Der Tod der Innenstädte: Immer mehr Geschäfte und Lokale im Kreis Höxter schließen

Kreis Höxter. Bücher Brandt, Blumen Ostermann, der Bäcker Bielemeier in Hembsen, die Bäckerei Brechtken in Bonenburg, das Unverpackt-Mobil – nur einige prominente Beispiele von Läden und Lokalen, die in den vergangenen Wochen und Monaten geschlossen haben. Jeweils stand am Ende eine individuelle Entscheidung und doch werden manche Gründe immer wieder genannt. Corona, klar, aber auch die extrem gestiegenen Energiepreise oder das Problem, dass der Nachwuchs fehlt. Welche Lösungen es für solche Probleme gibt, wollte die Neue Westfälische von Jürgen Behlke, Chef der Industrie- und Handelskammer im Hochstift, wissen. K.O. durch Virus Für manche Lokale und Geschäfte brauchte es nicht einmal zwei volle Corona-Jahre. Nach etwas mehr als sechs Monaten Pandemiezustand mussten in Brakel zwei gastronomische Betriebe aufgeben: das chinesische Restaurant Am Thy und die Wunderbar am Hanekamp. K.O. durch Virus. Zwei der ersten Betriebe, die schließen mussten, aber nicht die letzten. Behlke räumt ein, dass es die Gastronomie während der Pandemie ganz besonders hart getroffen hat. Zeitweise war ganz zu, dann immer wieder wechselnde Auflagen, die einen Besuch im Lokal eher unangenehm gemacht hat. Trotz aller finanziellen Unterstützung haben es nicht alle Betriebe geschafft. Jetzt kommen hohe Beschaffungskosten, teure Energie und fehlende Arbeitskräfte hinzu. Der IHK-Geschäftsführer kann im Moment nicht wirklich viel Hoffnung machen. Er geht davon aus, dass weitere Gastronomen aufgeben werden, weil für sie die Kalkulation nicht mehr aufgeht. Wenn die Zeiten wie aktuell schwieriger werden, sparen die Menschen als erstes an dem, was sie sich extra gönnen – beispielsweise einen Restaurantbesuch. Zudem lässt sich besonders das Problem des Arbeitskräftemangels im Moment kaum lösen. Der Bedarf an Aushilfskräften ist groß, das Interesse beispielsweise von Studenten, die diese Arbeiten übernehmen wollen, geht zurück. Das merkt fast jeder, der in den vergangenen warmen Tagen einen Platz im Biergarten oder Café gesucht hat. Behlke spricht von einem Teufelskreis und prognostiziert Zeiten, in denen es schwer wird, spontan einen Tisch zu bekommen, wenn man mal ausgehen will. Alles wird teurer Bücher Brandt – eine Institution in Höxter – schließt zum Jahresende für immer. Der einzige inhaberinnengeführte Buchladen in der Kreisstadt wird fehlen. Susanne Weide und Andrea Duurland erklärten gegenüber der NW jedoch, dass es hauptsächlich der zunehmende Kostendruck auf das Unternehmen gewesen sei, bedingt durch unterschiedlichste Preiserhöhungen, der sie zu ihrer Entscheidung geführt habe. Jürgen Behlke bestätigt, dass die steigenden Kosten, besonders im Energie- und Transportbereich den Unternehmen zunehmend zu schaffen machen. Auch wenn einige Förderungen gekündigt sind. Die Mehrkosten können die Unternehmen aber nicht eins zu eins an die Kunden weitergeben. Fachkräftemangel Der IT-Dienstleister Fachin und Friedrich hat noch bis Ende August einen Service-Point am Sudheimer Weg in Brakel betrieben, wo Privatkunden etwa Computerzubehör kaufen konnten. Den gibt es jetzt so nicht mehr. Zu dieser unliebsamen Entscheidung habe neben dem erhöhtem Bedarf an IT-Sicherheit in Unternehmen auch der anhaltende Fachkräftemangel geführt, erklärten die Inhaber Christian Fachin und Björn Friedrich der NW. Fachkräftemangel ist so ein Stichwort, das Jürgen Behlke nicht mehr hören kann. Es gibt ihn seit vielen Jahren, und genausolange gibt es Lösungsversuche, die aber nicht den gewünschten Erfolg bringen. Problem Nummer eins: Es gibt zu wenig Jugendliche insgesamt. Problem Nummer zwei: Zu viele studieren, und dann nicht immer das, was am Arbeitsmarkt nachgefragt wird. Behlke nennt als Stichwort den kulturwissenschaftlichen Bereich – hier gebe es für die Studenten häufiger keine &bdquo;Anschlussverwendung“. Auch die Versuche, in den Schulen beispielsweise für technische Berufe zu werben, brächten noch nicht den gewünschten Erfolg. Dabei verdiene inzwischen so mancher Akademiker deutlich weniger als ein gut ausgebildeter Techniker. Sterbende Zünfte In Beverungen arbeitete bis Ende 2020 einer der letzten Buchbinder weit und breit: Ferdinand Kübler, der mit seiner Ehefrau Ilona ein Schreibwarengeschäft An der Kirche betrieb. Dann war für das Familienunternehmen, das immerhin 122 Jahre auf dem Buckel hatte, Schluss. Einerseits fehlte die Nachfrage nach aufwendiger Handarbeit, andererseits die Nachfolge für das Geschäft. Das Problem, keinen Nachfolger zu finden, ist oft ein individuelles, sagt Behlke. Bei der IHK gibt es entsprechende Beratungsangebote und immer wieder den Hinweis, sich frühzeitig mit dieser Frage zu beschäftigen. Sogar einen Nachfolgeclub gibt es bei der IHK. Dort kann man dezent seinen Wunsch formulieren, sein Geschäft abgeben zu wollen. Denn nicht immer ist es dem Unternehmen dienlich, wenn dies zu frühzeitig öffentlich wird. Das Bürokratie-Monster Für &bdquo;Wemmel’s Apotheke“ war an Silvester 2020 nach 325 Jahren Schluss. 42 von diesen 325 Jahren hat Eginhard Weyl die Apotheke als Inhaber geführt. Die letzten drei hatte er auch damit verbracht, einen Nachfolger zu suchen – ohne Erfolg. &bdquo;Die Auflagen sind für diese Apotheke einfach sehr groß“, sagt er. Der Charme der historischen Einrichtung ist gleichzeitig auch ein Problem. &bdquo;Die Decke ist nicht feuerfest, die Rezeptur müsste eigentlich im Offizin sein und nicht im Labor, es gibt einiges, was ein Nachfolger neu beantragen müsste“, zählte der Inhaber gegenüber der NW nur einige Probleme auf. Ja, hohe Auflagen können tatsächlich eine Herausforderung sein, räumt der IHK-Geschäftsführer ein. Aber sie haben (meist) einen Sinn, beispielsweise die Sicherheit der Mitarbeiter und Kunden. Es gebe aber auch häufig Ermessensspielräume, sagt Behlke. Die Erfahrung, die der IHK zugetragen werden, zeigten aber, dass diese häufig zu Lasten der Unternehmer ausgelegt werden, moniert Behlke. Immerhin: Ein Teil der altehrwürdigen Apotheke blieb erhalten. Die historische Schrankwand fand ein neues Zuhause in der Café-Bar Die Apotheke an der Marktstraße.

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