Atommüll-Zwischenlager Würgassen: Demo und Erklärungsversuche

Beverungen. &bdquo;Wir sind mehr", skandierten die Demonstranten auf dem Sportplatz hinter der Stadthalle. &bdquo;Ihr seid klasse", schallte es zurück vom Vorsitzenden des Vereins Atomfreies 3-Ländereck, Dirk Wilhelm, der von einem Wagen am Rande zu der Menschenmenge sprach und das Ganze fürs Netz filmte. &bdquo;Uns kann keiner mehr überhören", rief er unter Applaus. Drinnen in der Stadthalle begann gerade die wegen Corona im März ausgefallene Bürgerinformation der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) zum geplanten Atommüll-Logistikzentrum am Standort ehemaliges Kernkraftwerk in Würgassen. Der Verein selbst war nicht eingeladen. Wilhelm sprach von einer &bdquo;Einbahnstraße der Informationen". Doch die BGZ sei Hausherrin, weshalb man das akzeptiere. Stattdessen sorgte das Bündnis von Gegnern im Dreiländereck NRW, Niedersachsen und Hessen zusammen mit weiteren Grupperingen, darunter die Jugendlichen der Fridays-for-Future-Bewegung, mit seiner Demo für ein unüberhörbares und unübersehbares Zeichen vor der Halle. 300 Menschen hatte Wilhelm angemeldet, 500 waren nach Angaben der BI dabei. Die Polizei geht von der angemeldeten Anzahl Teilnehmer aus. Lob vom Bürgermeister Bürgermeister Hubertus Grimm lobte die &bdquo;beeindruckenden Aktionen" in den vergangenen sechs Monaten, die &bdquo;Beharrlichkeit" der Menschen, sich diesen Planungen &bdquo;ohne Mitspracherecht" entgegenstellten. Damit sei die Region in Berlin wahrgenommen worden. Drei Punkte kritisierte das Stadtoberhaupt: Den Umgang mit der Kommune, die für ihr Stadtgebiet die kommunale Planungshoheit habe und vor &bdquo;vollendete Tatsachen" gestellt worden sei. Die Auswahl des Standortes, der für ein &bdquo;zentrales Bereitstellungslager" oder &bdquo;Logistikzentrum" doch der optimale sein solle – woran man angesichts der fehlenden Anbindung an Straße und Schiene aber &bdquo;erhebliche Zweifel" habe. Und drittens die Notwendigkeit eines Zwischenlagers überhaupt im 21. Jahrhundert und in Zeiten von Digitalisierung sowie Fertigung &bdquo;just in time": &bdquo;Und dann sind wir nicht in der Lage, die Konrad-Container dezentral an den Orten, wo der Atommüll angefallen ist, so zu verpacken und die Chargen so zusammenzustellen, dass sie passgenau für den Schacht Konrad sind? Das ist nur schwer zu glauben." Auch zweifelte er an, dass bei der Dimensionierung eines Bereitstellungslagers von 325 mal 125 Meter Grundfläche und mehr als 16 Meter Höhe es nur um eine Zwischenlagerung gehe. &bdquo;Wir sind hier, weil man so etwas nicht in unserer Gegend haben will", erklärte ein Trio aus Meinbrexen. &bdquo;Wir sind froh gewesen, dass wir es mit dem KKW losgeworden waren." Eine andere Dame ist vor zwei Jahren an die Weser gezogen und wollte hier den Ruhestand verbringen. &bdquo;Nun bin ich in der Unruhe gelandet." So ein Lager &bdquo;gehört nicht hierhin", sagte sie und zeigte ein Schild von der &bdquo;Deutschen Märchenstraße" mit &bdquo;3 Nüssen für Würgassen-Brödel". Ein Paar aus Bad Karlshafen hatte sich extra freigenommen für die Demo: &bdquo;Unsere Heimatstadt liegt genau in Windrichtung aus Würgassen. Es gibt so viele Risiken. Wir wollen das Lager nicht. Es ist eine Schweinerei, was hier passiert." Verein nennt mögliche Schwächen Der Verein Atomfreies 3-Ländereck hatte zuvor die Schwächen der Planung bei der BGZ noch einmal bis ins Detail aufgelistet – von fehlerhaften Berechnungen und Messungen bis hin zum ihrer Ansicht nach Darüber-Hinwegsetzen der BGZ über laut Edith Götz notwendige verkehrlichen Kriterien für einen besten Standort. Wie die zwingend notwendige Zweigleisigkeit des Schienenanschlusses, den fehlenden Infrastrukturaufbau und -ausbau der Bahntrasse, was Brückenbauten oder Elektrifizierung angehe, bis hin zu ihren Aussagen zufolge fehlerhaften Angaben was die Klassifizierung der Bahntrasse angeht. Statt Schwerlast- sei von der BGZ nur Güterverkehr angefragt worden. Martin Hörning als zweiter Vorsitzender sprach von einem Gutachten, das der Verein in Auftrag gegeben hat und das im Oktober fertig sein soll. Es solle die Prozesse der Kriterienbewertung für Würgassen als geeignetsten Standort noch einmal genau unter die Lupe nehmen. Aus Sicht des Vereins ist das, was die BGZ mit den Bewertungskriterien vorgelegt hatte, in puncto Objektivität, Validität und Reliabilität &bdquo;ungeeignet". Das zeige auch eine erste Sichtung der Unterlagen durch zwei Experten aus Hamburg und Potsdam. Der Verein fordert &bdquo;die sofortige Einstellung aller Arbeiten am Standort Würgassen im Auftrag des BMU/der BGZ", den &bdquo;Nachweis der zwingenden Notwendigkeit des ZBL durch ein unabhängiges logistisches Gutachten sowie den Nachweis des im Gesetz geforderten wirtschaftlichen Vorteils eines ZBL" und drittens &bdquo;den Einsatz einer unabhängigen Kommission zur transparenten, ausschließlich sach- und faktenbezogenen Standortauswahl", so Dirk Wilhelm abschließend. In Würgassen gebe es bereits an zwei Stellen solche leicht und mittelradioaktiven Abfälle, die dort nach dem Rückbau des AKW verblieben seien. Die Aussage, dass künftig 90 Prozent davon aus Deutschland in Würgassen gelagert würden, sei &bdquo;schlichtweg falsch". Es sei verständlich, dass Menschen beim Wort &bdquo;Atommüll" bestimmte Bilder hoch radioaktiven Materials und von Castoren im Kopf hätten. Auch könne er dem Slogan der BI nur zustimmen: &bdquo;Kein Atomdreck in keiner Ecke Deutschlands." Deshalb arbeite man an dieser Aufgabe. Neun Grundstücke seien in die Auswahl gekommen, Würgassen auch aufgrund der Lage, der Vorgeschichte und des Bahnanschlusses an das Gelände empfohlen worden. Es würden ganz normale 20-Fuß-Container mit 30 Tonnen Maximalgewicht auf der Bahnstrecke transportiert, weshalb man keine besondere Schwerlasterlaubnis benötige, so Seeba. Drotleff sprach von 10 Zugfahrten insgesamt pro Tag und 20 Lkw maximal – alles inklusive Leerfahrten. Und man habe von Anfang an alle Daten und Planungen transparent online gestellt: Das sei gesetzlich erst ab dem Genehmigungsverfahren notwendig, betonte Seeba. Das werde in der zweiten Hälfte 2021 angegangen.

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