Wie die Bundeswehr Höxter im Krisen- und Katastrophenfall hilft

Sie sind ja Leiter des Kreisverbindungskommandos (KVK), was oder wen verbinden Sie eigentlich mit dem Kreis? Oliver Lohmann: Die Bundeswehr hat im Jahr 2007 im Rahmen der Neustrukturierung ihre Beteiligung am Bevölkerungsschutz im territorialen Bereich umgestellt. &bdquo;Territorial“ ist alles, was das Inland betrifft. Dazu hat man allen Kreisen, kreisfreien Städten und Regierungsbezirken in NRW ein Verbindungskommando zur Seite gestellt, das komplett mit Reservisten besetzt ist. Diese stehen den Hauptverwaltungsbeamten zur Seite. Die Leiter der Kreisverbindungskommandos sind auch Beauftragte der Bundeswehr für zivilmilitärische Zusammenarbeit, das ist also eine feste Funktion, die wir haben. Wir dienen als reines Bindeglied zwischen Verwaltung und potenziellen militärischen Hilfeleistungen. Das wären Leistungen im Katastrophenfall – aber auch im Kriegsfall? Der Kriegsfall ist nicht unser Aufgabengebiet und das ist auch etwas, zu dem ich mich an dieser Stelle nicht äußern möchte. Der Kernauftrag für die Kreisverbindungskommandos ist der Bevölkerungsschutz. Wir sind bei Katastrophen da, in der Krise und bei Großschadensereignissen, wie es früher mal hieß. Ein Krieg wäre ja auch eine Katastrophe. . . Helfen Sie mit, den Kreis Höxter kriegstüchtig zu machen? Wir sind natürlich Teil der militärischen Struktur und auch wir sind gedanklich vorausschauend damit beschäftigt. Unser Augenmerk liegt darauf, Möglichkeiten und Hilfsoptionen zu schaffen. Wer kann was tun und wie können wir die Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Kreisverwaltungen und der Bundeswehr gewährleisten. So weit denken wir schon, aber wir sind nicht an dem, was der Begriff Kriegstüchtigkeit bezeichnet, beteiligt. Was halten Sie von dem Begriff? &bdquo;Kriegstüchtigkeit“ ist ein politischer Begriff – und die Bewertung des Begriffs überlasse ich dann auch gern der Politik und der Gesellschaft. Die darf sagen, der ist gut oder der ist nicht gut. Für uns ist völlig unerheblich, welcher Begriff gewählt wird. Denn wir wissen, was unser Auftrag ist und was wir zu tun haben. Was war denn die letzte große Aufgabe, an der die Bundeswehr im Kreis Höxter beteiligt war? Die letzte wirklich große Aufgabe war die Pandemie, auch wenn Corona natürlich keine klassische Katastrophenlage ist. Es ist eine Langzeitlage und wird auch ein Stück weit Tagesgeschäft, weil sich Abläufe normalisieren und einspielen. Da war die Bundeswehr massiv in der Kontaktpersonennachverfolgung für verschiedene Institutionen beteiligt. Es wurden Soldaten für die Unterstützung im Kreis abgestellt und auch Einrichtungen im Pflegebereich erhielten Unterstützung durch Soldaten, zum Beispiel, um Abstriche vorzunehmen. Das Hochwasser vor einigen Monaten war also noch nicht hoch genug? Ja, das war eine reine Feuerwehrlage und das hat die Feuerwehr auch hervorragend gemacht. Erst wenn alle anderen Ressourcen ausgeschöpft sind, dann kommen wir auch mit ins Boot als Bundeswehr, und auch nur dann, wenn der Landkreis ein Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr stellt, welches genehmigt wird. Das ist ja das Subsidiaritätsprinzip, wir sind meist &bdquo;die letzte Instanz“, was natürlich mit den grundgesetzlichen Rahmenbedingungen zu tun hat, unter denen wir die Hilfeleistung stellen. Nach der Feuerwehr werden bei Hochwasserlagen zunächst die dafür zuständigen zivilen Institutionen beziehungsweise anderen Blaulichtorganisationen wie zum Beispiel die DLRG oder das THW alarmiert, bei anderen Lagen können es auch das DRK oder die Malteser sein, es kommt immer auf die Lage an. Wenn diese Optionen ausgeschöpft sind, schaut die Verwaltung noch auf den privatwirtschaftlichen Bereich – kann ich etwas ankaufen oder anmieten, das mir hilft? Erst wenn diese Ressourcen erschöpft sind oder wenn etwas gebraucht wird, das nur die Bundeswehr stellen kann, dann sind wir dabei und dann helfen wir. Was kann die Bundeswehr denn? Die erste Frage ist, was braucht der Krisenstab? Wir reden da immer über Fähigkeiten, nicht über den einzelnen Panzer oder den einzelnen Soldaten, sondern wirklich darüber, was muss der Angeforderte können: Räumen, Hebefähigkeit zwölf Tonnen und so weiter. Klassisches Beispiel ist der Pionierpanzer, der kann räumen, der ist auf Kette, der kann buddeln. Das würde der Kreis definieren und dann würden wir im territorialen Strang die Anforderungen etwas verfeinern, so dass sie verständlicher wird. Deswegen sind wir ja Mitglied im Krisenstab. Und daraus wird dann am Ende die technische Amtshilfe, die Hilfeleistung. Der letzte Einsatz lag ja nicht so lang zurück. Die Soldaten waren ja, unter anderem, im Seniorenheim im Einsatz. Wie wird es von der Zivilgesellschaft wahrgenommen, wenn da auf einmal Menschen in Uniform auftauchen? Es gibt wie überall in der Gesellschaft auch mal fragende Gesichter oder mal eine kritische Stimme, das gehört zum Geschäft dazu. Aber die große breite Masse nimmt es positiv auf und freut sich, dass die Unterstützung da ist. Wir haben für unseren Einsatz durch die Bank fast ausschließlich positives Feedback bekommen. Was kann die Bundeswehr von der Kreisverwaltung lernen – und auch umgekehrt? Sie denken doch bestimmt ganz unterschiedlich? In der Katastrophe ist die Art zu denken gar nicht so unterschiedlich. Das könnte man meinen, weil Uniformträger auf Nichtuniformträger trifft – aber in der Katastrophe verändern sich ja Abläufe und Strukturen. Tatsächlich kann jede Seite von der anderen lernen, seien es Strukturen, seien es kommunikative Wege oder Netzwerke. Da profitiert man schon durch das unterschiedliche Wissen voneinander. Die reinen Abläufe sind sehr nah beieinander. Die Unterschiede haben mehr mit den unterschiedlichen Strukturen in der Organisation zu tun. Seit wann machen Sie das jetzt eigentlich im Kreis Höxter? In Höxter bin ich seit Oktober 2022 Leiter des Kreisverbindungskommandos. In der zivil-militärischen Zusammenarbeit bin ich schon seit meinem Ausscheiden aus der Bundeswehr im Jahr 2013. Damals zunächst neun Jahre in Lippe. Mein Vorgänger im Kreis Höxter ist im Jahr 2021 leider verstorben. Das ist tragisch. Dann war die Frage, ob man jemanden für Höxter findet, wir sind ja in OWL auch am Rande des Bundeslandes. Für mich war das durchaus attraktiv, im Kreis Höxter der Leiter zu werden und hier auch ein Stück weit das KVK zu verjüngen. Mein Schwerpunkt in den ersten anderthalb Jahren war, dass ich mich um Personal gekümmert habe – und ich versuche, das KVK auch weiterhin zu verjüngen, was bislang ganz gut funktioniert hat. Was heißt das? Wir haben jetzt in unserem KVK einen Altersschnitt von Anfang 40. Das ist hochattraktiv und auch nicht typisch. Die meisten Kreisverbindungskommandos sind im Schnitt älter – ungefähr zehn Jahre. Was machen Sie denn eigentlich konkret? Sitzen Sie den ganzen Tag am Schreibtisch? Vereinfacht gesagt trifft es das ganz gut. Wir bilden eine Zelle ab, man könnte es als kleinen Stab bezeichnen und sammeln Informationen, halten also ein Lagebild vor. Wir halten Kontakt zu anderen Hilfsorganisationen, zur Verwaltung. Das Führungspersonal selbst ist unmittelbar im Krisenstab beim Landrat oder Leiter des Krisenstabes und berät dort. Wir beraten zu den Fähigkeiten, die wir haben. Die Zelle arbeitet im Hintergrund, wir sind Netzwerker, wir recherchieren, halten Daten aktuell, generieren Kontakte, &bdquo;netzwerken“, das ist unser Kernauftrag. Es ist also in erster Linie schon viel Büroarbeit. Im Einsatz selbst kann es sein, dass Soldaten von mir auch mal vor Ort Truppe aufnehmen, also in Empfang nehmen muss, die eingesetzt wird oder Soldaten einweisen muss, wenn Truppe zur Unterstützung kommt. Sie fungieren dann als &bdquo;Übersetzer“ oder Bindeglied, denn dann treffen Vollzeitsoldaten auf zivile Menschen und die sprechen in der Regel nicht die gleiche Sprache. Wir sind immer ein Verbindungselement, der Kleber, der dazwischen sitzt und versucht, die Seiten zusammenzukriegen. Wir sind keine Waffenträger mehr, wir organisieren Hilfeleistung und beraten. Was ist, wenn ein Zeitsoldat, sagen wir, an der General-Weber-Kaserne, kurz vor Ende seiner Verpflichtungszeit denkt, dass ihm das vielleicht Spaß machen könnte. Wohin wendet er sich? Zunächst einmal sind alle willkommen, als Reservist bei der Bundeswehr insgesamt und in einem KVK im Besonderen zu dienen. Die Tätigkeit in einem Verbindungskommando ist erfüllend und abwechslungsreich. Sie können sich bestenfalls an die Kreisverbindungskommandos selbst wenden, aber auch an die regionalen Feldwebel für Reservistenarbeit. So können sie sich gern auch unter meinem Diensthandy melden. Wir können dann sagen, wie es weitergeht mit einer Karriere in einem KVK oder ganz allgemein als Reservist.

Meistgelesen