Fallersleben-Rede zum 1. Mai: Drei Worte – eine Botschaft

Höxter. Den Applaus nahm er mit gesenktem Kopf neben dem Podium verharrend und leicht nickend in sich gekehrt entgegen: Der Dank der 170 Zuhörer im Kaisersaal für eine mehr als einstündige wortgewaltige Rede, den Prof. Dr. Hubert Wolf, Priester, Theologe, Kirchenhistoriker, Autor und Wissenschaftler, ausgestattet &bdquo;mit einem detektivischen Spürsinn“ und einer &bdquo;mitreißenden Rhetorik“ (Michael Stoltz), neben der Bühne entgegennahm. Für sein &bdquo;Nachdenken über Deutschland“ bei der 19. Hoffmann-von Fallersleben-Rede am 1. Mai. Es war der würdige Neustart nach zwei Jahren Corona-Pause in einem festlichen Ambiente. Aber es war auch bedeutend mehr: Keine einfache, weil sehr dichte Rede, die Deutschland, Europa und Corvey, die Geschichte und Gegenwart mit vielen Anleihen an Zitate und Verse von Dichtern und Philosophen, von Päpsten und Wissenschaftlern in einer meisterhaften Erzählkunst verband. Ein Dreieck aus drei Persönlichkeiten und mit Corvey-Bezug Die Rede – so hatte es der Professor von der Universität Münster zu Beginn erklärt – entspann sich an einem Dreieck dreier Persönlichkeiten mit Corvey-Bezug, die er miteinander verband und zugleich in den historischen Kontext mit Bezügen zur Gegenwart setzte: den Ordensgründer Benedikt von Nursia als &bdquo;Patron Europas“, den Vorfahren des heutigen herzoglichen Hausherrn, Viktor I,. Herzog von Ratibor, damals ein &bdquo;liberaler Katholik“ aus Corvey, einem &bdquo;Ort verbindender europäischer Werte“. Und schließlich seinen Bibliothekar und &bdquo;großen Kämpfer gegen die damalige Kleinstaaterei und für die Einigkeit Deutschlands sowie die Freiheit des Einzelnen“ (Viktor Herzog von Ratibor), August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Mit seinem &bdquo;ohne Zweifel wirkmächtigen Text“, den Wulf zu Beginn zitierte: &bdquo;Einigkeit und Recht und Freiheit“. Hoffmanns &bdquo;Lied der Deutschen“, mit Haydns Musik die deutsche Nationalhymne. Am 162. Jahrestag von Hoffmanns Dienstantritt in der Fürstlichen Bibliothek in Corvey war diese mit Vehemenz und großer Gestik vorgetragene Rede ein Bekenntnis zur Demokratie und zu Freiheitsrechten, aber auch mit Blick auf den Ukraine-Krieg eine Mahnung und Aufforderung an alle, sich immer wieder neu zu vergewissern, wo wir selbst stehen. &bdquo;Ausfallen der Amtskirche als Garantin der Werte" Dabei warf Wolf auch den Blick auf lange Zeit geltende Dogmen wie der Unfehlbarkeit des Papstes oder die Unvereinbarkeit von Katholizismus und modernem Rechtsstaat und das &bdquo;Ausfallen der Amtskirche als Garantin der Werte, auf denen der moderne Rechtsstaat ruht“. Doch Werte besitze man nicht einfach, Frieden sei keine Selbstverständlichkeit: All das werde durch das Engagement seiner Bürger auf der Basis von Freiheitlichkeit, Recht und Haltung sowie einem allgemein verbindenden Wertefundus immer wieder neu geschaffen. Und zwar mit Blick auf Grund- und Menschenrechte. Sein Credo: &bdquo;Angesichts des Auseinanderfallens unserer Gesellschaft, der zunehmenden Polarisierungen und Diskussionsverweigerungen sind wir als mündige und weltoffene Christen gefragt, diese Traditionsbestände zu aktivieren und als ständige Wertetransfusion unserem Land zugänglich zu machen“, so der Professor. &bdquo;Es hängt an jedem und jeder von uns, ob diese Werte sich auflösen in Zwietracht, Unrecht, Diktatur und pseudoreligiösen Gewaltfantasien, oder ob sie in neuem Glanz erstrahlen.“ Wir dürften das Feld nicht &bdquo;gesellschaftlichen Verschwörungstheoretikern, religiösen Fundamentalisten und politischen Radikalen“ überlassen, mahnte er eindringlich: &bdquo;Unser Staat braucht uns und unser Engagement als Bürgerinnen und Bürger für die ihn tragenden Werte, und als Menschen, die an mehr als sich selber glauben.“ "Der Krieg Russlands gegen ein Land in Europa wie die Ukraine" Deshalb sei jeder von uns aufgefordert, den Mittelpunkt dieses Dreiecks zu bestimmen, schloss er seine Rede. &bdquo;Und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Der Krieg Russlands gegen ein Land in Europa wie die Ukraine und die Werte von Einigkeit und Recht und Freiheit, für die sie steht, machen dies dringlicher denn je“, sagte Wolf und fügte ein Zitat des ukrainischen Schriftstellers Jurij Andruchowitsch angesichts der Maidan-Revolution an: &bdquo;Wir lassen uns nicht einschüchtern. Gott sei Dank. Es fügt sich alles zu einem großen Ganzen: Die Entscheidung für Europa, die Souveränität des Landes, die Rechte und die Würde jedes Einzelnen. Es sind verschiedenen Seiten ein- und derselben Sache. Wenn wir uns für Europa einsetzen, geht es dabei auch um unsere Souveränität. Um die Menschenrechte und um die Freiheit. Das sind nicht nur schöne und naive Worte, das ist die nackte Wahrheit, die bleibt.“

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