Fahrradboom: "Die Wartezeiten sind wie beim Autokauf"

Kreis Höxter. Seit Beginn der Corona-Pandemie boomt die Fahrradindustrie. Viele Menschen zieht es bei gutem Wetter an die frische Luft. Radtouren und Wandern sind gerade auch bei Familien eine beliebte Aktivität geworden. Im vergangenen Jahr stieg die Nachfrage so weit, dass sowohl Räder als auch Ersatzteile knapp wurden, die Arbeitszeiten dafür immer länger. Hat sich die Situation inzwischen wieder eingependelt oder ist die Nachfrage auch in diesem Frühjahr so hoch? "Es ist eine Katastrophe", berichtet Dirk Sommer, Inhaber von Zweirad Sommer in Höxter. Ersatzteile seien kaum zu bekommen. Er habe einige Teile in England ergattern können aber auch das sei schwierig gewesen. Selbst die Hersteller kämen nicht an Teile und Material. "Ich habe fast noch 80 Räder aus dem vergangenen Jahr offen, davon sind bisher erst acht oder neun gekommen", so Sommer. Inzwischen suche er selbst bei kleinen Anbietern im Internet nach Ersatzteilen, das habe der Ladeninhaber vor der Corona-Zeit nie gemacht. "Ich kann den Kunden keine genauen Liefertermine sagen und auch Reparaturen können sich ziehen", sagt Sommer. Oft sei der gerade aufgefüllte Bestand nach wenigen Stunden oder am nächsten Tag bereits wieder ausverkauft. Die Nachfrage habe sich verdoppelt oder gar verdreifacht und das Angebot halbiert. "Seit dem Winter arbeiten wir zwölf Stunden am Tag. Das ist anstrengend aber wir wollen nicht meckern. Für das Geschäft ist die riesige Nachfrage aber natürlich gut!" "Wir versuchen das Möglichste, um alles fertig zu machen" Wer im Vorfeld gut eingekauft hat, der habe derzeit noch gute Chancen, Räder zeitnah fertigstellen oder reparieren zu können, erklärt Tanja Brown. Sie ist als Mitarbeiterin im Geschäft ihrer Eltern, dem Zweiradcenter Riem, tätig. "Wir haben ordentlich eingekauft, inzwischen aber auch Schwierigkeiten. Etliche Räder sind eigentlich fahrfertig, aber die fehlenden Teile aus Asien können nicht geliefert werden." Darunter seien auch Räder, die bereits im vergangenen August bestellt wurden. "In manchen Fällen fehlt der Motor, um aus einem Rad ein E-Bike zu machen", sagt Brown. Es sei teilweise sehr schwierig, den Kunden die Lage zu erklären. Brown freue sich aber über jeden Kunden, der trotz langer Wartezeiten sein Rad zur Reparatur bringt oder ein Neues kaufen möchte. "Wir versuchen das Möglichste, um alles fertig zu machen!" Dass die Situation zur Zeit sehr bescheiden ist, spürt auch Jens Brenke, Inhaber des Warburger Fahrradgeschäfts Brenke 2-Räder, deutlich: "Die Lieferzeiten sind böse. Wer nicht mitgedacht und vorbestellt hat, steht ohne Bremsbeläge oder Reifen dar." Er schätzt die Situation aktuell noch dramatischer ein, als im vergangenen Jahr. Dabei ließ das Frühlingswetter lange auf sich warten. Kunden müssten sich darauf einstellen, dass sie auch für kleinere Reparaturen mehrere Wochen auf einen Werkstatttermin warten. Eine Besserung der Lieferzeiten werde sich wahrscheinlich bis Ende des kommenden Jahres ziehen. "Die Lieferzeiten sind in den letzten Jahren schon länger geworden - und dann kam Corona! Großhändler warten teilweise neun Monate auf Containerware aus Fernost", so Brenke. Nicht nur die Nachfrage stellt die Händler vor eine große Herausforderung Nicht nur die Lieferzeiten spielen eine Rolle, auch die personelle Lage. "Niemand will sich mehr die Hände schmutzig machen, da fehlen Mitarbeiter in großen und in kleinen Betrieben", sagt Brenke. Er selbst sei Einzelkämpfer. "Ich arbeite bis zum Umfallen!" Die politischen Entscheidungen hätten ebenfalls zu den Schwierigkeiten auf dem Fahrradmarkt beigetragen. "Es wäre besser gewesen, einmal alles runterzufahren und langsam wieder zu öffnen, so können die Menschen seit Monaten nichts anderes machen als Laufen und Radfahren", so Brenke. "Es muss uns im Klaren sein, dass wir nicht mehr einfach losfahren und ein Fahrrad kaufen können. Die Wartezeiten sind wie beim Autokauf."

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