Atommüll in Würgassen: Kritik gesehen, aber anders bewertet

Beverungen-Würgassen. Die Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) frohlockt, denn die Stellungnahme der Entsorgungskommission (ESK) des Bundes zeige, dass &bdquo;die Entscheidung der BGZ, das Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks Würgassen für das Logistikzentrum Konrad (Lok) als Standort zu nutzen, korrekt und nachvollziehbar erfolgt“ sei. Während sie nun auf eine schnelle Entscheidung für den Bau eines Logistikzentrums in Würgassen hofft, sehen die Kritiker viele Fragen weiterhin offen. Ein Kritiker der ersten Stunde ist Dirk Wilhelm. In seinen Augen strotzt die Stellungnahme vor Fehlern &bdquo;und wir werden die Mängel darlegen“. Somit skizziert er, was für die Bürgerinitiativen nun in ihrem Selbstverständnis zu tun ist: Der Widerstand geht weiter. Und die Aktivisten werden den Behörden weiter deren in ihren Augen widersprüchliche Argumentation unter die Nase reiben, wie auch eine Stellungnahme von Martin Ahlborn, dem Vorsitzenden der Initiative Atomfreies Dreiländereck, deutlich macht: &bdquo;Die Argumentationskette der Entsorgungskommission ist trotz der Aufweichung insgesamt derart lückenhaft und teilweise fehlerhaft, sodass die Bürgerinitiative hierauf noch detailliert reagieren wird.“ Unter dem Vorsitz von Beverungens Bürgermeister Hubertus Grimm hat sich ein Standort-Arbeitskreis gegründet – und dort ist die Enttäuschung groß. Die Entsorgungskommission war Ende April mit dem Arbeitskreis in Lauenförde zusammengetroffen, um sich ein Bild vom Standort zu machen und sich die Argumente vortragen zu lassen, die gegen den Standort sprechen. Dabei hatten Fachgutachter vor allem die Themen Hochwasserschutz, Geologie und Verkehrsinfrastruktur beleuchtet und auf gravierende Mängel hingewiesen, die Würgassen in den Augen der Kommunalvertreter ungeeignet für ein Bereitstellungslager machen. Die ESK hatte anschließend eine 23-seitige Stellungnahme verfasst. ESK widerspreche eigenen Kriterien &bdquo;Leider verlässt die ESK mit dieser Stellungnahme ihre eigenen ursprünglich vor der Auswahlsuche aufgestellten Kriterien“, urteilen die Mitglieder des Arbeitskreises nun. Das wird in ihren Augen sowohl beim Hochwasserschutz als auch bei der Verkehrsanbindung &bdquo;mehr als deutlich“. Ursprünglich hatte die ESK einen hochwasserfreien Standort gefordert. &bdquo;Nun scheint es zu genügen, den Standort mit erheblichen Aufschüttungen weitgehend vor Hochwasser zu schützen. Das ist nicht nachvollziehbar.“ Von Beginn an wurde aus der gesamten Region kritisiert, dass der fehlende zweigleisige Bahnanschluss, die teilweise maroden Bahnbrücken, die vorhandenen engen Tunnel, die engen Ortsdurchfahrten und die lange Entfernung zu Autobahnen vor allen Dingen auch unter Sicherheitsaspekten gegen den Standort Würgassen sprechen. &bdquo;Zwar sieht die ESK dieses auch kritisch, aber nicht als Ausschlusskriterium. Auch hier hat man die eigenen Kriterien deutlich aufgeweicht“, heißt es in der Stellungnahme des Arbeitskreises. Zudem werde nun von Transportmengen ausgegangen, die von der planenden BGZ deutlich höher veranschlagt würden. Der Beverunger Rathauschef äußert sich selbst zu der Entwicklung: &bdquo;Mit dieser Stellungnahme der ESK werden leider viele von uns vorgetragene Argumente negiert. Sehenden Auges will man an einem Standort festgehalten, der nicht geeignet ist.“ Noch könne sich das Bundesumweltministerium &bdquo;die vielen Sachargumente zu eigen machen, die gegen Würgassen sprechen und eine andere Entscheidung treffen“. Vor allen Dingen auch im Hinblick auf die Energiewende betrachtet Grimm Würgassen als &bdquo;viel zu wertvoll, um dort ein Atommülllager anstatt einer Produktionsstätte für regenerative Energien zu errichten“. Das müsse nun auch noch einmal vom Land NRW deutlich gemacht werden. Grimm: &bdquo;Wenn man dennoch an Würgassen festhalten wird, dann werden wohl am Ende Gerichte darüber befinden, ob in Würgassen gebaut werden kann oder nicht“. Auch der heimische Verkehrspolitiker und Landtagsabgeordnete Matthias Goeken sieht die ESK-Stellungnahme besonders im Hinblick auf die Verkehrssituation kritisch. &bdquo;Zur Geologie und zum Hochwasser kann ich nichts sagen, aber die Infrastruktur kann ich sehr gut beurteilen“, sagt er im &bdquo;NW“-Gespräch. Ihm fehle jede Fantasie, wie die BGZ Lösungen für die vorliegenden Verkehrsprobleme finden will. &bdquo;Unsere aufgezeigten Mängel werden zwar gesehen, aber anders bewertet“, sagt er. Noch sei zwar nichts entschieden, aber er habe Angst, dass die Entscheidung im Herbst durchgeboxt werde. &bdquo;Wir müssen uns noch mal massiv äußern“, sagt er. BGZ hofft auf schnellen Baubeginn Der Beverunger Bundestagsabgeordnete Christian Haase ist enttäuscht. &bdquo;Es ärgert mich, dass die Kriterien von der ESK so aufgeweicht wurden. Sie waren die Grundlage für die Auswahl der Flächen. Eigentlich müsste man die Auswahl jetzt auf Null setzen“, sagt er. Außerdem werde der planerische Aspekt außer acht gelassen. Auch im Falle Würgassen würde geklagt werden, daher gebe es keinen Grund die Auswahl des Standortes Braunschweig aufgrund von fehlenden Nutzungsrechten und dem aus Sicht des ESK daraus resultierenden erheblichen zeitlichen und rechtlichen Risikos nicht weiter zu verfolgen. Das Bundesumweltministerium werde die Stellungnahme nun genau prüfen, heißt es, bleibe aber dabei, dass für die Entsorgung des Atommülls im Schacht Konrad ein zentrales Bereitstellungslager unabdingbar vorgeschaltet werden muss. Der Generalbevollmächtigte der BGZ für das Logistikzentrum, Christian Möbius, hofft indes schon auf einen Baubeginn: &bdquo;Je schneller der radioaktive Abfall unter die Erde gebracht werden kann, desto besser ist das für die Sicherheit von uns allen“, so Möbius. Er erklärte, er sei optimistisch, dass auf der Grundlage der Stellungnahme des ESK das Bundesumweltministerium zeitnah eine Entscheidung zum Bau des Lok in Würgassen treffen werde. Die BGZ werde &bdquo;jetzt zuversichtlich auf eine endgültige Entscheidung aus Berlin warten“. Die Planungsarbeiten liefen bis dahin wie bisher weiter.

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