Erstmals Gedenk-Rundgang zum Novemberpogrom in Bad Driburg

Bad Driburg. Am Freitag jähren sich zum 80. Mal die Novemberpogrome. 1938 brannten überall in Deutschland Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnhäuser. Verwüstung, Gewalt und das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte folgten. Die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums St. Xaver sowie der Gesamtschule Bad Driburg erinnern am Freitag an sechs Stationen an die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten und die Judenverfolgung. Erstmals führen die Gedenkveranstaltungen anhand von sechs Stationen durch die Stadt. Eine Stadt, der das einstige jüdische Leben kaum mehr anzusehen ist. &bdquo;Von den 57 jüdischen Bürgern, die es in Bad Driburg gab, gibt es keine Nachfahren mehr hier", sagt Geschichtslehrer und Stadtheimatpfleger Hermann Großevollmer: &bdquo;Zumindest gibt es kein öffentlich sichtbares jüdisches Leben." Die jüdische Gemeinde in Bad Driburg betete in der Synagoge in der Schulstraße. Sie ist eine der Stationen des Gedenkrundgangs. Sechs Gymnasiasten werden die Geschichte des Gotteshauses vorstellen – auf radikale Weise. Sie wollen eine Synagoge anzünden. Beziehungsweise sie wollen einen Teilnehmer des Rundgangs dazu bringen, ein Modell der Bad Driburger Synagoge anzustecken. &bdquo;Diese Vorträge sind sonst immer so stumpf. Wir aber stellen den Besuchern die moralische Frage, ob es okay ist, eine Synagoge anzuzünden. Das ist so ausdrucksstärker", erklärt Andreas Kamhuber (19). &bdquo;Um zu zeigen, dass man seine Taten hinterfragen muss", fügt Leon Koch (17) hinzu. &bdquo;Manche Sachen kann man sich nicht vorstellen" Seit August haben die Jugendlichen des Geschichts-Zusatzkurses sich mit ihren speziellen Themen beschäftigt und ganz unterschiedliche Konzepte erarbeitet. &bdquo;Im Unterricht guckt man immer so weit – nach Berlin oder so", meint Leon. Durch das Projekt aber werde auch das &bdquo;idyllische Bad Driburg" in den Blick genommen. &bdquo;Es ist schon krass, was damals alles passiert ist", stimmt Eric Freitag (18) zu. Die Erfahrung hat auch Christian Werner (17) gemacht, der mit seiner Gruppe auf den Spuren eines Bad Driburger Widerständlers wandelt. &bdquo;Dadurch, dass man sich mit einer Person hier aus der Nähe befasst, ist man dem Thema viel näher", findet er: &bdquo;Vorher kannte ich nur den Pfarrer-Riepe-Weg." Jetzt weiß er mehr über den Geistlichen. &bdquo;Er war ein sehr religiöser Mensch. Selbst im KZ in Dachau hat er noch an seinem Glauben festgehalten", berichtet Christian. &bdquo;Er war jemand, der für seine Meinung einstand", so Laura Hecker (17). Ein zeitloser und direkter Ansatz Das Schülerquintett hat das Leben des Geistlichen, der am St.-Xaver-Gymnasium unterrichtete und die Schule auch ein paar Jahre führte, in einem Film aufgearbeitet. Dieser wird den Teilnehmern der Veranstaltung in der Schulkirche vorgeführt. Das dritte Projekt, das die Gymnasiasten erarbeitet haben, wird in der Pfarrkirche St. Peter und Paul präsentiert. In einem Referat beschäftigen sich die Jugendlichen mit Pfarrer Wilhelm Becker. Isabel Lammert (17) und ihre Mitstreiter haben dafür unter anderem im Stadtarchiv recherchiert: &bdquo;Manche Sachen kann man sich nicht vorstellen." Seit den 1990er Jahren gibt es in der Geschichtsdidaktik eine sozialpsychologische Herangehensweise. &bdquo;Ein Ansatz, den ich sehr probat finde", urteilt Hermann Großevollmer. Heute werde beleuchtet, &bdquo;wie jemand zum Mörder wird, dass er es als zu bewältigendes Handwerk ansieht – und zwar massenhaft", erklärt er: &bdquo;Das ist zeitlos, das können die Schüler auf jede Diktatur übertragen." Er sei von diesem Prinzip überzeugt. &bdquo;Ich finde, es ist immer ein wichtiges Thema. Heute gibt es wieder Tendenzen nach rechts. Deshalb ist es wichtig, zu erinnern", schließt Schüler Christian.

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