Tierärzte im Kreis Höxter haben Probleme bei der Nachfolger-Suche

Steinheim. Mehr als 36 Jahre keinen Feierabend, kein Wochenende und keinen Feiertag: Als Tierarzt war Uwe Kuntze mehr als sein halbes Leben lang immer in Bereitschaft um kranken Tieren zu helfen oder sie, wenn notwendig, zu erlösen. Deshalb verpasste er sogar das Taufessen seines jüngsten Sohnes. Mit 70 Jahren ist jetzt endgültig Schluss. Zum 1. Juni übergibt der Steinheimer seine Praxis in junge, weibliche Hände. Doch die Malessen, wie Kuntze sie nennt, fordern ihren Tribut. Die Knie machen auch nicht mehr mit. Eins ist schon operiert, das zweite soll folgen. Ganz leicht fällt ihm der Abschied nicht, gibt Kuntze unumwunden zu. Denn er hat seinen Beruf gern ausgeübt, war immer mit vollem Einsatz dabei. Und wenn das Leben einer Kuh auf dem Spiel stand – dann drückte die Polizei bei einer Geschwindigkeitskontrolle schon mal ein Auge zu. &bdquo;Ich könnte ein ganzes Buch über diese Jahre schreiben", sagt der 70-Jährige. Darin würde dann unter anderem zu lesen sein, dass sich der Beruf sehr gewandelt hat. Anfangs hat er vor allem Großtiere wie Kühe und Pferde betreut. Es gab 1984 noch dutzende Kuhbauern in Steinheim und Umgebung, teilweise mit kleinen Herden die nicht mal zehn Tiere umfasste. Wenn eine davon krank wurde, brauchten die Landwirte schnell Hilfe. 30 bis 40 Einsätze hatte er täglich. Pieper statt Handy &bdquo;Um sofort alarmiert zu werden, hatte ich einen Pieper. Handys gab es ja noch nicht", erinnert sich Kuntze. Dass heißt, zuhause hatte immer einer Telefondienst, der ihn dann anpiepste. Meist seine Frau Margret. Eine große Erleichterung war dann schon das riesige, tragbare Autotelefon, vor allem aber später die Weiterleitung der Anrufe aufs Handy. &bdquo;Als wir diese das erste Mal eingerichtet hatten und mit allen drei Söhnen das Haus verließen, drehte sich einer und fragte: Und wer macht heute Telefondienst?", berichtet Margret Kuntze. Sie freut sich mit ihrem Mann auf die neuen Freiheiten im Ruhestand. &bdquo;Einfach mal abends in Kino oder ins Theater gehen – überhaupt etwas planen können", das werde er genießen, sagt Uwe Kuntze. Der hat abends, wenn er aus den Ställen kam, dann die Hunde, Katzen, Hamster, Meerschweinchen und Ratten der Steinheimer behandelt – in seiner Praxis im Keller des Privathauses. Das Verhältnis der Menschen zu ihren Tieren habe sich stark gewandelt. Große Tierliebe habe es schon immer gegeben, doch die Bereitschaft, teilweise enorm viel Geld auszugeben, sei in den vergangenen Jahren stark gestiegen. &bdquo;Die Besitzer erwarten teilweise Standards wie in der Humanmedizin", erzählt der Veterinär. Mit seiner Skepsis über diese Entwicklung hält er nicht hinter dem Berg und nennt ein Beispiel: Einige Tierärzte bieten vor der Narkose einer Katze eine Blutuntersuchung an, die die aktuelle Narkosefähigkeit prüfen soll. Kostet knapp 150 Euro. Er habe tausende Katzen narkotisiert aber dabei niemals eine solche Blutuntersuchung vorgenommen – keine einzige sei ihm deshalb auf dem OP-Tisch gestorben. Der Tod spielte in seiner Praxis dennoch eine Rolle – denn viele Tiere, die er lange als Arzt begleitete, musste er am Ende von ihrem Leid erlösen und einschläfern. Das war nie ein leichter Schritt, zumal die trauernden Besitzer ja immer in der Nähe waren. Trost spenden gehört auch zum Beruf eines Tierarztes. Trauer um einen Hamster Allerdings hatte auch das Grenzen. Kuntze erzählt die Geschichte einer Frau, die Samstagabend, 23 Uhr, mit ihrem sterbenskranken Hamster vor der Tür stand. Als er ihr eröffnete, dass es für das kleine Fellknäul keine Hoffnung gebe, bracht die Besitzerin sehr laut weinend über ihrem Tier zusammen. Es dauerte, bis Kuntze sie überzeugt hatte, dass Tier endlich zu erlösen. Sie verließ dafür kurz die Praxisräume und als sie wieder hereinkam, brach sei erneut in lautes Wehklagen aus – so sehr, dass am er am nächsten Tag von den Nachbarn auf das Gejammer angesprochen wurde. Mit den Jahren veränderte sich Kuntzes Arbeitsschwerpunkt. Großtiere wurden deutlich weniger, Kleintiere nahmen deutlich zu. Was bleibt, ist, dass sie alle einen Tierarzt brauchen. Dabei kennt Kuntze viele Kollegen in der Umgebung, die ebenfalls wie er im Rentenalter sind. Nachfolger für die Praxis zu finden, wird immer schwieriger. Vor allem solche, die bereit sind, ständig und immer auf Abruf Verfügbar zu sein. &bdquo;Vor allem die Landwirte werden in Zukunft große Probleme bekommen", prognostiziert Kuntze, der bereit vor fünf Jahren aus gesundheitlichen Gründen die Behandlung von Großtieren aufgegeben hat. Dass er eine &bdquo;wirklich gute" Nachfolgerin gefunden hat, die zunächst sogar noch in seiner Praxis im Haus praktizieren wird, lässt ihn etwas beruhigter in den Ruhestand treten. &bdquo;Für die Tiere ist gesorgt. Und die Besitzer auch", sagt Kuntze.

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