Abenteuerliche Flucht in den Westen in einem viel zu kleinen Flugzeug

Borgentreich/Höxter. Eine besondere Geste für einen Kameraden mit einer besonderen Geschichte: Zu Ehren von Ladislav Bezák aus Bühne flogen Piloten des Höxteraner Luftsportvereins jetzt eine &bdquo;Missing Man"-Ehrenformation mit fünf Flugzeugen über dem Flugplatz Höxter-Holzminden. Ladislav Bezák war im Alter von 57 Jahren nach kurzer Krankheit unerwartet am Samstag vorletzter Woche verstorben. Einem waghalsigen Flugmanöver verdankt der Jumbo-Jet-Pilot der Lufthansa aus dem Alsterdorf sein Leben, das seiner Eltern und seiner drei Brüder. Es ist die Geschichte einer dramatischen Flucht am Ende der 1960er Jahre aus der kommunistisch-regierten Tschechoslowakei. Da war Bezák acht Jahre alt, sein Vater 39 und ein hoch angesehener Kunstflieger. 1960 hatte Vater Bezák die erste Kunstflugweltmeisterschaft in der Tschechoslowakei gewonnen, vier Jahre später die Vizeweltmeisterschaft ins Land geholt. Als Pilot der tschechoslowakischen Luftfahrtgesellschaft CSA und auf internationalen Flugschauen, bei denen er sein akrobatisches Können zeigte, verdiente Bezák nicht schlecht. Doch im sogenannten &bdquo;Prager Frühling", bei dem russische Truppen im Sommer 1968 ins Land einmarschiert waren, um im sozialistischen Land angestoßene Reformen niederzuschlagen, wurde auch die Lebensweise des renommierten Piloten beargwöhnt. Zu den Vorstellungen der Machthaber während der Säuberungsaktionen passten eine Villa in Prag, ein Bungalow auf dem Land, zwei Wartburg-Limousinen, ein Motorboot und ein Flugzeug, die Bezák damals sein Eigen nannte, so ganz und gar nicht ins Bild. "Wir machen einen Ausflug" Ein Parteimitglied warnt ihn kurz vor dem Weihnachtsfest 1969, nach dem Wochenende stehe seine Verhaftung an. Vater Bezák überlegt nicht lang, packt seine Frau und die vier Söhne in seine zweisitzige Zlin Z-226, die er aus alten Teilen zusammengeschraubt hatte, und wagt gleich am nächsten Tag den riskanten Flug in den Westen. &bdquo;Wir machen einen Ausflug", hatte er den Kindern gesagt. Mit sechs Personen an Bord ist der Kunstflieger völlig überladen, der geplante Start auf einem Acker misslingt, die Familie muss auf dem Flugfeld in Kladno heimlich zusteigen. Dass die kleine gelbe Maschine überhaupt hochkommt, &bdquo;war ein Wunder", bemerkt Bezák in der Zeitschrift Quick, die später unter dem Titel &bdquo;Sturzflug in ein neues Leben" exklusiv über die Flucht berichtete. In der Luft habe sie sich nur mit Vollgas gehalten. Dann taucht ein MIG-Jäger neben dem Flugzeug auf. Nach Fliegermanier winkt Vater Bezák zur Begrüßung mit den Tragflächen, will den Jetpiloten täuschen. Die Militärmaschine dreht ab, taucht dann aber hinter ihm wieder auf – und feuert. Leuchtspurgeschosse schnellen an der Pilotenkanzel vorbei. Bezák steigt vom Gas, fast senkrecht sackt die Maschine ab, die MIG schießt über die Familie hinweg, während der Schreck der Mutter und den Brüdern in die Glieder schießt. Bis auf Sohn Ladislav. Der jauchzt dem Vater auf dem Pilotensitz hinter ihm ein heiteres &bdquo;Mensch Papa, toll" entgegen. "Papa, so schön bin ich noch nie geflogen" Bezák rettet seine Familie in eine schützende Wolkendecke 300 Meter über dem Boden. Im Tank findet sich kein Tropfen Sprit mehr, als er jenseits der Grenze auf der Piste des Flughafens in Nürnberg landet. Mitten auf der Rollbahn bleibt der Motor stehen. &bdquo;Papa, so schön bin ich noch nie geflogen", zitiert der gelernte Maschinenbauingenieur, diplomierte Ingenieur für Flugzeugbau, Pilot und erfolgreiche Sportflieger in der Quick die Worte seines Ältesten nach der glücklichen Landung. Bis die Familie in der Bundesrepublik politisches Asyl erhält, dauert es gut zehn Jahre. Ein Flugzeug in Privatbesitz hinter dem Eisernen Vorhang? Das lässt den Verdacht aufkommen, der Pilot sei ein Spion. Ladislav Bezák senior starb vor zwei Jahren mit 86 Jahren in seinem Haus in Borgentreich-Bühne. Bezáks gleichnamiger Sohn Ladislav hatte zunächst Physik studiert, um dann seinem Vater in der Verkehrsfliegerkarriere zu folgen. Er war bei der Lufthansa Kapitän einer Boeing 747. &bdquo;Mehr kann man nicht erreichen", sagt Luftsport-Vereinsvorstand Nikolaus Müller. Bis zu seinem plötzlichen Tod hatte Bezák ebenfalls in Bühne gelebt. Verein möchte Flugzeug reparieren Der MIG-Pilot, der den Flüchtenden so dicht auf den Fersen gewesen war, habe die Kinder in der Kanzel gesehen und trotz Befehl die Maschine nicht abgeschossen, sagt Müller. Nach der Wende habe Bezák mit einem Freund sein Elternhaus besucht. Im Wohnzimmer habe er das Quadrat, das der Vater in der Nacht vor der wagemutigen Flucht auf den Fußboden gemalt habe, noch gefunden. Damit hatte der Pilot getestet, wie sich fünf Personen vorn im engen Cockpit einzwängen konnten. Das legendäre Flugzeug steht in einer Halle am Flugplatz in Höxter-Brenkhausen. Der Verein möchte es reparieren und gern wieder in die Luft bringen. &bdquo;Es wieder aufzubauen, hatte sich Ladi als Projekt für die Zeit als Rentner vorgenommen", sagt Müller.

Meistgelesen