Von Nazis enteignet: Löwenherz-Nachfahren besuchen frühere Villa nahe dem Kreis Höxter

Lauenförde. Als sie sich einander freundschaftlich umarmten, hatten sie beide Tränen in den Augen. Lauenfördes Bürgermeister Werner Tyrasa angesichts des außergewöhnlichen Gastgeschenks und David Löwenherz ist einfach nur überwältigt von dem, was er in Lauenförde vorgefunden hat. &bdquo;Ich bin vor 60 Jahren als 14-jähriger Knabe mit meinem Vater Max zusammen hier in Lauenförde gewesen. Da schien das Haus mehr oder weniger dem Verfall preisgegeben zu sein. Und ich bin tief bewegt und glücklich zu sehen, was für ein lebendiger Ort es heute ist und auch den Namen Villa Löwenherz erhalten zu wissen“, sagt David Löwenherz (74), Großneffe des Herlag-Gründers und Villa-Löwenherz-Erbauers Hermann Löwenherz (1854 bis 1918). David Löwenherz hat mit seiner Ehefrau Nancy (71) und Sohn Jacob (28) die Wirkungsstätte ihres Dynastiegründers besucht. &bdquo;Wir gehören ja streng genommen der Coburger Löwenherz-Linie an, aber mein Ururgroßvater David Löwenherz hat in Lauenförde gelebt und ist auch hier auf dem jüdischen Friedhof begraben“, sagt der heute in New York beheimatete David Löwenherz. Vorfahre Löwenherz gründete 1883 in Lauenförde eine Holzwarenfabrik mit Dampfsägewerk. Sein Sohn Hermann übernahm die Firma und baute sie zur Herlag-Gartenmöbelfabrik aus, die Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu 800 Mitarbeiter hatte. Vor allem auch als Spielzeugfabrik und Kinderwagenhersteller hat sich Herlag bis in die neuere Zeit einen Namen gemacht. &bdquo;Hermann Löwenherz hat Lauenförde industrialisiert und Wohlstand in den Ort gebracht“, betont Bürgermeister Werner Tyrasa. Lesen Sie auch: Die bewegende Geschichte einer jüdischen Familie aus Lauenförde So entstand in Lauenförde ein Firmenimperium Auch sozialpolitisch habe sich Hermann Löwenherz sehr engagiert. &bdquo;Es gab zinsfreie Kredite für die Arbeitnehmerschaft, dass sie eigene Existenzen gründen konnten. Er hat die Volksschule gebaut und das Gemeindehaus errichtet, das wir heute als Bürger- und Kulturzentrum nutzen“, sagt Peter Siebert, Vorsitzender des Lauenförder Heimat- und Geschichtsvereins. &bdquo;Die Familie Löwenherz hat Lauenförde geprägt. Dank des Vereins und der heutigen Betreiberfamilien der Villa Löwenherz wird die Geschichte auf vorbildliche Weise lebendig gehalten“, lobt Samtgemeindebürgermeister Tino Wenkel. Der ursprüngliche Firmengründer Herz Löwenherz ist eines von fünf Kindern des Lauenförder Juden David Löwenherz (1790 bis 1873). Herz Löwenherz und vor allem dessen Sohn Hermann mit Ehefrau Toni haben in Lauenförde das Firmenimperium errichtet. Sohn Heinemann Löwenherz (1873 bis 1918) hat in Coburg eine bedeutende Möbelfabrik aufgebaut, die dann dessen Sohn David Löwenherz übernahm und sie dann an seinen Sohn Max Löwenherz (1909 bis 2002) übergab, dem Vater des heutigen David Löwenherz aus New York. Nach der Machtergreifung der Nazis wanderte die Familie aus Mit der Machtübernahme der Nazis sind die Coburger wie auch die Lauenförder Löwenherz-Familien in die USA emigriert. Nicht allen gelang die Flucht. Heinz Löwenherz, der in Amsterdam lebende Bruder von Max Löwenherz, wurde von Nazis festgenommen, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.&bdquo;Verbunden sind wir durch meinen Ururgroßvater David Löwenherz. Hier in Lauenförde beginnen die Wurzeln unserer Familien“, sagt David Löwenherz. Anlass des Deutschlandbesuches ist die Eröffnung eines &bdquo;Erinnerungsweges jüdischen Lebens“ in Coburg am Dienstag, 29. Juli. Heute ist die Villa Löwenherz in Lauenförde international als Bikerhotel bekannt. 1978 von Norbert und Paula Pirone gegründet, ist der Betrieb mit 22 Zimmern und 60 Betten seit 1998 in zweiter Generation in der Hand der Kinder Stephan Pirone sowie Martha mit Reiner Kuckuck. &bdquo;Wir sind uns der außerordentlichen Ehre sehr bewusst, seit 90 Jahren erstmals wieder Angehörige der Familie Löwenherz in diesem Haus beherbergen zu dürfen, und haben uns auch wunderbar über die Geschichte ausgetauscht“, erzählt Betreiberin Martha Kuckuck. Passend zum Thema: Dank an die Familie Löwenherz Präsent als Zeichen der besonderen Wertschätzung Als Zeichen der besonderen Wertschätzung hatte David Löwenherz den Betreiberfamilien und der Gemeinde die Original-Kommerzienrats-Urkunde mitgebracht. Für seine besonderen Verdienste war Hermann Löwenherz 1908 von Kaiser Wilhelm I. als Kommerzienrat ausgezeichnet worden. Werner Tyrasa: &bdquo;Diese Urkunde werden wir im Bürger- und Kulturzentrum an prominenter Stelle platzieren.“ Im Frühstückszimmer der Villa Löwenherz gibt es bereits seit vielen Jahren eine Kopie. David Löwenherz handelt beruflich mit Autographien und hatte die Urkunde bislang in seinem Privatarchiv. Während des Aufenthalts in Lauenförde besuchte die Familie Löwenherz auch das Jacob-Pins-Forum in Höxter sowie den dortigen jüdischen Friedhof, wo mit Heinemann Löwenherz ein Onkel von Hermann Löwenherz begraben ist.

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