Höxteraner Majestäten: „Endlich wieder Schützenfest“

Frau Vogt, Herr Wiesemann, es geht los – worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie an das erste Juli-Wochenende denken? Sandra Vogt: Auf die strahlenden Gesichter – endlich wieder feiern, endlich wieder Schützenfest. Frank Wiesemann: Und auf den Festumzug am Sonntag, auf die anderen Königspaare, die mit dabei sind. Ich persönlich freue mich auch auf die Kettenabnahme in der Nacht zu Montag. Der Abschluss der Königszeit wird immer ganz besonders durch die eigene Kompanie gestaltet und gefeiert. Welche Bedeutung hat das Schützenwesen Ihrer Ansicht nach in Höxter? Was macht es besonders? Wiesemann: Das generationsübergreifende Treffen der Menschen – jung und alt stehen zusammen an der Theke. Da wird kein Unterschied gemacht zwischen Großunternehmer und Azubi. Vogt: Von 8 bis 80 und älter treffen sich bei uns die Menschen. Und man ist als Mitglied der Schützen überall gleich mit dabei, wird von den Schützen offen aufgenommen und macht mit. Zwei Jahre sind durch die Pandemie verloren gegangen – glauben Sie, dass das den Schützen wehgetan hat? Also nicht nur finanzielle, sondern auch soziale Verluste? Sprich: Nachwuchs? Wiesemann: Finanziell hatten wir keine Verluste. In Höxter ist es nicht zu üppig bestellt mit Clubs für junge Leute, da sind Schützenfeste echte Highlights für die jungen Menschen. Dort treffen sich Jugendliche und junge Erwachsenen – und Höxter ist nun mal das größte Schützenfest in der Region. Die Gilde lebt durch die gemeinsamen Feste und Veranstaltungen. Vogt: Wir sind ein junges Königspaar – da können wir sicherlich auch die jungen Leute bei der Gilde mit ins Boot holen. Wiesemann: Die Tendenz zu Handy und Internet war schon vor Corona bei den jungen Leuten da und stark ausgeprägt. Ja, Corona hat das verstärkt. Aber wir hoffen, mit unserem Fest alle Leute wieder vom Sofa holen. Vogt (überzeugt): Und das kriegen wir auch hin. Der Blick geht nach vorn: Was motiviert Sie, Königspaar in Höxter zu sein? Wiesemann: Mein Vater war 25 Jahre im Vorstand der Gilde, ist Ehrenmitglied, mein Bruder ist mittlerweile Kommandeur. Da geht einem das Schützenwesen in die DNA über. Ich habe über die Jahre so viele tolle Königspaare erlebt und dann die Chance ergriffen, selbst dazuzugehören. Als ich direkt am Morgen nach meiner Königsproklamation beim Schützenfrühstück in Brakel als neuer Höxteraner König erkannt und begrüßt wurde – da merkt man erst, welche Reichweite das Ganze hat. Vogt: Mich motiviert es, Teil dieses Schützenwesens zu sein, mitzuziehen in der Gemeinschaft – und das Kompanie-übergreifend. Dazu die Euphorie und das Herzklopfen, durch die Menschenmenge zu gehen. Wie bereiten Sie sich vor? Vogt: Es gibt viele Gespräche mit den Festleitern im Vorfeld. Über den Ablauf, über die Veränderung durch die gesperrte Brücke. Durch den Kleiderkauf wird die Vorbereitung abgerundet. Es sollte möglichst in den Kompaniefarben sein. Also Gelb. Gar nicht so einfach. Wiesemann: Wir sitzen mit dem Festleiter regelmäßig wegen des gesamten Ablaufs zusammen, besprechen beispielsweise den Blumenschmuck für den Thron und die Kutsche, treffen Absprachen mit unserem Hofstaat. Viele Kleinigkeiten, die im Hintergrund laufen und von denen Außenstehende gar nichts mitbekommen. Es gibt zum Beispiel einen 70 Seiten starken groben Ablaufplan für das gesamte Fest: Wann wir wo stehen und gehen, in welche Richtung wir wann gucken und winken. Was der Vorstand in dieser Phase an Arbeit leistet – das wäre für manche Menschen ein Vollzeit-Job. Sind Sie nervös? In welchen Situationen? Vogt: Natürlich. Als Königspaar steht man oft im Rampenlicht. Das ist ungewohnt, aber auch sehr schön. Wiesemann: Jedes Mal, wenn mir der Festleiter in den vergangenen vier Jahren die Königskette umgehängt hat, war ich nervös. Und ich bin es noch immer. Vogt (lacht): Bei mir fängt es schon an, wenn ich das Kleid anziehe. Das wird keine Routine. Sonst wäre es auch langweilig. Feiern auf dem Parkplatz mitten in der Stadt, auch räumlich beengt – eigentlich nicht der Ort für die besondere Schützenfest-Atmosphäre. Wie wollen Sie dennoch dafür sorgen, dass das Schützenfest 2022 zum 425-Jährigen unvergessen sein wird? Wiesemann: Ich finde es riesig, dass wir überhaupt feiern können und einen Platz mitten in der Stadt gefunden haben. Das wird kleiner und enger, aber richtig schön. Ich kenne die Planung. Am Freitag kommt zudem noch der Jubiläumsfestakt vorm Schloss in Corvey dazu – das wird etwas Bleibendes. Vogt: Es ist ein Jubiläum. Und es ist anders. All das wird in den Köpfen der Menschen hängenbleiben. Welches sind Momente, die für Sie schon unvergessen sind? Wiesemann (grinst): Alles. Von der Proklamation bis zum Schützenfestmontag passte es damals alles schon. Und wie man auf den Ortschaften aufgenommen wird, die anderen Kompanien – das ist riesig, das ist alles für sich schon ein Erlebnis. Vogt: Bei mir war es die Proklamation. Dort war ich unheimlich aufgeregt, das Herz klopfte bis zum Hals. Es war ein tolles Gefühl, von der Öffentlichkeit in Empfang genommen zu werden. Was wünschen Sie Ihren Nachfolgern? Wiesemann: Keine Pandemie! Und sie sollten alles mitnehmen, was geht. Die zwei Jahre werden so schnell vorbei sein. Vogt: Einfach eine tolle Zeit, uneingeschränktes Feiern und einen so tollen Hofstaat, wie wir ihn haben. Mit welchen Worten laden Sie die Bevölkerung ein? Wiesemann und Vogt: Lasst uns die Pandemie und die Sorgen ein paar Tage zur Seite schieben und feiert mit uns. Gebt diesem Schützenfest die Chance, das schönste Fest Eures Lebens zu werden. Und wir möchten alle dabei mitnehmen – gemäß dem Motto der Schützengilde: Die ganze Bürgerschaft soll es sein. Das Interview führte Simone Flörke

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