Holzhausen

Festival "Voices" in Holzhausen eröffnet

Das Publikum im alten Schafstall von Gut Holzhausen feiert Orchester und Solistin mit Bravorufen

Triumphaler Erfolg: Auch der Dirigent spendete Leonore von Falkenhausen Beifall. | © Christine Longère

11.07.2017 | 11.07.2017, 10:10
Mit Bravorufen gefeiert: Die Nordwestdeutsche Philharmonie mit Konzertmeisterin Felicia Terpitz und Dirigent Vincent de Kort sorgte für einen furiosen Auftakt des Stimmenfestivals „voices“. - © Christine Longère
Mit Bravorufen gefeiert: Die Nordwestdeutsche Philharmonie mit Konzertmeisterin Felicia Terpitz und Dirigent Vincent de Kort sorgte für einen furiosen Auftakt des Stimmenfestivals „voices“. | © Christine Longère

Holzhausen. Mit einem furiosen Auftakt bewies das Stimmenfestival „Voices" auf Gut Holzhausen erneut seinen Rang als kulturelles Ereignis mit einer weit über die Region hinausreichenden Ausstrahlungskraft. Der alte Schafstall des Kulturgutes war fast voll besetzt, als Festivalleiterin und Sopranistin Leonore von Falkenhausen im Verein mit der Nordwestdeutschen Philharmonie unter Leitung des niederländischen Dirigenten Vincent de Kort die zahlreichen Besucher aus dem ländlichen Ostwestfalen in die Metropole Wien an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entführte. Franz Schuberts späte Sinfonien und Alban Bergs frühe Lieder gewährten tiefe Einblicke in die menschliche Seele.

Von Sinnlichkeit und Expressivität geprägt sind die Lieder, die Alban Berg in den Jahren 1903 bis 1908 nach Gedichten unter anderem von Theodor Storm, Rainer Maria Rilke, Nikolaus Lenau komponierte und „meiner Helene" widmete. Als er sie 20 Jahre später überarbeitete und instrumentierte, war seine Leidenschaft längst für eine andere Frau entflammt. Bei aller Rauschhaftigkeit schwingt auch das Morbide, das Wissen um die Vergänglichkeit in den Vertonungen mit.

Die Aufführung dieser selten zu hörenden Kostbarkeiten, mit denen sich der Kompositionsschüler Berg unter dem Einfluss seines Lehrers Arnold Schönberg mit der Liedtradition des 19. Jahrhunderts auseinandersetzt, war sowohl für das Orchester wie auch für die Sängerin eine Premiere, die zu einem triumphalen Erfolg geriet.

Die Verbindung von hoch romantischer, schillernder Farbigkeit und pointierter Deklamation entfaltete betörende Wirkung. Mit Behutsamkeit und Innigkeit formte Leonore von Falkenhausen melodische Bögen von leuchtender Schönheit und Ausdruckskraft, verlieh sie den Schattierungen zwischen Forte und Pianissimo Intensität. Etwas mehr Zurückhaltung des Orchesters wäre dem Textverständnis zugute gekommen. In den ekstatischen Aufschwüngen der Instrumente gingen zarte stimmliche Nuancen zuweilen unter.

Mit der „Unvollendeten" und der sechs Jahre später, im Todesjahr 1828, entstandenen „Großen C-Dur" krönte Franz Schubert sein sinfonisches Lebenswerk. Sie bildeten einen prächtigen, überwältigend klangvollen Rahmen für die Lieder Bergs, der sich als „natürlicher Fortsetzer" einer „richtig verstandenen Tradition" verstand. Der NWD boten sie Gelegenheit, beeindruckende und mit viel Beifall bedachte Fähigkeiten, insbesondere auch ihrer Bläsergruppe, vorzuführen. Aus geheimnisvollen Tiefen erhob sich im ersten Satz der h-Moll-Symphonie die wehmütige Melodie, die Oboe und Klarinette über bebenden Streicherfiguren ertönen lassen. Die lyrisch getönte Weise, mit der die Violoncelli den Bläsern antworten, wurde zu einer der berühmtesten der gesamten sinfonischen Literatur.

Erst mehr als zehn Jahre nach dem Tod des Komponisten wurde die C-Dur-Sinfonie unter Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig uraufgeführt. Auch danach weigerten sich immer wieder Orchester, ein „so langes und schwieriges" Stück zu spielen. Die Hürden des Werkes meisterte die NWD unter de Kort mit Bravour. Sie verstand es, den Zauber des Augenblicks fern der Diktatur des Uhrzeigers spürbar werden zu lassen und die „Längen" der vier Sätze auf himmlische Weise mit nie erlahmender Inspiration zu erfüllen.

Der Anekdote nach soll Franz Schubert einmal gefragt worden sein, warum er nur traurige Musik schreibe. Darauf habe der Tondichter erwidert: „Gibt es denn eine andere?" In Holzhausen zeigte sich, dass seine Musik bei allem Wissen um Leid, aller Melancholie über eine Vitalität verfügt, der sich auch heutige Hörer nicht entziehen können. Das bestätigten die enthusiastischen Bravorufe.