Höxter. Vor einigen Tagen enthüllte die sonst brünette Moderatorin Birgit Schrowange ihr Geheimnis: Ein Jahr lang trug sie eine Perücke, um ihr nachwachsendes graues Haar zu verdecken. In den 20 Jahren davor hat Schrowange gefärbt, um ihr Markenzeichen, die braune „Mähne" für das Fernsehen zu erhalten. Jetzt sind die grauen Haare lang genug für eine frische Frisur.
So wie Schrowange eine Perücke zu tragen, um das eigene Haar eine Zeit lang zu bedecken, machen es nur wenige. Mehr Menschen tragen krankheitsbedingt einen Haarersatz. Für sie ist die Zweitfrisur ein Gegenstand, der in einer schweren Lebensphase etwas Selbstwertgefühl erhalten kann, sagt Ruth Schneider. Sie betreibt seit zehn Jahren in der Nicolaistraße einen Friseursalon, in dem sie auch Perücken verkauft.
„Die Menschen verlieren durch Chemotherapie oder altersbedingt ihre Haare", sagt Schneider. Sie kämen dann psychisch angeschlagen in den Salon. Manche Krebspatienten haben bereits eine Perücke vom Krankenhaus erhalten, mit der sie unglücklich seien. „Ich rate immer, die eigenen Haare vor der Therapie abzuschneiden und schon Zweithaar zu tragen. Dann sieht man sie selbst nicht ausfallen und auch die Angehörigen bekommen den Wechsel kaum mit." Damit der Übergang vom eigenen zum künstlichen Haar nicht auffällt, nimmt Schneider sich Zeit, die richtige Perücke zu finden. „Frau Scheider begleitet die Kunden eigentlich eher, als dass sie verkauft", sagt Kerstin Schmidt, Mitarbeiterin des Salons. Schneider fragt den Kunden ausführlich nach seinen Vorstellungen und lässt sich alte Fotos geben, um genau die richtigen falschen Haare zu finden.
Schon so manches Schicksal hat sie begleitet. Besonders tragisch sei krankheitsbedingter Haarverlust für junge Mädchen. „Hier sind schon oft Tränen geflossen", sagt Schneider. Das sei aber für sie etwas Positives: „Zu weinen ist eine Befreiung. Es ist schön, wenn sich die Menschen bei mir fallenlassen können."
Um in einer solchen Situation den Kunden nicht zu überfordern, sucht sie gezielt Beispielmodelle heraus, die anprobiert werden können. Schneider trifft zuvor eine Vorauswahl aus mehreren Größen, 300 Farben und zahlreicher Frisuren. Möchte der oder die Betroffene lange oder kurze, glatte oder gelockte, feine oder schwere Zweithaare? Soll die Perücke einen dunkleren Haaransatz haben oder einfarbig sein? Die große Auswahl ist für Laien nur schwer zu überschauen.
„Eine falsche Beratung kann eine zusätzliche Belastung sein", daher sei es wichtig, sich viel Zeit für ein Gespräch zu nehmen. Doch nach dem Verkauf ist damit nicht Schluss: Auch bei der ersten Perückenwäsche ist Schneider mit dabei. „Auch Perücken brauchen Pflege und Reinigung." Sie zeigt den Kunden, wie das richtig geht. Ersatz aus Echthaar ist schwerer zu pflegen als Kunstfaser. „Ich rate daher Kranken lieber zu einer hochwertigen Kunsthaarperücke als zu einer aus echten Haaren", denn in der Therapiephase habe niemand die Kraft, sich auch noch ausgiebig mit der Zweitfrisurpflege zu beschäftigen.
Qualitäten
Mittlerweile gibt es so hochwertige Kunsthaarperücken, dass sie kaum von echtem Haar zu unterscheiden sind.Eine gute Zweitfrisur kann bis zu 1.200 Euro kosten. Im Krankheitsfall tragen die Krankenkassen bis zu 350 Euro (Betrag von der Kasse abhängig).
Wer keine Perücke möchte, kann auch ein Tuch tragen. Das einen bietet Kälteschutz.