Apothekerprotest im Kreis Höxter: „Es ist fünf vor zwölf“

Boffzen/Kreis Höxter. In ganz Deutschland gingen Apotheker am Mittwoch auf die Straße, um gegen das geplante Lieferengpass-Gesetz der Ampel-Koalition zu protestieren. Das Gesetz hat das Ziel, die Arzneimittelversorgung zu stabilisieren und die anhaltende Lieferengpass-Krise zu entschärfen. Doch aus Sicht der Apothekerschaft sind die Maßnahmen der Bundesregierung im Gesetzentwurf weder geeignet, die Versorgung der Patienten zu verbessern, noch die Situation der Apotheken als erste und wohnortnahe Anlaufstelle für die Arzneimittelversorgung zu unterstützen. Auch Claudia Malt, Inhaberin der Weser-Apotheke in Boffzen, ist mit der Politik der Bundesregierung, insbesondere in Bezug auf den Gesundheitsminister Lauterbach, nicht einverstanden. Die Wertschätzung der Politik für die Apothekerschaft sei gleich Null. Sie hat ihre Apotheke am Protesttag geöffnet, um die Notdienstversorgung sicherzustellen. Bereits kurz nach Öffnungsbeginn bildete sich eine Schlange vor dem Notdienstfenster. Claudia Malt und ihre Mitarbeiterinnen nahmen Rezepte entgegen, während der Eingang zur Apotheke verschlossen blieb. Ein Absperrband quer über den Eingang und ein Transparent wiesen die Kunden auf den bundesweiten Protesttag der Apotheker hin. Auch während des Notdienstes wurden die Probleme der Apotheken deutlich. Besonders Antibiotika für Kinder bereiten der Apothekerin Sorgen, da diese im Ausland produziert und zu hohen Preisen eingekauft werden müssen. Gleiches gelte für antibiotische Augentropfen. Beides sei derzeit aufgrund der Lieferprobleme schwer zu bekommen. Notdienst ohne Antibiotika Nach einem kurzen Telefonat mit einem Kollegen in Höxter betonte Claudia Malt die Solidarität unter den Apotheken und die gegenseitige Hilfe. Die Apotheke in Höxter hat noch Antibiotika auf Lager, die kurzerhand nach Boffzen geholt werden, um sie im Notdienst an die Patienten ausgegeben zu können. Anschließend geht es für Malt an den Computer, um ein Medikament zur Behandlung von bakteriellen Infektionen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich bei Kindern zu bestellen – doch es ist nicht lieferbar. &bdquo;Meine pharmazeutischen Angestellten verbringen täglich über eine Stunde am Computer, um nach verfügbaren Medikamenten zu suchen“, sagt die Apothekerin frustriert. Die Weser-Apotheke sei täglich mit Lieferengpässen konfrontiert und dies stelle eine erhebliche Belastung für die Patientenversorgung dar. Das kann auch Dagmar Pöppe-Lücke bestätigen. Die Höxteranerin arbeitet seit 25 Jahren als angestellte Apothekerin. Sie hat am Mittwoch auf dem Höxteraner Marktplatz auf die Situation der Apotheken aufmerksam gemacht und sagt: &bdquo;Es ist fünf vor zwölf.“ &bdquo;Es ist gruselig zu sehen, was aktuell nicht lieferbar ist“, erzählt sie. Zwar gebe es fast immer eine Alternative, aber die sei zeitaufwendig. &bdquo;Wir müssen den Arzt anrufen und das mit ihm besprechen, wir brauchen ein neues Rezept, das muss ich abholen“, zählt sie auf. Denn auf dem Rezept dürfe kein Fehler sein. Fehle etwa die Telefonnummer des Arztes im Arztstempel oder die Dosierung, drohe eine Nullretaxation. Heißt: Die Kosten werden von der Krankenkasse abgelehnt und die Apotheke bleibt darauf sitzen. Das passiere auch, wenn die Apotheke ohne Erklärung auf dem Rezept ein anderes Medikament ausgebe, als angegeben. &bdquo;Etwa, wenn ein Patient es nicht verträgt“, erklärt Pöppe-Lücke. &bdquo;Das macht uns das Leben richtig schwer“, sagt die Höxteranerin, die in der Petri-Apotheke in Höxter und in der Vital-Apotheke in Beverungen arbeitet. Was die Apotheker wollen &bdquo;Die Retaxierungen durch die Krankenkassen sind für uns eine immense finanzielle Belastung. Allein schon 400 Euro im Monat als Verlust abschreiben zu müssen, ist für mich als Apothekerin nicht tragbar“, berichtete auch Claudia Malt vom Kontrollsystem der Krankenkassen. &bdquo;Wir Apotheker sind die ersten Ansprechpartner vor Ort und tragen eine große Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung. Es ist frustrierend zu sehen, wie die Politik unsere Anliegen ignoriert und die Apotheken in ihrer Bedeutung herabstuft“, betont Claudia Malt. &bdquo;Die öffentliche Apotheke ist wichtig, wir sind nicht ersetzbar“, sagt auch Pöppe-Lücke. Doch wenn es so weitergehe, werden die öffentlichen Apotheken keine Zukunft haben. &bdquo;Wir waren mal acht Apotheken in Höxter, jetzt sind es nur noch vier“, macht sie deutlich. Der Protesttag war ein Zeichen des Unmuts und der Sorge innerhalb der Apothekerschaft. Sie fordern daher nicht nur Maßnahmen zur Bewältigung von Lieferengpässen, sondern auch eine gerechte Honorierung ihrer Leistungen und eine Reduzierung der bürokratischen Hürden. &bdquo;Es macht einfach keinen Spaß mehr“, sagt Pöppe-Lücke. Die Arbeitsbelastung nehme zu, doch es gebe immer weniger Personal. &bdquo;Gerade im Hinblick auf die Probleme der hausärztlichen Versorgung auf dem Land könnten Apotheken mehr übernehmen, wie etwa Impfungen“, sagt sie. Doch dafür fehle oftmals die Zeit. Es sei daher wichtig, dass die Politik die Bedeutung der Apotheken als wichtige Säule im Gesundheitssystem anerkenne und angemessene Rahmenbedingungen schafft.

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