Höxter

Vor zehn Jahren brannte der Felsenkeller in Höxter ab

Vom Ballhaus zur Brandruine

Nur noch Grundmauern: Die Überreste des Felsenkellers aus der Vogelperspektive. Die Natur hat das Areal und die Ruine erobert. Das Feuer vor zehn Jahren zerstörte das ehemalige Ballhaus bis auf die Grundmauern. | © Foto: Jens Reddeker

Amina Vieth
15.10.2016 | 15.10.2016, 16:19
In ganzer Pracht: Der Felsenkeller aus dem Jahr 1838 diente in den Jahrzehnten als Gaststätte, Lazarett und Diskothek. - © NW-Archiv
In ganzer Pracht: Der Felsenkeller aus dem Jahr 1838 diente in den Jahrzehnten als Gaststätte, Lazarett und Diskothek. | © NW-Archiv

Höxter. Einst ein schönes Ballhaus, dann eine gefeierte Diskothek und nun nur noch eine Ruine - der Felsenkeller. Von den glanzvollen Stunden in dem alten, großen Haus ist zwischen den Bäumen und Sträuchern, die die Ruine einhüllen, nichts mehr zu erahnen. Vor zehn Jahren, am 17. Oktober 2006, beendete ein Brand eine Ära. Das Gelände und die Ruine sollen bald zwangsversteigert werden, berichtet Uwe Linsdorf. Er betrieb den Felsenkeller gemeinsam mit Gabriele Brenke mehr als 20 Jahre.

Linsdorf ruft noch einmal die großen Konzerte, den Grund, warum er das Gebäude damals übernommen hatte, Höhen und Tiefen in Erinnerung. Und Hans-Jochen Lott, möglicher Investor, berichtet von seinen Plänen. 1982 übernahmen Linsdorf und Brenke das große Haus an der Wilhelmshöhe. Als Architekt sei es Linsdorf vor allem darum gegangen, das Haus zu erhalten und es vor dem Abriss zu bewahren. "Der vorige Eigentümer hatte einen Abrissantrag gestellt", so Linsdorf. Und er habe Kultur nach Höxter bringen wollen, wie er selbst sagt.

Abgebrannt: Ein Bild von den Löscharbeiten in der Brandnacht am 17. Oktober 2006. Das Haus war nicht zu retten. - © NW-Archiv
Abgebrannt: Ein Bild von den Löscharbeiten in der Brandnacht am 17. Oktober 2006. Das Haus war nicht zu retten. | © NW-Archiv

Treffpunkt
Im März 1982 hat Linsdorf gemeinsam mit Freunden und Kommilitonen mit der Sanierung begonnen, diese habe den ganzen Sommer über gedauert. "Es waren allein schon 80 Löcher im Dach." Als das Haus innen und außen "wieder ansehnlich" war, startete der Diskobetrieb. "Mit Freunden habe ich auch schon vorher Konzerte in Höxter organisiert, zum Beispiel in der Mensa der Hochschule", berichtet Linsdorf. Der Felsenkeller sollte ein Treffpunkt für alle Gesellschaftsschichten sein. Und das ist gelungen, wie Maikel Niebaum, Inhaber der Tattoo Manufaktur Höxter, sagt. Mitte der 80er bis Mitte der 90er ist er dort Stammgast gewesen. Aus der gesamten Region seien die Menschen gekommen. "Mittwochs, freitags und samstags war es dort immer richtig voll."

Das Besondere am Felsenkeller? "Er war ein Sammelbecken für alle Jugendkulturen und Spektren. Dort kamen Punks, Goths, Rocker und Popper zusammen, um zusammen zu feiern. Auch generationenübergreifend, von 16 bis 40 Jahren war alles dabei. Es war immer friedlich dort", erinnert sich Niebaum. Und das Ambiente sei einmalig gewesen. Der Charme des alten Ballhauses sei noch zu spüren gewesen. Die über die Jahre gewachsene Dekoration habe zur außergewöhnlichen Atmosphäre in den alten Mauern beigetragen. "Plakate aus den 60er-Jahren, Bierwerbung aus den 50ern hingen beispielsweise an den Wänden", so Niebaum. Die Jahrzehnte, die das Haus bereits existierte, hätten sich darin widergespiegelt. "Es war ein Stück Geschichte."

Konzerte
Es sei nicht immer einfach gewesen, namhafte Bands in die Weserstadt zu holen. Aber mehr als einmal sei es gelungen, große Künstler für Auftritte im Keller, wie die Disco kurz genannt wurde, zu gewinnen. "Die Ärzte, die Toten Hosen und die Commodores waren beispielsweise da." Besonders im Gedächtnis geblieben ist Linsdorf das Konzert der Band Liquido, die mit ihrem Song "Narcotic" ihren Durchbruch feierte. "Das war ein Hüpflied", sagt Linsdorf und erinnert sich noch genau an den Auftritt. "Sie spielten das Lied zu Beginn des Konzerts, mehr als 800 Gäste hüpften dazu. Und das auf dem alten Holzparkett. Ich hatte Sorgen, dass die Wände anfangen zu wackeln", so Linsdorf und schildert weiter: "Zum Schluss spielten sie den Song dann noch einmal, und die Leute waren richtig in Stimmung und hüpften noch mehr. Da dachte ich: Das war es jetzt. Das halten der Boden und die Wände nicht. Aber es ist zum Glück alles gutgegangen. Es war ein tolles Erlebnis."

Aufwand
Es habe schöne Zeiten gegeben im Felsenkeller, so Linsdorf. Aber auch schwierige. Denn das Haus zu unterhalten, sei vor arbeits- und kostenintensiv gewesen. "Wir hatten immer Handwerker im Haus, oder wir haben es mit Freunden selbst gemacht", sagt Linsdorf und erinnert an die alte Heizungsanlage aus den 50er-Jahren. Diese sei durch eine Ölheizung ersetzt worden. "Das Haus hatte 8.000 Kubikmeter Rauminhalt. Im Winter stand der Tankwagen teilweise einmal im Monat vor der Tür." Auch Höxters Künstler James Donnachie habe am Haus mitgewirkt - statt als Maler aber als Handwerker. Er habe geholfen, die Kamine auf dem Dach zu erneuern, so Linsdorf.

Kampf um den Keller
Die Zukunft der Diskothek war mehr als einmal ungewiss. 1986 gab es eine Rettungsaktion für den Felsenkeller. Damals engagierten sich "Schüler für den Felsenkeller". Sie organisierten eine Demonstration unter dem Motto "Rettet den Felsenkeller" (NW vom 18. Januar 1986). Der Felsenkeller blieb schließlich erhalten, die Party ging weiter. Ärger mit den Behörden habe es aber häufig gegeben, sagt Linsdorf. Vor allem wegen der Sperrstunde um 1 Uhr. Anwohner hätten sich häufig über den Krach beschwert. Auch in den 90er-Jahren stand der Erhalt des Kellers auf der Kippe. Für einen Privatmann sei er "nicht haltbar", die Sanierung zu teuer. Linsdorf argumentierte damals, es sei eine "moralische Verpflichtung" der Stadt, das Haus zu erhalten. Die Stadt wiederum entgegnete: "Eigentum verpflichtet." (NW vom 16. Juli 1997)

Auch Linsdorfs Idee, den Felsenkeller als historische Stadthalle zu nutzen, wurde letztlich von der Stadt nicht unterstützt. Auch wenn Felsenkeller-Anhänger immer wieder die Bedeutung des Kellers für Höxter herausstellten. Und auch der damalige Bürgermeister Hermann Hecker räumte ein, dass "das 1897 als Bergrestauration Felsenkeller erbaute Anwesen für Höxter in der Tat hohen Stellenwert" hat (NW vom 16. Juli 1997). Letztlich blieb die erhoffte Unterstützung seitens der Stadt aus und die Besucherzahlen sanken, bedauert Linsdorf. Ein Feuer zerstörte dann in den frühen Morgenstunden des 17. Oktober 2006 das denkmalgeschützte Haus. Der Schaden belief sich auf rund eine Million Euro. Die Bausubstanz konnte nicht wiederhergestellt werden, der Wiederaufbau war nicht mehr möglich.

Zukunft
Der Weg zum Gelände von der Bundesstraße 64 ist völlig zugewachsen und kann nur noch erahnt werden. Die Trümmer sind zugewuchert. Ein Bauzaun grenzt das Gelände ab. Diesen überprüfe Linsdorf regelmäßig, berichtet er. Demnächst komme das 10.000 Quadratmeter große Gelände, "von denen 5.000 Quadratmeter bebaut werden können", unter den Hammer, sagt Linsdorf. Ein möglicher Investor ist Hans-Jochen Lott. Gemeinsam mit zwei weiteren Interessenten wollte er dort sechs oder sieben Einfamilienhäuser errichten.

Aber die Zeit werde knapp, denn die drei Interessenten "sind alle schon gesetzteren Alters", so Lott. Und das Prozedere ziehe sich in die Länge. "Wir verlieren langsam das Interesse, wenn es noch länger dauert", sagt der Bielefelder Lott, der in Höxter zur Schule gegangen ist und bereits ein Haus neben dem Felsenkellergelände erworben hat. Was seiner Meinung passieren muss? "Das Gutachten zur Beseitigung der Überreste muss das Erste sein, was vorliegt. Wenn wir das nicht bald kriegen, ist es zu spät", so Lott.