Ein Jahr nach den Bauernprotesten in Höxter: Sind die Probleme gelöst?

Wann veranstalten die Landwirte die nächste Demonstration im Kreis Höxter? Antonius Tillmann: Vorläufig haben wir noch keine Demo geplant, weil wir gar nicht wissen, wer der Adressat dann sein sollte. Unsere Regierung steht ja auf Abwahl, es ist eher so, dass wir versuchen, unsere Themen im beginnenden Wahlkampf zu platzieren. Wir haben da einen Forderungskatalog, der kann erst mal nur die Marschrichtung sein. Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich es nicht für zielführend, dass wir da nun losfahren und eine Demo machen. Wir hatten seinerzeit klare Forderungen, damit sind wir ein Stück weit durchgedrungen und das geht im Moment halt nicht. Es hat doch zuletzt Demos gegeben, bei denen auch Traktoren unterwegs waren - ich glaube auf dem Köterberg? Es gibt ja Gruppen, gerade auch vom rechten Rand, die den Rundumschlag machen und alles infrage stellen. Aber das tun wir bewusst nicht. Wir stellen nicht alles infrage, sondern wir sagen: An diesen Stellen muss die Politik nachschärfen, hier müssen Verbesserungsvorschläge her, damit wir uns auch weiterentwickeln können. Uns geht es nicht um eine Wende, nicht um Pauschalkritik, sondern um die Frage, wie Landwirtschaft weiterentwickelt werden kann. Lesen Sie auch Teil 2 unseres Interviews: &bdquo;Das A und O für uns ist, dass wir Gewinn generieren“ Sie hatten sich ja früh von diesen Gruppen abgegrenzt ... Aus der Truppe halten wir uns komplett raus. Ich glaube, dass die erstens ziemlich weit nach rechts abgedriftet sind, und zweitens wird da eine komplette Pauschalkritik an der Politik geäußert und das ist einfach dummes Zeug. Das machen nur Leute, die wirklich gar keine Ahnung haben, wie eine Demokratie funktioniert. Da geht es um das Ringen um gute Lösungen und Kompromisse. Zu schauen: Wie können wir gut miteinander? Das ist sehr mühselig und geht nicht von heute auf morgen. Da gibt es eben nicht nur einen Gewinner, da gibt es halt viele, die dann die Kompromisse schlucken müssen. Es gibt ja den schönen Spruch: Ein guter Kompromiss ist, wenn alle ein bisschen unzufrieden sind. Anders kann es ja auch gar nicht sein, jeder muss auch bereit sein, zu geben. Wir können nicht nur erwarten, dass wir als Bauern oder Unternehmer nur nehmen und die anderen müssen geben. Der soziale Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist für uns auch das A und O. Deshalb kann ich dieser Art von Politikschelte wenig abgewinnen. Passend zum Thema: Einstimmiges Votum für den Bauern-Chef im Kreis Höxter Dennoch: Die Ampel ist Geschichte. Die Bauern waren die ersten, die sie kritisiert haben. Haben sie da nicht doch einen Anteil dran? Dass die Ampel wegen der Bauernproteste gefallen ist, würde ich nicht behaupten. Nichtsdestotrotz muss man feststellen: Nachdem wir die Proteste in Gang gebracht haben, sind die ja europaweit ausgeweitet worden. Auch hier in Deutschland haben weitere Gruppen ihren Unwillen artikuliert. Sind die Landwirte erleichtert, dass die Regierung zerbrochen ist? Froh ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich glaube, dass Cem Özdemir als Landwirtschaftsminister seinen Kredit ziemlich aufgebraucht hatte. Dabei hatte er viele Vorschusslorbeeren von den Landwirten bekommen, was für einen grünen Landwirtschaftsminister nicht selbstverständlich ist. Er hat dann aber relativ schwach geliefert und von seinen Projekten ist relativ wenig übrig geblieben. Außer, dass er sich noch mehr Projekte überlegt hat, die uns noch mehr abverlangt hätten, die mehr Bürokratie aber auch mehr finanzielle Einbußen bedeutet hätten. Wir sehen jetzt, dass es vielleicht die Möglichkeit gibt, in einer nächsten Regierung zu einem besseren Miteinander zu kommen. Was sind denn die größten Sorgen der Landwirte im Kreis Höxter? Es hört sich vielleicht abgedroschen an - aber es ist nach wie vor natürlich die überbordende Bürokratie. Wir müssen eine Menge Aufzeichnungen machen, die irgendwo in den Schrank kommen, die für uns keinen Wert haben, die letztlich auch für die Kontrollstellen keinen Wert haben. Eine der größten Herausforderungen ist, dass man uns wieder mehr Vertrauen schenkt. Wir sind durchaus selbst in der Lage, zu entscheiden, was sinnvoll ist - und was nicht. Insgesamt hat man dieser Regierung wenig Vertrauen geschenkt, da ist die Landwirtschaft natürlich nicht allein. Lesen Sie auch: Zorn auf die Bundesregierung: Das fordern die Teilnehmer der Bauerndemo in Höxter Können Sie da ein Beispiel nennen? Nehmen wir das Thema Pflanzenschutzmittel. Kein vernünftiger Ackerbauer wird einfach mehr auf das Feld ausbringen, als nötig ist. Weil das Pflanzenschutzmittel ist halt furchtbar teuer, das ist beim Dünger auch so. Wer schmeißt schon freiwillig sein Geld aus dem Fenster heraus? Das macht man nicht, wenn man bei klarem Verstand ist. Und das würde ich bei meinen Berufskollegen behaupten, dass sie bei klarem Verstand sind. Die Regierung misstraut den Bauern? Die Forderung geht ja sehr stark in die Richtung, dass sich Tierhaltung weiterentwickeln soll. Dass wir tierfreundlicher bauen sollen. Das muss auch hinterlegt werden, wie so etwas umzusetzen ist. Ich nehme mal den Abferkelbereich bei den Sauen. Gute Bekannte von mir haben vor ein paar Jahren im Prinzip schon nach Ökostandard gebaut. Dann kam die Haltungsverordnung heraus - und fehlte da plötzlich ein Quadratmeter. Da werden ohne Sinn und Verstand Standards festgelegt, indem man sagt: Eine Sau muss zwei Meter haben, um sich zu drehen. Irgendwelche Standards muss es ja geben? Ja, aber wenn wir uns drehen, drehen wir uns auch ein wenig ineinander. Das macht die Sau auch, aber die Standards sagen: Nein, die Sau steht ganz gerade und geht so im Kreis. Das macht kein Tier. Aber nur dann brauche ich die zwei Meter Wenderadius. Und wenn ich einen Meter 90 oder einen Meter 80 habe, dann geht das nicht. Dabei kommt die auch super rum, das wäre kein Problem. Das sind für mich Fälle, in denen man ganz klar nicht mit Sachverstand herangeht, sondern, ich fürchte, mit Ideologie. Wir haben nicht den Eindruck, dass die bisherige Bundesregierung wirklich wollte, dass Tierhaltung hier erhalten bleibt. Durch die ganzen Daumenschrauben, die angezogen werden, geht die Tierhaltung zurück. Wollen wir hier Tierhaltung erhalten oder sagen wir, nein, wir wollen hier alleine die Welt retten - und Tierbestände müssen abgebaut werden. Lesen Sie auch: Diese Jungbauern stehen für die Zukunft der Landwirtschaft im Kreis Höxter In einem zweiten Teil sprechen Antonius Tillmann und sein Stellvertreter Johannes Claes über den Fleischkonsum, das Nationalpark-Aus, Windkraft und über die Probleme der Landwirte bei der Nachfolgersuche.

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