
Höxter. Ein lauter, kurzer Knall oder bunte Streifen am Himmel - zu Silvester wird es feurig. Doch der Spaß am Feuerwerk hört auf, wenn Verbrennungen und Augenverletzungen die Folgen sind. Notarzt Hendrik Hinrichs und Kreisbrandmeister Rudolf Lüke erklären, was bei Pyrotechnik zu beachten - und was im Ernstfall zu tun ist. Mit Sand gefüllte Latexhandschuhe und eine Puppe dienen als Versuchsobjekte.
Der Böller fliegt nicht weit genug, die Rakete landet unterm Carport statt in die Luft. Schnell kann der Spaß am Jahreswechsel vorbei sein. Hendrik Hinrichs ist leitender Oberarzt der Inneren Abteilung am St.-Rochus-Krankenhaus Steinheim, in Höxter ist er als Notarzt aktiv. Zu Silvester ist er schon einige Einsätze gefahren. "Oft sind es Verbrennungen und Augenverletzungen, verursacht durch falsche Handhabung der Feuerwerkskörper", so der Mediziner.
Leichte Verbrennungen bis zu zerfetzten Hautpartien oder sogar dem Verlust von Gliedmaßen können Folgen der Explosionen sein. Auch das Knalltrauma sei nicht zu unterschätzen - "vorübergehende Schwerhörigkeit bis zum Gehörverlust". Und Wunderkerzen als ungefährlich abzutun, sei gefährlich. Denn die Funken können in den Augen zu folgenschweren Verletzungen führen.
Wie gravierend der falsche Gebrauch von handelsüblichen Feuerwerkskörpern ist, zeigt der Versuch an einer Puppe, die mit sandgefüllten Latexhandschuhen ausgestattet ist. Die Böller für das Experiment stammen von einem der größten Feuerwerkshersteller Deutschlands. Das gemischte Paket trägt den Namen "Bomben Spektakel". Als Erstes soll ein "Super Böller II", größer als ein D-Böller, angezündet werden. Alle Feuerwerkskörper sollen trocken und kühl gelagert werden, so Hinrichs. Zudem sollten nur Knallkörper mit Prüfzeichen des Bundesamtes für Materialforschung- und Prüfung (BAM) und einem CE-Siegel verwendet werden, rät Rudolf Lüke. Das trifft bei den Böllern für das Experiment zwar zu. Aber die Böller sind beschädigt, eingedrückt, die Hülle teilweise zerrissen, die Hinweise kaum lesbar, ein Verfallsdatum gibt es nicht. "Das darf nicht sein. Da müsste man sich mal an den Hersteller wenden und das hinterfragen", so Hinrichs. Er rät, solche Knallkörper nicht zu verwenden, ebenso wenig welche mit abgelaufenem Verfallsdatum oder schon einmal angezündeter Lunte.
Einer der "Super Böller II" ist brauchbar und wird in die sandgefüllte Hand an der Puppe gesteckt. Acht Meter Abstand sollen laut Gebrauchsanweisung gehalten werden. "Es ist immer wichtig, die Anleitung zu lesen", so Lüke. Dadurch könnten schon viele Fehler im Umgang mit den Knallkörpern vermieden werden. Die Lunte wird angezündet, schnellen Schrittes weggelaufen. Nach wenigen Sekunden ertönt bereits der laute Knall, eine weiße Wolke steigt auf. Hinrichs begutachtet die Auswirkung der Explosion. Am Unterarm sind verkohlte Stellen zu sehen, der Handschuh ist teils schwarz und aufgerissen. "Das wären vermutlich schon Verbrennungen zweiten Grades", so Hinrichs.
Das Experiment geht weiter - mit zwei Böllern. Es sind zwei laute Explosionen kurz hintereinander zu hören, die Zündschnüre waren vermutlich unterschiedlich lang, Fetzen des Böllers fliegen umher. Ein Blick auf die Versuchspuppe: Die Verbrennungen sind am Unterarm und an der Hand gravierend. "Das müsste sofort behandelt werden", so der Experte.
Wer sich verbrennt, sollte die betroffenen Stellen kühlen, "mit Wasser zwischen 10 und 20 Grad Temperatur". Je nach Schwere der Verbrennung müsse ein Notarzt gerufen werden. Bei Augenverletzungen müsse das Auge ausgespült werden. Auch bei einem Knalltrauma sollte man den Notarzt rufen, "da kann man selbst nichts machen".
Auch die Freiwillige Feuerwehr ist zu Silvester wachsam, "man spricht sich ab, wer Bereitschaft macht oder sich bei Feiern zurückhält, um einsatzbereit zu sein", erklärt Kreisbrandmeister Lüke. Bisher habe es keine gravierenden Einsätze wegen Bränden durch Feuerwerke gegeben. "Zum Glück." Silvester sei nicht mehr los als zu anderen Festen. Wenn Alkohol - teils auch zu viel Alkohol - konsumiert werde, gebe es mehr Einsätze. "Es sind aber häufig Unfälle, die damit in Zusammenhang stehen", so Lüke. Notarzt Hinrichs nickt zustimmend.
Damit Brände und auch Unfälle durch Feuerwerkskörper vermieden werden, rät Lüke: "Die Feuerwerkskörper nur unter freiem Himmel, bei freier Flugbahn und auf freier Fläche zünden." Für Raketen sei eine leere Flasche in einer Kiste geeignet. Eine lose Flasche könne umfallen und die Rakete dann unterm Auto oder zwischen den Gästen landen. Alle Fenster in der Umgebung sollten geschlossen sein. "Ein Eimer Wasser, der griffbereit steht, oder der funktionstüchtige Gartenschlauch in der Nähe sind ratsam", sagt Lüke.
Da gerade in Verbindung mit Alkohol einige Personen leichtsinnig würden, gibt Lüke zu bedenken: "Nicht nur man selbst, sondern andere können ebenso verletzt werden. Der Verursacher muss dann haften. Das fällt unter Körperverletzung." Auch Hinrichs warnt vor dem Übermut beim Silvesterfeuerwerk: "Wenn es zu einer Verletzung kommt, werden aus ein paar Sekunden Spaß lebenslange Folgen."
Als Beispiel dafür steht die Versuchspuppe. Wäre es ein Mensch, der die Böller in der Hand hätte explodieren lassen, wären zwar noch alle Gliedmaßen da, aber die Haut verbrannt, wenn nicht sogar zerfetzt. "Die Narben bleiben ein Leben lang", so Hinrichs.