Influencer aus Beverungen erreicht Millionen Teenager auf Tik-Tok

Beverungen. 90.000 Menschen folgen ihm aktuell auf der Social-Media-Plattform Tik-Tok im Internet - Tendenz stark steigend. Mit seinen wissenschaftlichen Inhalten erreicht Tim Vollert vor allem junge Leute: "Jeden Monat kommen etwa 10.000 hinzu", sagt der Vorsitzende der jungen Sozialisten (Juso) im Kreis Höxter. Auch auf Youtube und Instagram ist Vollert aktiv. Etwa 200.000-mal werden seine Videos auf Tik-Tok monatlich aufgerufen. "Das schwankt relativ stark, es waren auch schon mal deutlich über eine Millionen", sagt er. Als einer der Social-Media-Manager für die Parteizeitung der SPD in Berlin kennt sich Vollert mit diesen Themen bestens aus. Im Frühjahr letzten Jahres reagierte er auf Twitter auf einen Beitrag eines anderen Tik-Tok-Nutzers, in dem dieser beklagte, keinen Sitzplatz im Zug bekommen zu haben, obwohl er einer der "größten deutschen TikToker" sei. "Total arrogant", findet Vollert. Deshalb konterte der junge Politiker aus Beverungen schlagfertig. Auch Jan Böhmermann reagierte auf den Post "Solange diese Ungerechtigkeit existiert, kann man von den Menschen nicht erwarten, auf ihr Auto zu verzichten", so Vollerts augenzwinkernde Reaktion über Twitter. Auch Medienstar Jan Böhmermann sowie die Deutsche Bahn selbst reagierten auf den Beitrag, der insgesamt viel Kritik erntete. So schlug das Ganze bundesweit recht große Wellen - und es folgte ein in positiver Weise verhängnisvolles Missverständnis: "Auf einmal erreichten mich zahlreiche Nachrichten von Menschen, die davon ausgingen, ich sei der Typ aus dem Zug. Daraus entstand ein Running-Gag, Tim Vollert, der größte Tiktoker Deutschlands", sagt der Beverunger mit einem Lächeln. Für den jungen Politiker der erste wirkliche Kontaktpunkt mit der Videoplattform Tik-Tok. "Wenn die Leute ohnehin davon ausgehen, ich sei dort aktiv, kann ich es ja auch einfach ausprobieren", dachte sich Vollert. "Ich wollte aber auf keinen Fall direkt politische Inhalte veröffentlichen." Vollert, der momentan Physik studiert, nahm sich zum Ziel, über soziale Medien wissenschaftliche Fakten rund um unseren Kosmos gerade an ein junges Publikum weiterzugeben. "Drei Minuten Wissen" heißt sein Kanal auf Tik-Tok. Dort beschäftigt sich Vollert seriös, aber simpel und kurz (daher "drei Minuten") mit Fragen wie: was war vor dem Urknall? Wie funktioniert unsere Realität überhaupt und gibt es aus physikalischer Sicht einen Sinn des Lebens - und wenn ja, welchen? "Gerade die Altparteien sind auf TikTok kaum aktiv. Dafür ist das rechte Spektrum mehr vertreten. Man merkt, wie viele Menschen sich in einer Filterblase aufhalten und auf gewisse Mythen und falsche Erzählungen hereinfallen", sagt Vollert. So seien auch Nachrichten von Klimaleugnern und Impfgegnern in seinem Postfach gelandet. Mit seinen Beiträgen will Vollert also auch Aufklärung leisten. "Ich bekomme sehr positive Rückmeldungen, die Menschen fühlen sich ernstgenommen, auch durch die Möglichkeit, ganz unmittelbar Fragen stellen zu können. Und es entsteht viel schneller eine Vertrauensbasis." Ein direkter Austausch mit jungen Menschen - seine Follower sind nach eigener Aussage häufig nicht älter als 15 Jahre - der beispielsweise in der Politik nur selten so produktiv vorkomme. Deshalb sendet Vollert auch regelmäßig live auf TikTok, um noch direkter auf die Fragen seiner Community eingehen zu können. Er selber trennt seine Inhalte ganz klar von seinem politischen Engagement und seiner Arbeit für die SPD. Die sozialen Medien als politisches Instrument sieht Vollert aber generell als Chance - und als Risiko: "Ich merke fast täglich, dass viele Nutzer schon lange in rechten Filterblasen unterwegs sind." Der Austausch ist für beide Seiten sinnvoll Die Algorithmen hinter den Netzwerken feuerten das an: "Man bekommt dann nur noch ganz ähnliche - oft ideologisch geprägte - Inhalte zugespielt. Da kommt man teilweise nur noch schwer heraus", weiß der Content-Creator. Ein Effekt, den er auch an sich selbst bemerke. "Man sollte auch die eigene Filterblase hinterfragen. Wenn man viel im linken Spektrum unterwegs ist und sich jahrelang mit dem Klimaschutz beschäftigt, vergisst man schnell, wie der Kenntnisstand bei anderen Menschen ist, die politisch nicht so aktiv sind." So sei der Austausch auf beiden Seiten sehr sinnvoll - Stichwort: Bürgernähe. Noch verdient Tim Vollert trotz hunderttausender Klicks auf seine Videos kaum Geld mit Tik-Tok - anders als viele andere. Denn die Anfragen von potenziellen Werbepartnern lehnte er bisher ab. Auch, um seine Unabhängigkeit zu bewahren. "Ob das in Zukunft so bleibt, ist noch nicht klar. Der Aufwand wächst und wächst momentan." In den nächsten Monaten plant Vollert, der auch Vorsitzender der Klimabewegung Fridays for Future im Kreis Höxter ist, den Start eines Podcasts und die Veröffentlichung eines Buches zu ähnlichen, wissenschaftlichen Themen. Vollert bleibt der SPD treu "Wenn man sich unsere relativ kleine blaue Kugel anschaut, wird klar, dass wir einfach viel mehr für unseren Planeten tun müssen", schlägt Vollert die Brücke zu den politischen Themen, mit denen er sich sonst so häufig auseinandersetzt. Der SPD will Vollert übrigens erst einmal treu bleiben - trotz seines Erfolgs im Internet.

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