„Selection“-Band

Schützenfest bis Wacken-Open-Air: Gründer und Schlagzeuger von „Selection“ aus Nieheim gestorben

Begonnen hatte alles mit umgedrehten Kochtöpfen: Später war Josef Thiemann mit der Band zu Auftritten mit Mike Krüger, Lena Valaitis oder auf Touren in den USA.

Die Selection-Band Ende der 1970er-Jahre: Josef Thiemann (3. v. r.) war ihr Gründer und Schlagzeuger. | © Privat/Hans Saake

30.12.2024 | 30.12.2024, 11:35

Nieheim-Holzhausen. Josef Thiemann aus Holzhausen ist im Alter von 74 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit im Krankenhaus in Höxter gestorben. Der ehemalige Schlagzeuger der weit über die Region hinaus bekannten Selection-Band hatte über Jahrzehnte aktiv am Dorfleben mitgewirkt. So war er unter anderem über 55 Jahre Mitglied der St.-Johannes-Schützenbruderschaft, die die Selection-Band schon zu Mitte der 1970er-Jahre für die Schützenfeste in Holzhausen engagiert und damit für Furore und tolle Feste in Holzhausen gesorgt hatte.

„Der Ehrgeiz und die Genialität des Schlagzeugers verschafften der Band enorm erfolgreiche Auftritte“, heißt es im Nachruf. So seien die beiden Selection-Feten Mitte der 1980er-Jahre in der Schützenhalle zu Holzhausen nicht nur den Einheimischen bis heute unvergessen geblieben. Das Gleiche gelte für die ehemaligen Tip-Twenty-Partys am Vatertag in Himmighausen, wo Selection gemeinsam mit der seinerzeit ebenfalls mega-angesagten Modern-Five-Band die Stimmung in der alten Festscheune zum Kochen brachte.

Der enorme Erfolg der Selection-Band führte sie nicht nur an ungewöhnliche Spielorte wie die Reeperbahn, das Wacken-Open-Air oder sogar die Vereinigten Staaten, wo die Band zwei große Touren absolvierte, sondern auch zu gemeinsamen Auftritten mit damaligen Musikgrößen wie Graham Bonney, den Geschwister Leismann, dem Duo Adam & Eve, Fred Bertelmann oder Lena Valaitis.

Newsletter
Update zum Abend
Informiert bleiben mit täglichen News aus dem Kreis Höxter, OWL und der Welt.

Selection spielte Konzerttouren quer durch die USA

In den USA umfasste die erste Tour Spielorte von Cleveland bis nach Los Angeles, also einmal von Ost nach West quer über den nordamerikanischen Kontinent. Bei der zweiten Tour ging es für die Selection-Band in den Westen der USA rund um Los Angeles, wobei der Schwerpunkt der Auftritte im Phoenix Club in Anaheim lag.

Josef Thiemann im restaurierten Übungsraum auf dem Gutshof. - © Privat
Josef Thiemann im restaurierten Übungsraum auf dem Gutshof. | © Privat

„Thiemanns Jupp“, wie Josef Thiemann liebevoll nicht nur in seinem Heimatdorf genannt wurde, war 2003 zusammen mit seiner Frau Elisabeth im Hofstaat unter König Elmar Mues. Über die jahrzehntelange starke Mitarbeit in der St.-Johannes-Schützenbruderschaft sagt Oberst Johannes Ulrich: „Wir waren Jahr für Jahr auf Josefs technische Unterstützung angewiesen, insbesondere bei unseren Schützenfesten und auch den Karnevalsfeiern in den 1980er- und 1990er-Jahren. Von ihm konnte man einfach alles bekommen, was man für eine gute Feier an technischem Equipment brauchte. Gab es Probleme mit der Technik, so arbeitete Josef notfalls geduldig über Stunden, um die Probleme zu beseitigen und das Fest für unseren Verein und seine Gäste über die Bühne zu bringen.“

Die Dorfbäckerei in Holzhausen bis Ende der 1970er-Jahre geführt

Bis zum Ende der 1970er-Jahre hatte Josef Thiemann den elterlichen Betrieb, die „untere“ Dorfbäckerei, im Wohnhaus in der heutigen Ringstraße geführt. Von dort lieferte er unter anderem Backwaren an das britische Militär in Nieheim. Die Bäckerei wurde schließlich an Backstube Siebrecht aus Brakel übergeben, von Firma Siebrecht zunächst als Holzhauser Filiale betrieben und dann Anfang der 1980er-Jahre aufgrund des einsetzenden Strukturwandels für immer geschlossen.

Nach der Übergabe der Bäckerei machte Josef Thiemann sein Hobby zum Beruf, arbeitete als Musiklehrer unter anderem an den Musikschulen in Detmold, Höxter und Steinheim und tourte über Jahre mit der Selection-Band durch Mittel- und Norddeutschland, Dänemark und die Niederlande. Eine spätere Ausgründung der Selection-Band war das Musik-Ensemble „Salz der Helden“, das mit Josef Thiemann als tonangebendem Musiker in den 2000er-Jahren starke Auftritte hinlegte, unter anderem beim Deutschen Käsemarkt in Nieheim, und die Zuhörer mit ganz besonderen Songs und einer ganz besonderen Interpretation dieser Lieder begeisterte.

Josef Thiemann im Jahr 2024. - © Privat
Josef Thiemann im Jahr 2024. | © Privat

Seine Liebe zur Musik hatte ursprünglich Dorflehrer Josef Breker erweckt, als er Josef in der fünften Klasse bat, das Akkordeon seines Vaters mit in die Schule zu bringen, um von da an regelmäßig gemeinsam darauf zu üben. Josef begann mit Hingabe, die Noten und Griffe zu erlernen. Zuhause startete er parallel damit, umgedrehte Kochtöpfe als Schlagzeug zu benutzen, um auch darauf Noten und Takte zu üben.

Der erste Probenraum war die heimische Backstube

Der Holzhauser Adrian Freiherr von der Borch förderte das Talent, indem er ihn schließlich mit zur Musikschule nach Detmold nahm, um Josef dort professionell am Schlagzeug unterrichten zu lassen. Zur Gründung seiner ersten Band kam es dann zu Anfang der 1970er-Jahre. Der Proberaum war am Wochenende zunächst die heimische Backstube, dann der Dachboden des elterlichen Wohnhauses – und als das alles wegen der enormen Lautstärke nicht wirklich funktionierte, zog man in den Übungsraum des Holzhauser Gesangvereins über dem alten Schafstall des Gutshofes.

In den zurückliegenden Jahren befasste sich Josef Thiemann damit, ein altes Bruchsteingebäude, das sich in unmittelbarer Nähe zum alten Übungsraum auf dem Holzhauser Gutshof befand, liebevoll zu restaurieren. Nachdem er dazu alte Baupläne der französischen Armee aus dem frühen 19. Jahrhundert (napoleonische Besatzungszeit) in der Schloss-Bibliothek gefunden hatte, war er so fasziniert von dem Gebäude, dass er einen großen Teil seiner verfügbaren Zeit in die Restaurierung steckte und in den letzten Jahren entsprechend sehr häufig dort anzutreffen war. Das große Gartengelände wurde unter anderem für sommerliche Familienfeiern genutzt, das Gebäude selbst als Proberaum für ihn und zahlreiche Musiker aus seinem Bekanntenkreis.

Erinnerungen eines ehemaligen Bandkollegen

Josef Thiemann hinterlässt seine Ehefrau, drei gemeinsame Söhne und zwei Enkelkinder. „Josefs Tod reißt ein großes Loch in unser Dorf. Besondere Menschen wie er sind tatsächlich einmalig und für die Gemeinschaft unseres Dorfes nicht zu ersetzen“, so Oberst Johannes Ulrich.

Mit Johannes Kayser, dem ehemaligen Keyboarder der Selection-Band, richtet einer der früheren Weggefährten ein besonderes Dankeschön an den Verstorbenen: „Josef hat mich zur Selection-Band geholt, als ich gerade 19 Jahre alt war. Die Auftritte mit der Band, die Touren durch die USA oder die gemeinsamen Shows mit berühmten Leuten wie Mike Krüger haben mich unwahrscheinlich beeindruckt und mein gesamtes Leben geprägt – ich produziere noch heute Musik und habe nach wie vor großen Spaß daran. Dafür bin ich Josef unendlich dankbar.“