Zerstochene Reifen, Pöbeleien: So blicken Politiker aus dem Kreis Höxter auf den Angriff in Dresden

Kreis Höxter. Nach der Prügelattacke auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden rückt das Thema Sicherheit für ehrenamtliche und Berufspolitiker stärker in den Fokus. Auch im Kreis Höxter hat es schon Anfeindungen und sogar Gewalt gegen Politiker gegeben, wie die &bdquo;Neue Westfälische“ exklusiv erfahren hat. Was läuft da schief - und was kann dagegen unternommen werden? Der heimische Landtagsabgeordnete Matthias Goeken hat die Erfahrung gemacht, dass der Ton rauer geworden ist: &bdquo;Man ist schon vorsichtig, denn die Gegner der Demokratie sind zahlreicher und lauter geworden“, sagt der Christdemokrat. Gerade im Kreis Höxter sei die Politik näher dran an den Leuten als etwa in Großstädten. Er habe die Konsequenz gezogen, um Menschen, die ihn anpöbeln, aggressiv aufträten, einen großen Bogen zu machen. Immerhin wurde er einmal auch Opfer einer Sachbeschädigung: Unbekannte hatten einen Reifen seines Wagens mit einem Cuttermesser zerstochen, die abgebrochene Klinge hatte die Polizei noch im Reifen entdeckt. Dennoch betont Goeken, dass er immer für Diskussionen zur Verfügung stehe, &bdquo;wenn einer was hat, können wir drüber reden“. In seinen Augen sind die Gesetze ausreichend, &bdquo;aber sie müssen auch angewendet werden“. Höxters Bürgermeister körperlich angegangen Daniel Hartmann, parteiloser Bürgermeister der Stadt Höxter, kann auch von einer Situation berichten, die ihm zumindest im Gedächtnis geblieben ist. Ein Mann ging ihn körperlich an und beleidigte ihn. &bdquo;So wild war das nicht, aber ich war überrumpelt.“ Nachhaltig beeinträchtigt habe die Situation ihn aber nicht, relativiert der Bürgermeister. CDU-Bundestagsabgeordneter Christian Haase kennt &bdquo;zahlreiche Situationen und Themen, in denen sich Politiker Hass, Hetze und Gewalt ausgesetzt sehen“. Gerade während seiner Zeit als Bürgermeister in Beverungen (2004 bis 2013) habe er &bdquo;ab und an Entscheidungen treffen“ müssen, &bdquo;die Bürgerinnen und Bürger direkt negativ betreffen, aber die mitunter lautstarken Proteste verliefen immer ohne persönliche Angriffe“. Heute ist in seinen Augen das gesellschaftliche Klima deutlich rauer als damals: &bdquo;Die Attacke auf den Europapolitiker Matthias Ecke hat eine Brutalität, die mich erschreckt. An dieser Stelle will ich darauf hinweisen, dass es nicht nur Politiker trifft, sondern viel zu oft auch Rettungskräfte und Ehrenamtliche.“ Um dem entgegenzuwirken, müssten die politischen Parteien der demokratischen Mitte in den Augen des Bundestagsabgeordneten Polarisierungen vermeiden. &bdquo;Es gibt viele Themen, bei denen zu oft emotional und einseitig diskutiert wird, zum Beispiel beim Klimaschutz.“ Eine vernünftige Politik müsse immer den Ausgleich im Blick haben und dürfe Wirtschaft und Bürger nicht überfordern. Haase: &bdquo;Sonst ist das Wasser auf die Mühlen der AfD, die die Spaltung der Gesellschaft aktiv vorantreibt.“ Dabei bediene sie sich intensiv der sogenannten Sozialen Medien. &bdquo;Auf diversen Plattformen verbreitet die AfD ihre verkürzten oder komplett falschen Nachrichten ungefiltert und erreicht ein Millionenpublikum.“ Die Anonymität des Internets erleichtere Pöbeleien und Hasskommentare. Bundestagsabgeordneter Haase fordert Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken Haase fordert daher für eine Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken, &bdquo;damit wir auch im digitalen Raum zumindest Ansätze einer sozialen Kontrolle wie am Stammtisch in der Kneipe haben“. Außerdem brauche es eine klare und einfache Identifizierung, um den Ermittlungsbehörden die Arbeit überhaupt zu ermöglichen. &bdquo;Viel zu oft müssen Verfahren eingestellt werden“, so Haase. Körperliche Gewalt auf der einen Seite, Pöbeleien auf der anderen. Sind das nicht zwei Paar Schuhe? Aus Worten können Taten werden, mahnt Helmut Lensdorf, Vorsitzender der SPD im Kreis Höxter. Er ist, nicht nur als Sozialdemokrat, tief betroffen von dem Angriff in Sachsen. Von physischen Attacken auf Mitglieder der SPD im Kreis wisse er nichts. Wohl aber von &bdquo;unsachlichen Anmerkungen“ oder &bdquo;Drohgebärden“. Auch solche Vorfälle wirkten sich &bdquo;nicht gerade motivierend“ aus. Immerhin versucht die SPD, ihren Europawahlkampf zu organisieren. &bdquo;Die Leute werden vorsichtiger, wenn sie etwas verteilen oder aufhängen“, hat Lensdorf beobachtet. Worte erschüfen &bdquo;aggressive Atmosphäre“ Er mahnt an, dass Unsachlichkeit und Polemik die &bdquo;angespannte Situation“ nur noch verschärfen. Das sehe der SPD-Kreischef ganz konkret im Lokalen zum Beispiel bei der Nationalparkdebatte. Mit &bdquo;Irrsinnsplanung“ oder &bdquo;Sand in die Augen streuen“ nennt er Worte und Begriffe, die er auf Plakaten gesehen oder im Kreistag von Kollegen gehört hat. Worte, die eine &bdquo;aggressive Atmosphäre“ erschüfen. Den raueren Ton beschreibt auch Daniel Hartmann. Seit einem Jahr ungefähr fielen in den Sozialen Medien Ausdrücke und Sätze, die zuvor noch undenkbar gewesen wären. &bdquo;Aus der rechten Ecke“, sagt er, &bdquo;das finde ich schlimm“. &bdquo;Politik ist wichtig und soll Spaß machen. Wir wollen ermutigen, Politik zu machen, auch in angespannten Zeiten“, sagt Helmut Lensdorf. Er hofft, dass die Demokratinnen und Demokraten couragiert gegen alle hielten, die für Anspannung sorgten. &bdquo;Viele haben das bei den Demos in Warburg, Bad Driburg, Höxter und Marienmünster und anderswo getan, möglicherweise wird das wieder so sein.“

Meistgelesen