Herford. Das Rätselfoto vom vergangenen Mittwoch, das wir erst heute auflösen, weil am Mittwoch nach Allerheiligen keine Neue Westfälische erschienen ist, zeigte das Früherrenhaus an der Ecke Petersilienstraße/Frühherrenstraße. Im Volksmund wird es auch gern Weddigenhaus genannt, nach dem U-Boot-Kapitän Otto Weddigen, der hier geboren wurde.
Rena Wilke schreibt: „Immer, wenn ich in Herford bei Freunden bin, freue ich mich auf die NW! Ich bin begeistert wie viel über meine Heimatstadt aus alten Zeiten gezeigt und berichtet wird. Hier ist das Geburtshaus des ehemaligen U-Boot Kommandanten Otto Weddigen abgebildet. Das Haus selbst trägt den Namen ,Frühherrenhaus’. Es dient(e) als Gemeindehaus der St. Johannis Kirchengemeinde. Zu meiner Zeit hatten wir dort den kirchlichen Unterricht, Chorproben, Helferkreis und weitere Veranstaltungen. Ich kenne die Petersilienstraße noch als ganze Straße! Sie stieß dann auf die Straße ,Im Holland’."
Detlev Piekenbrock weiß: „Das Gebäude auf dem Schwarz-Weiß-Foto ist das legendäre Frühherrenhaus gegenüber der Johanniskirche am Neuen Markt, erbaut von den Stiftsherren zu Enger, die 1414 ihr Stift St. Dionys – mit Erlaubnis des Papstes Gregor VII – nach Herford verlegen durften. Ein berühmter Name ist mit diesem Haus verbunden: Kapitänleutnant Otto Weddigen erblickte hier 1882 das Licht der Welt, das 1915 bei dem Träger des Eisernen Kreuzes und späterem Ehrenbürger der Stadt Herford viel zu früh in den Fluten des grausamen Ozeans schon wieder verlosch! An ihn erinnert das gleichmalige Ufer und zu meinen Kinderzeiten auch das Freibad auf dem Gelände des heutigen H2O, wo ich meine ersten Schwimmzüge machte."
Klaus-Dieter Stork erklärt: „Es hat einen dreigeschossigen Staffelgiebel. 2004 wurde es restauriert. Die Fassade und die Fenster wurden in ihrer ursprünglichen Form rekonstruiert. Das Gebäude erhielt einen roten Anstrich und hat seinen Namen von den Herren des Stiftes St. Johann und Dionys, das 1414 mit dem berühmten Dionysiusschatz und den Gebeinen Wittekinds von Enger nach Herford verlegt wurde. Die Stiftsherren wurden im Volksmund „Frühherren" genannt, weil es ihre Aufgabe war, die Frühmesse zu lesen. In seiner langen Lebensgeschichte ging das Frühherrenhaus auch mal in Privatbesitz über. Während dieser Zeit diente es als Wohnhaus und wurde in Teilen vorübergehend als Fabrik genutzt. Seit 1930 gehört das Haus zur Johannis-Kirchengemeinde und wird wieder kirchlich genutzt. Die Neustädter Johanniskirche am Neuen Markt, mit dem höchsten Kirchturm in Herford, befindet sich hinter dem Rücken des Fotografen. Auf einer Gedenktafel an der Fassade wird darauf hingewiesen, dass im September 1882 der ,Seeheld von 1914’, U-Boot-Kapitän Otto Weddigen, in dem Haus geboren wurde."
Helfried Horstmann schreibt: „Das Frühherrenhaus wurde 1591 erbaut. Ab etwa 1930 gehörte es zur Kirchengemeinde St. Johannis und wurde als Gemeindehaus benutzt. Im Rahmen der Gemeindefusion von Herford-Münster, Herford-Jakobi und Herford-St. Johannis war nun die neue Kirchengemeinde Herford-Mitte für das Gemeindehaus zuständig.
Bei notwendigen Renovierungsarbeiten kam man nach und nach dem ursprünglichen Bauzustand auf die Spur und das Haus wurde grundlegend erneuert und in seinen alten Zustand versetzt. Dabei entstand ein festlicher Renaissance Saal mit einer Raumhöhe von etwa sechs Metern. Die Kirchengemeinde benutzt das Haus für gemeindeeigene Veranstaltungen, wie das jährlich im Dezember stattfindende adventliche Männerfrühstück am Kamin. Aber auch privat kann der festliche Saal für Feiern und Jubiläen angemietet werden. Durch seine geschmackvolle Neugestaltung bildet das Frühherrenhaus heute zusammen mit der Neustädter St. Johanniskirche ein wahres Schmuckstück für Herford."
Gewinne liegen abholbereit
Drei mal gab es beim Rätselbild das Buch rad & tour zu gewinnen. Sie liegen zwei Wochen lang bereit in der Geschäftsstelle der NW, Lübberstraße 15-17.Die Gewinner sind Anke Heinemann und Christel Großmann aus Herford und Rena Wilke aus Münster. Herzlichen Glückwunsch!
Die Leiterin des Städtischen Museum im Daniel-Pöppelmann-Haus, Sonja Langkafel hat ausführlich recherchiert: „Das Frühherrenhaus wurde in der heute bekannten Form 1591 für den Dechanten des an der Johanniskirche angesiedelten Kollegiatstiftes St. Johann und Dionys, Adolf Hanebohm, erbaut. Sein Wappen findet sich am Portal des Dreistaffelgiebels; das Original des Wappensteins wird im Depot des Städtischen Museums bewahrt.
Bis 1810, bis zur Aufhebung des Stiftes, das 1414 von Enger nach Herford gekommen war, diente das repräsentative Renaissancehaus vielen Stiftsdekanen und ihren Familien als Wohn- und Arbeitsstätte. 1868 zieht Ernst Arnold Weddigen mit seiner Frau Thusnelde, geborene Humfeld, vom Holland 29 in das ehemalige Dekanatsgebäude. Acht von seinen elf Kindern werden hier geboren, darunter der spätere U-Boot-Kommandant Otto Weddigen im Jahr 1882.
Der Zweckbau, den heute die „Landesarbeitsgemeinschaft Spiel und Theater NRW e.V." nutzt, wurde wohl 1869 für den Herforder Leinenverein als Trockenboden und Lagerraum sowie weitere Nutzungen als Anbau errichtet. Der Herforder Leinenverein war 1851 zur Unterstützung der Not leidenden Spinner und Weber unter dem Namen „Herforder Verein für Leinen aus reinem Handgespinnst" gegründet worden. Die Strategie, die Handarbeit als besondere Marke zu etablieren, funktionierte bis Anfang der 1860er Jahre. 1867 allerdings wurde, um konkurrenzfähig zu bleiben, begonnen, Maschinengarn zu verweben. Ernst Arnold Weddigen, seit 1868 erster Direktor des Herforder Leinenvereins, war einer der stärksten Befürworter für die allmähliche Umstellung auf maschinell gefertigte Produkte. E.A. Weddigen verlegte den Geschäftssitz ins Früherrenhaus.
Auf’m Holland 29 verblieben eine Mangel und eine Stampfe. Die Weber erhielten fertig gebäumte und geschlichtete lange Ketten aus Maschinengarn, die wohl in der Frühherrenstraße ausgegeben und gelagert wurden. 1873 erfolgte der nächste Schritt des Vereins auf dem Weg zu einem Industrieunternehmen. Auf dem Holland wird ein Websaal mit mechanischen Webstühlen eingerichtet. Er hat sich in dem Fabrikanbau des verschieferten Fachwerkgebäudes befunden, 1985 abgerissen. 1878 wird der Herforder Leinenverein liquidiert und werden der Maschinenpark sowie die Immobilien von E. A. Weddigen und seinem neuen Kompagnon Wilhelm Menckhoff erworben, um den Betrieb als OHg fortzuführen.
Der Standort an der Frühherrenstraße bleibt bestehen. Bis zur Errichtung eines großen, modernen Fabrikbaus an der Johannisstraße behelfen sich die beiden Unternehmer mit dem Um- und Anbau an die vorhandene alte Fachwerk- (Holland) und Steinarchitektur (Frühherrenstraße). 1896/97 wird der Neubau an der Johannisstraße errichtet und bezogen.
Industrialisierung vollzog sich in einem stetigen Prozess
Im Kontext dieser Firmengeschichte ist dem Anbau am Früherrenhaus die Rolle eines frühen und wichtigen Zeugnisses für die beginnende Industrialisierung in der Stadt Herford zuzuweisen.
Kennzeichnend ist, dass sie sich in einem stetigen Prozess und nicht in einem revolutionären Umbruch vollzog. Dafür typisch ist, dass die Fabriken oft aus kleinen, am Anfang handwerklich organisierten Betrieben entstanden. Diese Werkstätten befanden sich in der Regel in den Wohnbauten in der Innenstadt, die durch Anbauten für den Betrieb mit Maschinen hergerichtet und vergrößert wurden.
Kurz nach der Jahrhundertwende wird der Anbau übrigens wieder industriell genutzt. Die von 1899 bis 1934 existierende Zigarrenfabrik Jörgens & Leimbach produzierte seit spätestens 1903 hier.