Landrat Spieker zum Abschied: "Hätte auf der B64 gern das Band durchgeschnitten"

Kreis Höxter. Wenn Corona es zulässt, will Friedhelm Spieker am Samstag seinen Amtskollegen in Paderborn, Manfred Müller, verabschieden. Spiekers letzte offizielle Amtshandlung als Höxteraner Landrat. Nach elf Jahren und zwei Amtsperioden geht der 65-Jährige zum Monatsende in den Ruhestand. Ein Amt, das er nach eigenen Aussagen mit Herz und Leidenschaft ausgeübt hat. Und bei dem es keine halben Sachen, sondern nur &bdquo;volles Programm" gebe. Ein persönlicher Rück- und Ausblick. Das hat mich als Landrat besonders emotional bewegt. &bdquo;Jede Menge Momente", sagt Spieker. Zuletzt bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Löwenmama Susanne Saage. &bdquo;Beeindruckend, welche Kraft sie damals nach der Erkrankung ihres Sohnes aufbrachte", sagt er und würdigt ihre Lebensleistung insgesamt. Überhaupt seien diese Verleihungen besondere Momente: &bdquo;Man merkt, wozu Menschen ehrenamtlich in der Lage sind." Das war meine schwierigste Situation in den Jahren als Landrat. &bdquo;Die jetzige Zeit – denn es gibt kein Buch darüber", sagt Spieker über Corona. Andere schwere Momente hatte er als &bdquo;typischer Vertreter des ländlichen Raumes" erlebt. Und führt den Kampf um den Ausbau der B 64 sowie um ein Regionales Bildungszentrum (RBZ) um Kreis Höxter an. Letzteres werde angesichts sinkender Schülerzahlen und des politischen Auftrags zur beruflichen Bildung &bdquo;händeringend" gebraucht. Davor stehe aber die Ministerialbürokratie. &bdquo;Nicht die Minister, die haben Verständnis." Da müsse er sich schon zurücknehmen, könne aber &bdquo; sehr deutlich werden und nicht nachlassen", wenn die Entscheidung nicht zufriedenstellend sei. Das wünsche ich meinem Nachfolger. &bdquo;Dass er seinen eigenen Weg geht", erklärt Spieker ohne Zögern. Sicherlich werde auch Michael Stickeln die Entwicklung des Kreises im Fokus haben. Doch er solle dabei viel Freude haben. Und die Kommunikation mit den Bürgern und den Mandatsträgern suchen – denn es gehe nicht allein. Als Landrat solle man sich immer auf seine Führungszirkel verlassen können, wenn es um Entscheidungen gehe. Das war meine Philosophie für den Job. &bdquo;Man kann den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen": In der Politik müsse man beweglich bleiben, um den Weg zu finden – doch das Ziel trotzdem kennen und nicht aus den Augen verlieren. Das hätte ich gern noch zu Ende gebracht. Den B 64-Lückenschluss – da hätte ich gern das Band durchgeschnitten", sagt er. Auch wenn man noch nie so weit gewesen sei wie heute: &bdquo;Es hat zu lange gedauert – da habe ich kein Verständnis." Ohne Corona, schätzt Spieker, hätte man im Oktober wohl den Planfeststellungsbeschluss in den Händen gehabt. &bdquo;Und ich hätte gern das Leuchtturmprojekt Corvey als Weltkulturerbe zum Strahlen gebracht." Man habe massiv Arbeit und Geld hineingesteckt – ganz OWL warte drauf. Das werde ich im Ruhestand als Erstes tun. Spieker lacht. &bdquo;Da habe ich an das Naheliegendste gedacht: Ich muss jetzt zuhause an den Gartenteich und ihn winterfest machen." Darauf freue ich mich am meisten. &bdquo;Auf den 17 Monate alten Enkel Levian Elias, meinen Augenstern." Aber auch auf ein Leben ohne Termindruck. &bdquo;Ich halte Stress ganz gut aus – aber kein freies Wochenende zu haben und am Montag anzutreten, ohne eine Erholungsphase gehabt zu haben . . ." Nun freut er sich auf Wochenenden ganz privat. Und im März kommt Enkelkind Nummer zwei. Das war mein schönstes Erlebnis in den vergangenen mehr als zehn Jahren. &bdquo;Als Corvey den Welterbe-Status bekommen hat, als die Glocken läuteten, weil die Entscheidung aus Doha bekannt geworden war." Das hat mich schlaflose Nächte gekostet – und ist dann gut geworden. &bdquo;Ich kann eigentlich ganz gut schlafen", sagt der Noch-Landrat. Hier und da habe er berufliche Themen im Unterbewusstsein weiterbearbeitet. Ein Block auf dem Nachttisch sei hilfreich – allerdings gibt Spieker schmunzelnd zu, habe er das Geschreibe der Nacht am Morgen nicht mehr entziffern können. Aber auch Joggen im Wald helfe, den Kopf klar zu bekommen und Lösungen zu finden. Verrückt gemacht habe ihn Corona, bekennt Spieker. &bdquo;Was macht das mit unserer Gesellschaft? Keine Umarmung, kein Schulterklopfen, Distanz halten. Das verändert unsere Gesellschaft. Da mache ich mir Gedanken." Er appelliert an die Menschen, die Spielregeln einzuhalten. Das hat mich in den Jahren verändert. Da müsse man seine Frau fragen, sagt der 65- Jährige. Sie meine, er sei gelassener geworden. &bdquo;Auch wenn der Sturm tobt, er wird sich austoben." Besser als dagegen anzukämpfen, sei zweimal kräftig durchzuatmen. &bdquo;Das funktioniert aber nur, wenn ich ein Ziel habe." Früher habe er Briefe diktiert, um Dinge, die ihn aufgeregt haben, geradezustellen. Dann habe er die Briefe nur noch diktiert und nicht mehr abgeschickt. &bdquo;Heute diktiere ich gar nicht mehr." "Zuhören – analysieren – umsetzen" Der oder das wird in den nächsten Wochen und Monaten meine wichtigste Aufgabe/Bezugsperson werden. Die Familie hat Spieker da im Blick. Jetzt wolle er etwas von der Obhut und dem Zuspruch an die Enkel weitergeben, die er einst den eigenen Kindern aus Zeitgründen nicht habe geben können. &bdquo;Keiner von ihnen wollte Landrat oder Bürgermeister werden", bemerkt Spieker lächelnd. Als bald zweifacher Opa seien dann &bdquo;beide Hände besetzt". Auch der Garten und seine Leidenschaft für Natur und Jagd – &bdquo;die Hege und Pflege" – gehören künftig zum Lebensmittelpunkt. Das ist die wichtigste Eigenschaft eines Landrats. &bdquo;Zuhören – analysieren – umsetzen. Und man muss Freude an der Arbeit haben." Er habe die Stunden nicht gezählt. Es gehe nicht ums Geld, sondern um Anerkennung und Akzeptanz der Arbeit. Das gehe nur zusammen mit den 800 Mitarbeitern im Haus und den Kreistagsmitgliedern. Diesen Traum werde ich mir jetzt im Ruhestand endlich erfüllen. Einen Traum habe er sich erfüllt – wiedergewählt zu werden. Nun gehe es um mehr Freizeit für Familie und Freunde: Auf die sei er stolz – auch dass sie so lange gehalten hätten und Freunde sogar Geburtstagsfeiern um seine Termine gelegt hätten, damit er dabei sein könne. Auch wolle er gern nach Corona wieder reisen. China, wo er mit vier Freunden war, nun mit seiner Frau erleben. Das oder den werde ich am meisten vermissen. &bdquo;Den durchstrukturierten Tagesablauf." Spieker bekennt: &bdquo;Da bin ich Jurist durch und durch." Ein halbes Jahr werde er brauchen, um sich im neuen Lebensabschnitt eine solche Struktur wieder zu erarbeiten. Das oder den am wenigsten. Spieker: &bdquo;Die gelegentliche Auseinandersetzung mit Mitmenschen, die das persönliche Wohlergehen immer über die Interessen der Allgemeinheit setzen." Das schätze und liebe ich besonderes am Kreis Höxter. &bdquo;Die Natur-und die Kulturlandschaft", sagt der Mann, der mal Biolehrer werden wollte. Die Symbiose könne begeisternd sein. &bdquo;Die bodenständigen Menschen schätzt ich." Die große Mehrheit denke positiv und sei an der vernünftigen Fortentwicklung der Heimat interessiert. Und er sei froh, dass es gelungen sei, vor Corona 440 Kilometer Glasfaserkabel im Kreis für den Breitbandausbau zu verlegen. Nun gehe man die Funklöcher an. Damit möchte ich mit meinem Namen und meinem Amt noch in den nächsten Generationen verbunden werden. Es seien der ländliche Raum und seine Innovationen, die ihn stolz machen, sagt Spieker über Vorzeigeprojekte und digitale Ideen, die überregional Beachtung fänden: &bdquo;Der ländliche Raum lässt sich nicht abhängen. Ein Riesen-Pfund sind seine ehrenamtlichen Akteure." Das war meine beste Entscheidung für die Menschen im Kreis. Nicht nachzulassen, um gleiche Lebensverhältnisse für die Metropolregionen wie auch für den ländlichen Raum hinter Dortmund und hinter der Egge zu bekommen – das sei sein Antrieb gewesen: Man habe gute Ideen platziert und tolle Förderprogramme bekommen. Es gehe jetzt darum, diese gleichen Lebensverhältnisse auch innerhalb des Kreises herzustellen. Deshalb habe man in Rettungswachen, Gesundheit und Ärzteversorgung investiert. Und die Familienfreundlichkeit etabliert – von der Kita mit dem Kitaplaner über die Schulen bis zu den Förderschulen: Dort stehe der Elternwille an erster Stelle, macht Spieker deutlich. Damit möchte ich die plötzlich vorhandene Freizeit ausfüllen. &bdquo;Zeitstress möchte ich nicht mehr haben", sagt der 65-Jährige entschieden. Deshalb werde er sich nicht mit Ehrenämtern zuschütten, sondern seine Arbeit beim DRK, im Corveyer Förderkreis Welterbe oder in der Umweltbildung (Modexen) fortführen, auch mal Neues ausprobieren. Diese Schlagzeile über mich möchte ich gern noch einmal lesen.&bdquo;Darüber habe ich lange nachgedacht", sagt Spieker. &bdquo;Eine heikle Frage. Ich bin nicht eitel und lasse da die Aussage der Regierungspräsidentin Judith Pirscher vom ,Super-Typen’ bei meiner Verabschiedung mal so im Raum stehen."

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