Warburger Land. Vor 20 Jahren waren die Verhältnisse noch anders, der Respekt der Menschen gegenüber der Kirche groß. Zu jeder Zeit konnten die schweren Türen der Gotteshäuser Besuchern und Schutzsuchenden weit offen stehen.
Heute ist das anders. "Heute geht das nicht mehr so ohne Weiteres. Leider", sagt Werner Reineke vom Kirchenvorstand der Altstadtgemeinde St. Marien bedauernd. Wenn die Türen heute offenstehen, treten nicht mehr nur Menschen ein, die einen Ort der Stille, der Einkehr und Besinnung suchen. Es werden Opferstöcke geplündert, Kerzen gestohlen, Plakate abgerissen, Wände verschmiert und Schriftstücke und Inventar zerstört. Manchen sei nichts mehr heilig. Wenn niemand die Kirche beaufsichtigen kann, da sind sich alle angesprochenen Gemeinden in Warburg einig, muss sie geschlossen bleiben.
In St. Johannes Baptist habe sich die Situation im Laufe dieses Sommers noch einmal verschärft. Deshalb bleibt, auch wenn die Kirche werktags einige Stunden vom Küster geöffnet wird, das "Paderborner Gitter" verschlossen.
Dies war erstmals im Zuge der Renovierung im Jahr 2009 auf Geheiß des Erzbischöflichen Generalvikariats unter der Orgelempore eingebaut worden und trennt den Besucher vom restlichen Kirchraum. Zum Schutz vor Vandalismus. Vor acht Jahren noch ein wenig belächelt, scheint es heute die einzige Möglichkeit, den Besuchern zumindest Eintritt in die Kirche zu gewähren, auch wenn keine Aufsicht vor Ort sein kann. "Natürlich wäre es schön, zu jeder Zeit die Kirche uneingeschränkt offen zu halten, aber das ist uns zurzeit jedenfalls nicht möglich", bedauert auch Rudolf Ryll vom Pfarrgemeinderat der Neustadtgemeinde St. Johannes Baptist. Zu vieles sei vorgefallen.
Ein magischer Anziehungsort, auch für Städtetouristen
Dabei ist besonders die Neustadtkirche aufgrund ihrer zentralen Lage geradezu ein magischer Anziehungspunkt, auch für Städtereisende, die regelmäßig enttäuscht werden, wenn sie lediglich durch das Gitter einen Blick in das Kircheninnere werfen dürfen.
Altstadt: Die teure Orgel leidet
Eine besondere Situation herrscht in der Altstadtkirche. Dort habe jüngst das Holz der hochwertigen Orgel mit Schimmelbefall auf die feucht-warmen Witterungsverhältnisse reagiert. Auch deshalb sei die Küsterin der Altstadtgemeinde mittlerweile dazu angehalten, die Türen bei entsprechendem Wetter geschlossen zu halten, um die kühle, trockene Luft drinnen zu behalten.Dessen sei man sich schmerzhaft bewusst, so Rudolf Ryll. "Deshalb bemühen wir uns, die Kirche so oft geöffnet zu lassen, wie es nur geht." Werktags, wenn der Küster in der Nähe ist, und freitags zur "Offenen Kirche". Dann auch ohne Paderborner Gitter, wenn von 15 bis 19 Uhr mehrere Mitglieder des Pfarrgemeinderates vor Ort sind.
Einige Anzeigen in Sachen Vandalismus hat auch Werner Reineke vom Kirchenvorstand der St. Marien-Altstadt-Gemeinde bereits bei der Polizei erstatten müssen. Zuletzt war es der Opferstock, der geplündert wurde. "Das haben wir leider zu spät entdeckt, sonst hätten wir auch das ganz sicher zur Anzeige gebracht", so Reineke.
Außerdem kämpft die Gemeinde immer noch mit den Schäden, die unbekannte Täter im Winter an zwei Stationswegen hinterlassen hatten: Eisengitter waren aufgebrochen, Reliefs beschädigt und eine Figur sogar gestohlen worden. Bis heute konnten die Gitter noch nicht ersetzt werden.
Finanziell gesehen versetzen die Täter die Gemeinden häufig in eine prekäre Lage. Zwar sind die katholischen Gemeinden über das Erzbistum Paderborn gegen Vandalismusschäden versichert. Diese Versicherung trete in den meisten Fällen auch ein, so eine Sprecherin des Bistums. Lehne die Versicherung die Regulation in Einzelfällen ab, ist es vorgesehen, dass Erzbistum und Gemeinde gemeinsam für den Schaden einspringen. Generell ist die Police aber für größere Schäden gedacht, die in den dreistelligen Bereich und darüber hinaus gehen. Das bedeutet, dass alles was darunter liegt, die Gemeinde aus dem eigenen Säckel ausgleichen muss. Kerzen, Schriftstücke - auch das kostet Geld, wenn es immer wieder ersetzt werden muss. Dabei geht es den betroffenen Gemeinden nicht nur um den finanziellen Schaden.
Wenn jemand da ist, ist offen. Wenn nicht, bleibt die Kirche zu
"In der Kirche befindet sich ja auch Inventar mit einem sehr hohen ideellen Wert", sagt Werner Reineke. Ohne Aufsicht, so streng es auch klingen mag, geht es nach Ansicht aller angesprochenen Gemeinden scheinbar nicht mehr.
Heißt aber auch: Wenn die Ehrenamtlichen fehlen, um das Gotteshaus aufzuschließen und die Kirche für mehrere Stunden zu beaufsichtigen, bleiben die Türen zu.
Auch kann es nicht allein Sache der Kirchenvorstände sein, die Betreuung zu gewährleisten. Zwar sind in beiden katholischen und der evangelischen Gemeinde immer noch Küster und Hausmeister angestellt. "Aber die können angesichts der vielfältigen Aufgaben nicht täglich mehrere Stunden ausschließlich in der Kirche gebunden sein", so Reineke.
Trotzdem bemühen sich die Gemeinden, ihre Gotteshäuser im Rahmen ihrer Möglichkeiten offen zu halten. Auch wenn es für die Ehrenamtlichen eine enorme Zusatzbelastung bedeutet. "Wenn jemand da ist, ist die Kirche auf. Wenn nicht, dann nicht", bringt Pfarrer Kai-Uwe Schröter von der evangelischen Gemeinde die Sache auf den Punkt. Wer beten möchte und die Gotteshäuser verschlossen vorfindet, dem sei übrigens die Petrikapelle am Helios-Krankenhaus ans Herz gelegt. An der Klinikumspforte kann zu jeder Zeit der Schlüssel abgeholt werden.