Abgeräumte Unfallkreuze im Kreis Höxter: Behörde lenkt ein

Kreis Höxter. Bei Peckelsheim raste ein 58-jähriger Warburger gegen einen Baum, in Beverungen wurde ein Senior überfahren, bei Rheder wurde ein 43-jähriger Familienvater aus Brakel zwischen Leitplanke und Lkw eingeklemmt, zwischen Stahle und Holzminden überschlug sich das Fahrzeug eines 53-Jährigen. Im kürzlich zu Ende gegangenen Juni hat es im Kreis Höxter und an seinen Grenzen gleich mehrere schwere Unfälle mit tödlichem Ausgang geben. Früher erinnerten Angehörige oft mit kleinen Holzkreuzen an die schrecklichen Ereignisse. Auch als Mahnung für andere Autofahrer, vorsichtig zu sein und das Leben jeden Tag zu schätzen. Denn in Sekunden kann es vorbei sein. Doch die Kreuze wurden trotz massiven Protests von Hinterbliebenen an den Landes- und Bundesstraßen Ende 2023 abgeräumt. Die Neue Westfälische berichtete über mehrere leidvolle Geschichten. Auch die Erinnerung an Joscha verschwand. Freunde und Familie hatten unweit der Abtei Marienmünster an der B239 und weit weg von der Straße hinter einer Böschung ein Kreuz für den 17-Jährigen aufgestellt, dessen Leben an Ostern 2011 auf besonders tragische Weise endete. Ein 18-Jähriger hatte im Gegenverkehr verbotenerweise in der Kurve überholt. Joscha, der mit Freunden auf dem Weg nach Hause nach Blomberg war, hatte nicht den Hauch einer Chance. Er starb noch an der Unfallstelle. Passend zum Thema: Dürfen Kreuze an den Straßen im Hochstift nun doch stehen bleiben? Im Sommer entfernte Straßen NRW ein Kreuz bei Marienmünster Viele Jahre stand an dieser Stelle ein Kreuz. Immer wieder stellten Freunde auch Blumen und manchmal ein kleines Geschenk hin. Im vergangenen Sommer räumte der Landesbetrieb Straßen jedoch dieses und andere, teils seit Jahrzehnten an den Straßen stehende Holzkreuze rigoros ab. Kommentar zu dem Thema: Holzkreuze im Kreis Höxter: Eine sehr späte Einsicht Sie seien zu gefährlich für die Autofahrer, begründete der Landesbetrieb kühl und unemotional diesen Schritt. Ausgangspunkt für die Maßnahme von Straßen NRW war ein tragischer Unfall mit einem – allerdings tonnenschweren – Steinkreuz in Büren, das aufgrund mangelhafter Standfestigkeit einen siebenjährigen Jungen erschlug. Ehefrauen, Eltern und Freunde, die ihre liebsten teils vor Jahrzehnten verloren hatten, reagierten in Gesprächen mit der Neuen Westfälischen auf das Abräumen der Holzkreuze geschockt. Lesen Sie auch: Lösung in Sicht: Straßenkreuze können womöglich bleiben Alte Wunden wurden dadurch aufgerissen Alte Wunden wurden aufgerissen, Tränen flossen. Dort wo einst das Kreuz für Josha stand, haben Freunde jetzt – etwas rebellisch – ein Kreuz aus Ästen gebastelt. Eine Ehefrau hat die Erinnerung an ihren Mann bei Abbenburg um zwei Meter auf ein privates Grundstück versetzt. Sie wollen und können nicht vergessen. Doch was gilt jetzt eigentlich, wo es keine klare und einheitliche Regelung für solche kleinen Gedenkstätten gibt? Beim Kreis Höxter, in dessen Hoheit die Kreisstraßen liegen, versucht man alles, um den Angehörigen die Trauer und das Gedenken in der schwierigen Situation des Verlustes zu ermöglichen. Hier hatte man schon im vergangenen Jahr – freundlich ausgedrückt – irritiert auf das rigorose Vorgehen des Landesbetriebs reagiert. Ebenfalls lesenswert: Abgebaute Kreuze, fehlende Mitstreiter: Kein Bock auf Heimat im Kreis Höxter? Das sollten Kreuz-Aufsteller im Kreis Höxter vorher unternehmen Für Kreisstraßen gilt: &bdquo;Sofern von einer Gedenkstelle an einer Kreisstraße keine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ausgeht, wird sie geduldet“, erklärt Kreissprecher Thomas Fuest auf Anfrage der Neuen Westfälischen. Er rät, das Aufstellen grundsätzlich mit der Abteilung Straßen des Kreises Höxter abzustimmen. Sieht die Behörde doch eine Sicherheitsgefahr, werde deshalb im persönlichen Gespräch eine Lösung gesucht, um den Angehörigen einen würdevollen Ort für ihre Trauer zu ermöglichen. Es werde versucht, gemeinsam eine angemessene Lösung zu finden. Fuest weist darauf hin, dass auch Holzkreuze auf angrenzenden Privatgrundstücken mit dem Straßenbaulastträger abzustimmen seien, sobald hiervon eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ausgehen kann. Was aber ist mit Landes- und Bundesstraßen, auf denen im Kreis Höxter mit Abstand die meisten schweren und tödlichen Unfälle passieren, weil hier außerorts meist höhere Geschwindigkeiten gefahren werden? Lesen Sie auch: Wegekreuze im Kreis Höxter: Behörde rückt nach Kritik von ihren Forderungen ab So ist die Lage auf Landes- und Bundesstraßen Auch der Landesbetrieb Straßen klingt inzwischen deutlich versöhnlicher als vor anderthalb Jahren. Zwar seien die Holzkreuze eigentlich rechtlich als &bdquo;Sondernutzung“ und damit genehmigungspflichtig, aber: &bdquo;Da Gedenkkreuze aber für Angehörige und ihr Gedenken wichtig sind, werden sie geduldet, wenn sie den Verkehr nicht behindern und keine Verkehrszeichen oder Sichtfelder verdecken. Um das sicherzustellen, bitten wir die Bürgerinnen und Bürger vorab, sich mit uns abzustimmen, um so einen geeigneten Standort zu finden“, erklärt Christiane Knippschild, Sprecherin des Landesbetriebs Straßen NRW. Allerdings: Keines der im Kreis Höxter abgeräumten kleinen Holzkreuze hatte in irgendeiner Form den Autofahrern die Sicht versperrt – meist standen sie einige Meter hinter dem Straßengraben am Feldrand und waren deutlich kleiner als die Leitpfosten. Bei der letzten Nachfrage der Neuen Westfälischen bei der Behörde vor gut einem Jahr hieß es noch, Angehörige sollen einen Nutzungsvertrag für die Gedenkstätte unterschreiben, die eine Duldung von bis zu einem Jahr vorsieht. Kritik von Angehörigen aus dem Kreis Höxter Angehörige und Freunde kritisierten daraufhin, dass die Trauer oft nach einem Jahr nicht vorbei sei. Inzwischen ist von dem Nutzungsvertrag keine Rede mehr. Auch die Regionalniederlassung Sauerland-Hochstift räumt ein, dass der Unfall mit dem tonnenschweren Steinkreuz nicht mit kleinen Gedenkkreuzen vergleichbar ist. Der vom Landesbetrieb daraufhin erarbeitete Handlungsleitfaden gelte &bdquo;nicht für kleinere Kreuze aus Holz oder ähnlichem Material, die oft am Straßenrand zum Gedenken aufgestellt sind und die meist keine Verkehrsgefährdung darstellen“, räumt Christiane Knippschild ein. Und so heißt es inzwischen: &bdquo;Bereits aufgestellte kleine Gedenkkreuze aus Holz oder anderen nicht massiven Materialien lassen wir aus Respekt vor dem Andenken in der Regel unberührt.“ Solange keine Verkehrsgefährdung bestehe, würden also nun doch Kreuze, die ohne Genehmigung aufgestellt wurden &bdquo;aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen“ meist geduldet. Das sind die neuen Regeln für Kreuze im Kreis Höxter &bdquo;Besteht jedoch eine Gefahr, kann das Kreuz nach Absprache entfernt oder versetzt werden“, so Knippschild. Die Sprecherin des Landesbetriebs erklärt auch, was Angehörige beziehungsweise Freunde beachten sollten, wenn sie ein kleines Mahnmal aufstellen wollen: &bdquo;Das Kreuz darf den Straßenverkehr nicht gefährden, also keine Sicht versperren, keine Schilder verdecken und nicht zur Ablenkung führen. Es sollte möglichst hinter einer Schutzplanke oder in sicherer Entfernung zur Fahrbahn aufgestellt werden. Die Erlaubnis des Grundstückseigentümers ist einzuholen, wenn das Kreuz nicht im öffentlichen Straßenraum, sondern auf angrenzendem Privatgrundstück stehen soll. Die Anforderungen an die Verkehrssicherheit gelten auch hier. Auch in diesem Fall sollte Straßen NRW möglichst vorab angesprochen werden.“ Auch lesenswert: Nach tragischem Unfall: Wegekreuze sollen abgebaut werden Bleibt die Frage, warum aus Sicht des Landesbetriebs die Gefährdung durch ein Straßenkreuz größer als durch einen Leitpfosten am Straßenrand sein soll? &bdquo;Eine Gedenkeinrichtung gehört nicht zur Straßenausstattung. Straßenkreuze sind nicht genormt und können ungewohnte Aufmerksamkeit erregen, was zu Ablenkung führt. Leitpfosten sind hingegen standardisierte Verkehrseinrichtungen, die keine zusätzliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen und gezielt zur Orientierung dienen“, so Knippschild.

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