hier wurden wider besseres Wissen eine unternehmerische Existenz und die damit verbundenen Arbeitsplätze vernichtet", sagt er.
»Hier wurden eine unternehmerische Existenz und Arbeitsplätze vernichtet«
Das Land haftet nach Darstellung des Gerichts dem Grunde nach auf Ersatz für den Schaden des Unternehmers aus falschen behördlichen Informationen. Den Steuerzahler kann das mehrere hunderttausend Euro kosten. Hinzu kommen die hohen Prozesskosten unter anderem für eine Großkanzlei, die das Land mit der Verteidigung beauftragt hatte. "Amtspflichtverletzungen dieses Ausmaßes kommen im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutzes nicht oft vor", betont Christoph Worms. "Für die Amtsträger gilt eine besonders hohe Sorgfaltspflicht bei der Prüfung von Vorwürfen -, gerade wenn es sich wie hier um vermeintlich krebserregende Stoffe handelt. Selbstverständlich steht der Schutz der Verbraucher an erster Stelle. Aber der wirtschaftliche Schaden, der durch unbedachte Falschbehauptungen entstehen kann, muss Berücksichtigung finden."
Die Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzes steht noch aus. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Land hat gegen die Entscheidung Berufung eingelegt.
Übrigens: Eine Entschuldigung für das fehlerhafte Wirken der Behörden, durch das die Existenz des Unternehmers zerstört wurde, ist bis heute nicht gefallen. Hubertus Wiemers ist jetzt dabei, seinen einstigen Betrieb in Bonenburg wieder aufzubauen. Die ersten Hallen stehen schon.
Das kann Pflanzenkohle
Pflanzenkohle ist ein populäres Produkt und wird zur natürlichen Förderung des Pflanzenwachstums eingesetzt.Sogenannte Pflanzenkohle wird in modernen Pyrolyse- und Holzvergaseranlagen hergestellt. Sie wird in der Landwirtschaft und in Gärten häufig als Kompostierzusatz und zur Verbesserung der Bodenqualität verwendet. Pflanzenkohle ist Trägerstoff für Düngemittel. Sie wird aber auch als Futtermittelzusatz eingesetzt.