Nach der Lawine in Brakel: Wie ein Dorf gemeinsam gegen den Schlamm kämpft

Brakel-Erkeln. Schlamm, Unrat, demolierte Autos: Als am Morgen nach dem schweren Unwetter gegen 6.50 Uhr die Sonne aufgeht, wird so langsam das gesamte Ausmaß der Katastrophe sichtbar. Der ganze historische Ortskern des 550-Seelen-Dorfes ist im Schlamm versunken. Fassungslosigkeit zeichnet sich auf vielen Gesichtern ab, einige kämpfen mit den Tränen. Und immer wieder der gleiche Satz: &bdquo;So etwas haben wir hier noch nicht erlebt." Die Schlammlawine wälzte sich gegen 22 Uhr nach einem vergleichsweise kurzen, heftigen Starkregen durch die Straßen. Von mehreren Hängen hatten sich nasse Erdmassen von den frisch gepflügten Feldern gelöst und ergossen sich in Keller und Erdgeschossräume. Auch wenn die ehrenamtlichen Kräfte der Feuerwehr die ganze Nacht im Einsatz waren – das große Aufräumen begann am Morgen danach. &bdquo;Wir haben zwischen fünf und sechs Uhr eine kurze Pause gemacht, Kaffee getrunken und die Lage besprochen", berichtet Einsatzleiter Christopher Pöppe von der Löschgruppe Erkeln. Mobile Einsatzzentrale Gemeinsam mit Simon Kleibrink, der eigentlich bei der Kreisleitstelle in Lippe arbeitet, hat er mitten im Schlamm in der Dorfmitte eine mobile Einsatzzentrale aufgebaut: Ein Tisch mit Getränken und Essen, ein paar Plastik-Stühle und ein Flipp-Chart. Auf ihm sind alle aktuellen Einsätze verzeichnet. 24 sind es im ganzen Dorf. Davon allein 15 Keller, die nur mit Güllepumpen von Landwirten leergepumpt werden können. Der Feuerwehr fehlt dafür das technische Gerät. Kleibrink sucht immer wieder Einsatzstellen auf. Er nimmt sein inzwischen völlig verschmutztes Fahrrad. Zu Fuß würde es zu lange dauern, mit dem Auto gibt es kein Durchkommen. Überall schippen die Erkelner den Schlamm aus ihren Wohnungen, Garagen und Vorgärten auf die Straßen, werfen verschmutzten Unrat in bereitgestellte Container. Eine junge Frau verzweifelt im Vorgarten Mit jeder Schaufel wird der Schlamm schwerer. Eine junge Frau steht verzweifelt in ihrem Vorgarten. Wo gestern ihre Blumen standen, ist jetzt nur noch noch eine braune, klebrige Masse. &bdquo;Alles hin", sagt sie kopfschüttelnd. Sie versucht zu lächeln, doch ist zugleich den Tränen nahe. Auch der Anbau ist voller Schlamm. Sie wischt sich den Dreck aus dem Gesicht. Ihr Mann ist gerade in Rumänien. &bdquo;Ich bin ganz allein", sagt sie leise. Ein paar aufmunternde Worte, mehr können die Nachbarn ihr nicht helfen. Sie haben selbst alle Hände voll zu tun. Auch ihr Keller ist vollgelaufen, dazu die Garage und der Stall. &bdquo;Zum Glück haben wir keine Tiere mehr", sagt Hildegard Potthast und schaufelt weiter. Zum Reden ist jetzt nicht viel Zeit. Der Schlamm muss weg, bevor er trocknet, denn dann wäre er hart wie Beton. Deshalb hilft ihr der 16-jährige Markus Diek, der schon in der Nacht mitgeschaufelt hat. Zur Unterstützung hat er einen Verwandten mit Radlader organisieren können. &bdquo;Ich bin beeindruckt, wie viele Leute hier helfen und wie sehr der Ort zusammenrückt", sagt der Jugendliche. Denn auch an vielen anderen Stellen sind Helfer aus dem Kreis mit ihrem schweren Gerät im Einsatz. Spontan, ehrenamtlich, ohne langes Gerede. Es sind Erfahrungen wie diese, die den Erkelnern an diesem schweren Tag Mut machen. Denn sie wissen, dass es Wochen, wenn nicht gar Monate dauern wird, bis Häuser und Gärten wieder so schön wie vorher aussehen werden. Auch wenn der Dreck mit Unterstützung vieler Helfer beseitigt werden kann, bleibt etwas zurück: Die Angst, dass die Schlammmassen wieder kommen werden. Denn auch wenn alle über das einmalige Ausmaß entsetzt sind: Es gab schon einmal eine ähnlich schlimme Schlammlawine in Erkeln, wie sich Werner Potthast erinnert. Im Jahr 1975.

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