Warum bleiben Stühle bei Kulturveranstaltungen im Kreis Höxter oft leer?

Kreis Höxter. 700 Leute amüsieren sich in der Beverunger Stadthalle bei Jürgen von der Lippe, zu einer Theatervorstellung in einer anderen Woche kommen gerade einmal 50 Menschen. Ein Kabarettabend im Warburger Kulturforum muss abgesagt werden, weil tatsächlich bloß zwei Karten verkauft wurden. Eine Lesung, veranstaltet vom Literaturbüro, wird abgesagt – auch hier fehlt Publikum. Was ist los mit den Kulturfans? Zwei Jahre Pandemie liegen hinter uns. 24 Monate, in denen Kulturveranstaltungen zumindest in ihrer klassischen Form nicht stattfanden und schmerzlich vermisst wurden. Jetzt könnten die Zuschauer wieder. Allerdings sind sie offenbar sehr zurückhaltend. Woran das liegt und wie gefährlich das für Kulturschaffende und Veranstalter werden kann, hat nw.de mit Experten aus dem Kreis Höxter besprochen. &bdquo;Man muss differenzieren“, sagt Andreas Knoblauch-Flach von der Kulturgemeinschaft Beverungen. Dass sich &bdquo;Indoor-Kultur“ gerade generell schwertäte, stimme so nicht: &bdquo;Es kommt auf die Zielgruppe an.“ Er wisse auch von Veranstaltern aus größeren Städten, dass sich Kultur für Jüngere, also Kinder und Jugendliche, gut verkaufe. &bdquo;Ältere sind noch vorsichtiger, was ihr Verhalten angeht“, erklärt er, &bdquo;da sind auch in den vergangenen Monaten viele widersprüchliche Signale gesendet worden“. Dass die meisten Corona-Regeln fallen, gerade in dem Moment, als die Inzidenzen durch die Decke gehen, konnten viele Menschen nicht nachvollziehen. Es ist normal geworden Corona, so scheint es, ist in der öffentlichen Wahrnehmung kaum noch Thema. Es gibt gerade andere Baustellen. Den Krieg und dessen konkrete Auswirkungen auf uns zum Beispiel. Wenn es um die Kultur geht, scheint das Virus jedoch noch virulent zu sein. &bdquo;Bei Veranstaltungen in den vergangenen zwei Jahren hat man gemerkt, dass die Menschen hungrig auf Kultur waren“, berichtet Lea Beimdiek vom Literaturbüro OWL. &bdquo;Das hat sich ein bisschen verändert. Man hat sich dran gewöhnt, es ist irgendwie normal geworden.“ &bdquo;Die Menschen sind es einfach Leid“, sagt Lena Volmert vom Kulturforum in Warburg. Nicht die Kultur. Aber die Corona-Regeln. Was ist nötig, um ein Konzert, eine Vorstellung oder eine Lesung zu besuchen? Test? Impfpass? Maske? &bdquo;Das hat nichts mit uns in Warburg oder mit unseren Künstlern zu tun, das ist ein bundesweites Problem.“ Beispiel Reinhold Beckmann. Der Journalist und Musiker hat bereits zweimal im Kulturforum gespielt. Beide Male waren die Karten ratzfatz weg. Diesmal lief es zäher. Von 75 Tickets waren kurz vor Auftrittsbeginn gerade 40 verkauft. Am Ende kamen 50 Besucher und Lena Volmert bilanzierte einen &bdquo;wirklich guten Abend in einer schwierigen Saison“. Denn von dem Eintritt muss unter anderem die Gage, GEMA-Gebühren und die Unterbringung bezahlt werden. Doch in solchen Fällen abzusagen ist zumindest aus finanzieller Sicht wiederum oft auch keine gute Idee. Denn dann stehen den Künstlern beziehungsweise deren Agenturen Ausfallhonorare zu. Die Kulturgemeinschaft Beverungen profitiert von einem Förderprogramm namens &bdquo;Theater in Bewegung“. Im vergangenen Jahr waren da auch Ausfallhonorare mit drin. &bdquo;Diese Klausel gibt es jetzt nicht mehr“, sagt Knoblauch-Flach. Denn Kultur soll nicht mehr ständig verschoben werden. &bdquo;Ich freue mich darauf, wenn wir keine Veranstaltungen mehr vor uns herschieben“, sagt er. Denn Events abzusagen und neu zu terminieren, bedeutet viel Arbeit, von der die Kulturgemeinschaft im Prinzip nichts hat. Volle Hütte in Beverungen Jürgen von der Lippe war so ein Termin, der nachgeholt wurde. Die Karten waren vor der Pandemie verkauft worden. So kam es zu der vollen Hütte in der Beverunger Stadthalle. Was jetzt in den Vorverkauf geht, tut sich deutlich schwerer. Den Eindruck bestätigt auch Lea Beimdiek vom Literaturbüro OWL: &bdquo;Jetzt entscheiden sich viele Zuschauer eher spontan.“ Vielleicht, weil sie befürchten, die Veranstaltungen könnten wieder verschoben werden? Was im Einzelnen hinter der Zurückhaltung der Warburger Kulturbegeisterten steckt, kann Lena Volmert nicht genau sagen. 315 Beitrag zahlende Mitglieder hat das Kulturforum. Auf der Hauptversammlung vor knapp zwei Wochen wollte der Verein den momentan drängenden Fragen auf den Grund gehen und, so Volmert, &bdquo;gemeinsam Strategien für die Zukunft erarbeiten.“ Eine Idee brachte Michael Schwarzwald, der neu gewählte Vorsitzende des Kulturforums mit: Anhand eines anonymisierten Fragebogens soll unter anderem erfasst werden, woher die Besucher kommen oder wie sie auf die Veranstaltung aufmerksam geworden sind. Blaues Auge durch die Pandemie Und dann bleibt zu hoffen, dass Corona im Herbst und Winter nicht wieder zuschlägt. &bdquo;Existenzsorgen hat das Kulturforum nicht“, sagt Lena Volmert. Durch die Mitgliederbeiträge könnten unrentable Abende oder Absagen kompensiert werden. Die Beiträge sorgten dafür, &bdquo;dass wir noch ein Jahr aushalten können“. Auch Andreas Knoblauch-Flach spricht von Rücklagen, die die Kulturgemeinschaft vor der Pandemie habe bilden können. &bdquo;Ich glaube, dass wir finanziell mit einem blauen Auge durch die Pandemie kommen.“

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