Ratgeber für Generation

Höxteraner Autorin schreibt über Sex im Alter, vier Probleme und wie Paare sie lösen

Wer mit seinem Sexleben unzufrieden ist, kann etwas ändern – auch mit 65 oder 75 Jahren. Wie langjährige Paare ihre Lust wieder wecken, das hat die Höxteraner Buchautorin Andrea Micus in ihrem Buch beschrieben.

Andrea Micus, Journalistin und Buchautorin aus Höxter. | © Privat

07.04.2025 | 07.04.2025, 05:00

Höxter (dpa). Haut auf Haut, sich so nah sein, wie es nur geht, den eigenen und den anderen Körper spüren. Das ist mit 75 Jahren genauso schön wie mit 25 Jahren. Was aber auch viele Ältere kennen: Das Sexleben mit dem oder der Liebsten prickelt nicht mehr so wie früher. Vielleicht ist es sogar komplett eingeschlafen, obwohl das Bedürfnis nach Intimität es längst nicht ist. Womöglich hat auch Frust die Lust abgelöst: Der Körper kann im Bett nicht mehr leisten, was früher problemlos ging – diese Erkenntnis schmerzt.

Sex gehört dann eben der Vergangenheit an, das Kapitel ist durch? Nein, sagt eine Frau aus Höxter, die dazu recherchiert und ein Buch geschrieben hat: Auch im Alter lohne es sich, das Thema anzupacken, wenn man es denn möchte. Dazu ermutigt Andrea Micus im Buch: „Sex Ü60: So bewahren Sie sich Lust und Liebe“. „Ältere haben oft den Vorteil, dass sie Zeit haben, nicht von Kindern, Job und anderen Dingen abgelenkt werden. Man kann ganz neu experimentieren“, sagt die Höxteranerin, Journalistin und Buchautorin.

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Doch wo können Paare ansetzen? Vier typische Probleme – und wie Paare sie lösen können:

Problem 1: Ich fühle mich unwohl im Körper

Das Problem:

Scham killt die Lust: Wenn der eigene Körper sichtbar und spürbar altere, habe es so mancher schwer, sich wohl in der eigenen Haut zu fühlen. Dass ein anderer Mensch diesen Körper heiß finden könne? Unvorstellbar, finde das eigene Gehirn. Das Bild, das uns viele Filme und Serien über Sex vermitteln, tue sein Übriges. „Wir denken da an junge, schlanke, glatte Körper“, sagt Andrea Micus.

So lässt es sich lösen:

Auch wenn es leichter gesagt sei als getan: Es lohne sich, diese gesellschaftlich geprägten Bilder von Attraktivität loszulassen und mit dem zu arbeiten, was da sei: „Wir müssen uns auf ein reales Bild einlassen.“ Was ein Anfang sein könne: dem Körper Aufmerksamkeit schenken, ihn gut pflegen. „Wenn ich mich in meinem Körper wohlfühle, ihn zurechtmache, gehe ich mit einem anderen Selbstbewusstsein ans Thema Sex heran“, sagt Andrea Micus. „Wenn Sie Paare sehen, die sehr auf sich achten, sind sie vermutlich auch zugewandter.“ Wo genau man ansetzen kann, sei individuell: mehr Bewegung ins Leben holen, um vielleicht das eine oder andere Kilogramm abzunehmen. Sich eine Maniküre gönnen oder sich mal aufhübschen, obwohl es keinen Anlass dafür gibt.

Problem 2: Sex klappt nicht mehr so wie früher

Das Problem:

Ohne den Akt der Penetration sei es doch kein „richtiger“ Sex: Das sei eine Annahme, die in vielen Köpfen festhänge – und die insbesondere Älteren auf die Füße fallen könne, sagte sie. Schließlich sei jeder dritte Mann über 60 Jahren von einer erektilen Dysfunktion betroffen, so die München Klinik. Dazu komme: Durch hormonelle Veränderungen sind die Schleimhäute im Intimbereich bei vielen älteren Frauen schlechter durchblutet. Auch infolge von OPs am Unterleib könne es zu Schmerzen beim Sex kommen, so Micus. Ganz zu schweigen von weiteren körperlichen Einschränkungen, die sich im Bett bemerkbar machten: die schmerzende Hüfte, die bestimmte Stellungen unmöglich mache, oder das vorbelastete Herz, um das man Sorge habe.

So lässt es sich lösen:

Immerhin: Einige organische Probleme lassen sich anpacken. Sogenannte PDE-5-Hemmer könnten als Potenzmittel für eine stabilere Erektion sorgen. Gleitgel oder spezielle Cremen sorgten bei einer trockenen Vagina dafür, dass alles besser rutscht. Bei allem, was sich nicht ändern lasse, helfe nur eines: Akzeptanz. „Er kann sagen: ,Ich kriege keinen mehr hoch!’ Sie kann sagen: ,Ich hatte eine Knie-OP, Sex geht so nicht mehr’“, sagt Andrea Micus. „Oder man nimmt das als Realität an und macht etwas daraus. Es gibt so viele Spielarten.“

Für ihr Buch war sie mit vielen älteren Paaren im Austausch und weiß daher: Nehmen Paare die Einschränkungen an, die die Körper vorgeben, platze oft der Knoten. Ein wichtiger Schritt dafür: „Man muss sich vom penetrativen Sex lösen“, sagt die Frau, die aufgrund ihrer Partnerschaftsbücher viele Anrufe und Fragen gestellt bekommt. Andrea Micus betont, es gebe schließlich so viele andere Dinge, die sich ebenfalls sehr, sehr gut anfühlen: knutschen, nackt kuscheln, sanfte Massagen, den eigenen und den anderen Körper neu erkunden. Kommunikation, was sich gut anfühlt, sei hier der Schlüssel: „Das alles geht nur mit Offenheit und Verständnis füreinander“, sagt Andrea Micus.

Problem 3: Der Ofen in der Beziehung ist aus

Das Problem:

Im Bett herrscht Flaute, an das letzte Mal können sie sich kaum noch erinnern. Keine Seltenheit in langjährigen Beziehungen: „Nach 40, 50 Jahren Ehe ist nicht mehr unbedingt der Partner oder die Partnerin das bevorzugte Sexobjekt“, sagt Andrea Micus. Schließlich kennt man den anderen Körper in- und auswendig, neu und spannend wird es selten.

So lässt es sich lösen:

Sich von Paaren inspirieren lassen, die frisch zusammen sind. „Die stellen nämlich die Partnerschaft in den Mittelpunkt“, sagt Micus. In jahrzehntelangen Beziehungen kommt dieser Fokus aber gerne abhanden. „Man hat Kinder und Enkelkinder bekommen, man hatte stressige Jahre im Job – da war für die Beziehung nicht mehr viel Raum“, sagt Micus. Zeit, sich den zurückzuerobern: Die Autorin aus Höxter rät, dafür auf gemeinsame Erlebnisse zu setzen. Sie stärken die Verbindung als Paar wieder und können somit einen Impuls geben, sich auch körperlich wieder näherzukommen. Ob es der Kurztrip in die Berge ist, das besondere Dinner oder auch das Hotelzimmer, das man sich in der eigenen Stadt für eine Nacht mietet.

Doch was, wenn einer der beiden sich sexuell zurückzieht? „Meine Frau will keinen Sex mehr“: Bei der Recherche für ihr Buch ist Andrea Micus diese Aussage immer wieder begegnet. Hier lohne eine ehrliche Ursachenforschung: „Oft liegt es nicht daran, dass die Frau generell keinen Sex will, sondern dass sie den Sex mit diesem Mann langweilig findet. Viele Männer haben ja nie drauf geachtet, dass die Frau auch etwas davon hat.“ Doch auch das lasse sich im Alter noch ändern – mit einer offenen Kommunikation der eigenen Wünsche.

Problem 4: Sex ist ein Tabu-Thema bei uns

Das Problem:

Über Sex spricht man nicht: Wer 70 Jahre und älter ist, ist womöglich mit diesem Glaubenssatz durchs Leben gegangen – und hat damit womöglich viel Potenzial für richtig guten Sex verschenkt. „Gerade Frauen haben nie gelernt, Wünsche und Bedürfnisse offen zu äußern“, sagt Andrea Micus. Wer sein Sexleben im Alter in Schwung bringen möchte, komme aber nicht drumherum, das zu lernen.

So lässt es sich lösen:

Auch wenn es anfangs gefühlt so viel Mut koste wie ein Bungee-Sprung: Es lohne sich, mit dem oder der Liebsten das offene Gespräch über Sex zu suchen. Andrea Micus rät: „Führen Sie sich vor Augen, dass Sex gesellschaftlich längst nicht mehr so ein Tabu-Thema ist wie früher.“ Über die eigene Lust zu sprechen, sei normaler geworden und erst recht nichts, für das man sich schämen müsse. So ein Gespräch brauche allerdings einen passenden Rahmen – zwischen Tür und Angel sei nicht der Richtige, so Andrea Micus. Ein Anfang könne sein, für sich selbst in Ruhe zu sammeln, was man sich im Bett (oder wo man sich sonst noch vergnügen kann) schon immer gewünscht habe. Verbundene Augen? Ein Sex-Spielzeug ausprobieren?

Womöglich tauchen dabei Wünsche auf, die schon seit Jahrzehnten da seien, aber nie ausgelebt wurden. „Vielleicht hat man sich nicht getraut, vielleicht wollte der erste Mann das damals nicht, aber jetzt ist man mit wem anders verheiratet“, sagt Micus. Wer für sich in Ruhe sortiert habe, was er oder sie sich wünsche, könne gut vorbereitet ins Gespräch gehen – und werde im besten Falle mit ungeahnt gutem Sex belohnt.

? Andrea Micus: „Sex Ü60: So bewahren Sie sich Lust und Liebe“. Humboldt Verlag. 192 Seiten, 19,99 Euro. ISBN: 978-3-869105093.

INFORMATION


Biografisches zur Autorin und Journalistin

Die Journalistin Andrea Micus stammt aus Höxter und lebt auch in Höxter. Sie hat Germanistik studiert und arbeitete danach als Journalistin – beim Burda- und beim Springer-Verlag. Heute schreibt sie als freie Journalistin für auflagenstarke Zeitschriften und als Buchautorin.

Unter anderem für Sachbücher, die sich vor allem an Frauen wenden – aber auch Themen wie Sex im Alter, Traumata bei Kindern und durch Krieg sowie Kindeserziehung und -entwicklung zum Inhalt haben. Zum Beispiel zuletzt den Ratgeber: „Schnell heraus aus der Mobbing-Falle: Strategien, mit denen Sie ihr Kind wirksam schützen“.

Dazu kommen Romane, die oftmals vor „stimmungsvollen Sehnsuchtskulissen“ spielen, wie sie selbst auf ihrer Homepage schreibt. Über das Auf und Ab des Lebens und die Suche nach dem Glück, bei der Liebe eine zentrale Rolle spielt. Dabei vereinen ihre Bücher eines: das Interesse an ihrem Gegenüber.

„In meiner Arbeit dreht sich alles um Menschen und das, was sie bewegt. Ich habe im Laufe der Jahre unzählige Interviews geführt und die Schicksale meiner Gesprächspartner haben mich tief berührt, beeindruckt und oft gefesselt“, schreibt die Höxteranerin selbst. „Das Schöne: Meine Interviewpartner vertrauen mir, weil ich nicht enthülle, sondern verstehe!“ Ihr Wissen ums (Bücher-) Schreiben gibt sie zudem in Kursen an Interessierte weiter.

andreamicus.de