Vom Zufallsprodukt zur Szenekneipe: Die bewegte Geschichte der "Galerie"

Steinheim. Sie war die Szenekneipe in Steinheim und vor allem der Treffpunkt für die Jugend und Junggebliebene. Besonders in den 1980er und 1990er Jahren boomte die Galerie an der Rochusstraße. Aber mittlerweile ist auch diese besondere Gaststätte Geschichte – am 27. Februar vor zehn Jahren wurde sie geschlossen. &bdquo;Ich war einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort", fasst Manfred Berens, der von 1982 bis 2006 Inhaber der Kneipe war, sein Erfolgsrezept kurz und knackig zusammen. &bdquo;Eigentlich ein Zufallsprodukt" Doch ganz so einfach war es nicht und eigentlich sollte die Kneipe, die schnell Kultcharakter bekam, gar nicht in Steinheim eröffnet werden. Zusammen mit seinem damaligen Kompagnon Kurt Meuffels träumte Manfred Berens vor fast 40 Jahren vor einer Jugendkneipe mit guter Musik, Essen und großer Getränkekarte. Schließlich war der gebürtige Verler zu dem Zeitpunkt auch erst 22 Jahre alt und wusste, was bei jungen Leuten ankommt. Zudem jobbten er und ein Kumpel auch schon länger in Kneipen und kannten sich mit der Gastronomie etwas aus. &bdquo;Eigentlich war es ein Zufallsprodukt, denn wir wollten in Paderborn eine Musikkneipe aufmachen, fanden dort aber nichts. Dann wurde uns in Steinheim ein ehemaliger Supermarkt angeboten", erinnert sich Berens. Von den Räumlichkeiten an der Rochusstraße waren die Jungunternehmer angetan, aber weniger vom vorgegebenen Konzept des Bierverlegers und der Brauerei. Altbacken sollte dort auch eine Kegelbahn mit rein. Doch Berens und Meuffels stellten ihr Konzept vor und kamen damit durch – die Geburtsstunde der Galerie schlug am 11. Januar 1982. Bierangebot der Galerie war in Steinheim exotisch Zu der Zeit war in der Emmerstadt in der Gastronomieszene noch schwer was los. Und doch hatte die Galerie schnell ihr Publikum gefunden. Ein Grund war das Neue, das Andere und das etwas Verruchte. Es gab damals acht Sorten Bier vom Fass – darunter Budweiser, Altbier, Kölsch, Einbecker, Maisels Dampfbier und zwei Sorten Weizenbier. Anfang der 80er war dieses Angebot für Steinheim noch exotisch. So entstand auch der Name. &bdquo;Erst sollte die Kneipe Flicflac heißen, aber da wir eine Biergalerie hatten, haben wir uns umentschieden", so Berens, der sein Chemie-Studium mit 24 Jahren abschloss, aber auch als Diplom-Ingenieur weiter Wirt sein wollte. Zudem gab es eine kleine, aber feine Speisekarte. Wenn das Kondenswasser von der Decke tropfte Das alles konnte man bei guter Musik, die nicht nur im Hintergrund dudelte, genießen. &bdquo;Wir haben schon mehr alternative Musik gespielt. Die Gäste waren unglaublich begeisterungsfähig. Mit einer neuen Schallplatte konnte man die Galerie zum Kochen bringen", so Berens, &bdquo;und wenn das Kondenswasser von der Decke tropfte oder der Fußboden wieder mal hoch kam, hat man noch eine Schüppe draufgelegt", erinnert sich der heute 60-Jährige, wie es manchmal abging. Aber es sei auch damals eine andere Generation gewesen. &bdquo;Es herrschte ein großer Zusammenhalt. Und bei uns vor der Theke war jeder gleich, egal was er an hatte." Mittendrin im Trubel waren die Bedienungen, die nicht nur die Gäste an den 140 Sitzplätzen, sondern auch alle an den Stehtischen und der langen Theke zu versorgen hatten – nicht zu schweigen von denen, die einfach im Raum standen. &bdquo;Ich hatte schon immer Glück, dass ich sehr gutes Personal hatte. Man hat nicht in der Galerie gearbeitet, man hat sich mit dem Laden 100-prozentig identifiziert. Es wollten viele in der Galerie arbeiten, ich hatte immer eine Warteliste", so Berens, der immer etwa 25 Mitarbeitende hatte. Renate Meuffels, Kerstin Strato, Doris Wirwich, Rüdiger &bdquo;Kargus" Szeliga, Volker Rehrmann, Sabine Hannibal, Bernd Bilstein und Florian Selle zählt er als die treuesten auf. Viele von ihnen waren jahrelang dabei und gehörten wie auch der Wirt zum Inventar. Für die Mitarbeitenden wurde auch viel getan: Es gab schon von Beginn an Schulungen für das Personal und ab 1987 wurden regelmäßig Betriebsfahrten unter anderem nach Rom und Weimar gemacht. &bdquo;Ein paar Ehen wurden zwischen den Mitarbeitern schon geschlossen", muss Manfred Berens schmunzeln. Fluchtweg durch die Küche Auch mit dem Umfeld der Galerie, die ja mitten in der Stadt lag, hatte der Gastronom Glück. &bdquo;Unsere Nachbarn oder der Verpächter haben sich in all den Jahren nie beschwert, wenn wir mal wieder die Nacht zum Tage gemacht haben. Und auch mit der Stadt Steinheim konnte man früher immer gut reden", denkt er zurück. Auch dass der Fluchtweg, der zwingend vorhanden sein musste, durch die Küche und über eine Bank verlief, war damals kein Problem. Nach und nach wurde das Einzugsgebiet der Galerie immer größer. Selbst aus Paderborn kamen Gäste. Das hatte in Zeiten als es noch kein Internet gab, vor allem etwas mit Mundpropaganda zu tun und einfallsreicher Werbung – handgemalt von Marion Kremeier. An einem normalen Freitag waren laut Berens gut 800 Gäste da, es war ein Kommen und Gehen. An Karneval oder zum Kneipengeburtstag platzte die Galerie aus allen Nähten. &bdquo;Für Rosenmontag hatte ich 1.500 Freikarten an Stammgäste verteilt, rechnet man noch die anderen dazu, waren bis zu 2.500 Leute da", beschreibt Berens heute fast schon undenkbare Dimensionen. Aber es war nicht immer voll in der Galerie, in der es nie einen Ruhetag gab. &bdquo;Für mich waren aber auch diese Tage besonders schön. Da hatte man mal Zeit für sein Personal und seine Gäste, an solchen Abenden haben wir viel gelacht", erinnert sich der heute in Paderborn lebende Berens gerne. Unzählige haben in der Galerie ihre Jugend verbracht 2006, nach fast 25 Jahren als Galerie-Chef, gab Manfred Berens die Kneipe aber ab. &bdquo;Auch wenn es immer sehr viel Spaß gemacht hat, Gastronomie ist eine knüppelharte Arbeit", wollte er mit 47 Jahren weniger Stress. Sein Nachfolger Thomas Liebold schloss am 27. Februar 2011 aber die Galerie für immer – es lief nicht mehr gut. Was bleibt, sind viele Anekdoten und Erinnerungen. Nicht nur vom langjährigen Wirt, sondern auch von unzähligen Steinheimern, die dort ihre Jugend verbracht haben.

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