Atomlager Würgassen: Tote Ratten, dunkle Wolken und Signale der Hoffnung

Beverungen. Eine Podiumsdiskussion zum Thema Atomlager Würgassen zehn Tage vor der Landtagswahl in NRW – was soll dabei herauskommen als das einmütige Beteuern der Kandidaten, sich weiter gegen die Planungen stark zu machen? Das war zu erwarten, doch manche Zwischentöne in der Runde mit etwa 40 merklich gut informierten Zuhörern in der Beverunger Stadthalle ließen dann doch aufhorchen.Zunächst eine Aussage von Beverungens Bürgermeister Hubertus Grimm: Es gebe &bdquo;Signale“ aus dem Bundesumweltministerium, dass man das Logistikgutachten abwarten wolle. Bis zum Sommer wollen die Landesregierungen von Niedersachsen und NRW gemeinsam klären lassen, ob ein Bereitstellungslager überhaupt notwendig ist, das die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) in Würgassen plant. Ein Hoffnungszeichen für die Gegner des &bdquo;Milliardenprojektes“ (so nennt es Matthias Goeken von der CDU in Anspielung auf zu erwartende Preissteigerungen). Andererseits sorgt ein Hinweis aus den Zuhörerreihen wieder für Skepsis: Ausgerechnet der TÜV Nord sei mit der Expertise beauftragt worden. Ausgerechnet deswegen, weil dort vor kurzem noch Heinz-Walter Drotleff Verantwortung trug. Jetzt ist er zuständiger Bereichsleiter bei der BGZ. Grund genug, die Objektivität der Gutachter in Zweifel zu ziehen? Eher nein, meint Nora Wieners (SPD). &bdquo;Lässt ein Geschmäckle vermuten“, drückt sich Jan-Gerrit Möltgen (FDP) vorsichtig aus, der den Landtagskandidaten Friedrich-Wilhelm Hörr vertritt.Matthias Goeken verweist darauf, dass der Auftrag von niedersächsischer Seite erteilt wurde. NRW habe darauf keinen Einfluss gehabt. Der für das Logistikgutachten zuständige Minister Olaf Lies in Hannover habe ein "rotes" SPD-Parteibuch, wird Nora Wieners nicht müde zu betonen. Wahlkampf ist eben angesagt, auch wenn sie es alle bei dem Thema eigentlich vermeiden wollen. Größe des Logistikzentrums beunruhigt Eine zweite Bemerkung, die die Gegner hoffen lässt: Uta Lücking (grüne Landtagskandidatin) unterstreicht, dass sich aus dem Koalitionsvertrag mitnichten eine Festlegung auf den Standort Würgassen herauslesen lasse. Weit mehr als eine Randnotiz, hatte die Protestbewegung doch gerade in die neue Ampel in Berlin große Hoffnungen gesetzt. Dass die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke am 24. Mai ihre beiden Staatssekretäre nach Würgassen schickt, hält Lücking gar für einen &bdquo;Stoppmoment“. Alle Kandidaten weisen die Unterstellung von sich, man werde sich mit Infrastrukturverbesserungen (Stichwort B 64/B 83 Ausbau) &bdquo;kaufen“ lassen. &bdquo;Ich sehe Würgassen nicht als Gewinn, deswegen müssen wir nicht über den Kaufpreis diskutieren“, sagt Matthias Goeken. Ihm macht nach wie vor die Größe des geplanten Logistikzentrums arge Bauchschmerzen. &bdquo;Da passt einmal der komplette Atommüll, den wir in Deutschland haben, gestapelt rein.“ Die Kombination mit der auslaufenden Genehmigung vieler über die Republik verteilter Zwischenlager macht ihn sehr nachdenklich. &bdquo;Dieser Problematik will man sich entledigen“, sagt er - indem man den gesamten Müll nach Würgassen verfrachtet? Matthias Goeken sieht in Sachen Planungsbeschleunigungsgesetz &bdquo;dunkle Wolken“ aufziehen. Könnte dadurch Würgassen leichter durchzusetzen sein? Es einfach durchziehen wie Elon Musk den Bau seiner Tesla-Fabrik in Brandenburg? So unkt jedenfalls das Publikum &bdquo;Der Staatssekretär hat das verneint“, beschwichtigt Uta Lücking, die mit den momentan wohl besten Drähten ins Berliner Umweltministerium auf dem Podium. Soll ein Bundesproblem auf den Kreis abgewälzt werden? Das ruft wieder den Bürgermeister auf den Plan: Momentan gebe es gar kein Baurecht (Dank der &bdquo;mutigen“ Absage seitens der Detmolder Bezirksregierung, an der sich Matthias Goeken nicht ganz unbeteiligt sieht). Grimm geht davon aus, dass der Kreis Höxter den Bauantrag ablehnt.&bdquo;Dann sehe ich in dem Beschleunigungsgesetz eine echte Gefahr oder das Ministerium lässt sehenden Auges ein Gericht darüber entscheiden“, fürchtet Hubertus Grimm. Wird am Ende juristisch geklärt, ob die BGZ in Würgassen bauen darf oder nicht? Edith Goetz von der gastgebenden Bürgerinitiative Lebenswertes Bördeland und Diemeltal bemüht die &bdquo;tote Ratte, die über den Zaun geworfen wird“ – will sagen, die Niedersachsen wollen das Lager nicht, also solle es ins Dreiländereck knapp hinter die Grenze kommen.Und Jan-Gerrit Möltgen (FDP) gelingt das passende Schlusswort: &bdquo;Wir im Kreis Höxter können hier nicht die Energieprobleme der Bundesrepublik lösen.“ Das sei nicht fair, schließlich habe der Kreis sowohl die atomare Vergangenheit mitgetragen als auch die regenerative Zukunft mitgestaltet. Damit kann sich der Saal Bever applaudierend wie geschlossen anfreunden.Die AfD fühlt sich jedoch ausgegrenzt - sie verteilt am Eingang Protestnoten, weil sie nicht zur Podiumsdiskussion eingeladen wurde. "Das hätte zum politischen Anstand gehört", betont Sprecher Peter Eichenseher. Auch die AfD im Kreis lehne das Projekt ab.

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