Dorfserie: Eine Bardüttingdorfer Dorfkneipe im Wandel

Für viele Bardüttingdorfer war &bdquo;der Specht" jahrzehntelang der Treffpunkt im Dorf. Hier kam man zum Feierabendbierchen zusammen, um den neusten Tratsch im Dorf auszutauschen, hier wurden nach dem Abpfiff Sieg oder Niederlage der heimischen Mannschaft analysiert, hier wurde der Maibaum aufgestellt oder einfach nur gefeiert. Für Gerda Specht war die Gaststätte am Königsbrücker Weg oben auf dem Hengstenberg aber viel mehr als nur ein Dorftreffpunkt. Für sie war es der Mittelpunkt ihres Lebens. Mehr als vierzig Jahre stand sie gemeinsam mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann Heinz hinter der Theke, um die Gäste zu bewirten. Jetzt ist sie 86 und schon seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr aktiv im Geschäft. Doch so ganz kann sie &bdquo;ihren Specht" noch immer nicht loslassen. Als junge Frau war sie nach dem Krieg auf den elterlichen Hof ihres Mannes gekommen. Schon ihre Schwiegereltern, so erinnert sich Gerda Specht, hatten hier neben der Landwirtschaft eine kleine Gastwirtschaft betrieben, in der fortan auch sie und ihr Mann mitarbeiteten. Anfang der 50er Jahre gaben sie die Landwirtschaft dann auf und konzentrierten sich ganz auf das Gastgewerbe. Es wurde alles gebraucht &bdquo;Außerdem haben wir in diesen Jahren angebaut und einen Laden aufgemacht", erzählt die rüstige Rentnerin. &bdquo;Die Menschen hatten in dieser Zeit ja nichts – es wurde alles gebraucht!" Und das fanden die Bardüttingdorfer ab sofort bei Heinz und Gerda Specht. &bdquo;Bei uns gab’s alles – vom Nähgarn bis zum Kotelett!" Denn Heinz Specht war gelernter Metzger. Im Schlachthaus hinter Laden und Gaststätte wurden regelmäßig Schweine zerlegt. Fleisch und Wurst landeten einerseits im Verkaufstresen im Geschäft, andererseits auf den Tellern der Gäste in der benachbarten Wirtschaft. Jahrelang haben Heinz und Gerda Specht nur für ihren Laden und die Gaststätte gelebt. &bdquo;Tagsüber standen wir im Geschäft, abends ging es dann in der Gaststätte weiter", erinnert sie sich an diese Zeit. Ein kleiner Wissenstest für Kenner: Die Gaststätte Specht war beliebter Treffpunkt für die Menschen aus dem Ort, vor allem für die Fußballer. Denn damals befand sich der Fußballplatz noch direkt gegenüber der Gaststätte auf der anderen Straßenseite. Klar, dass die Kicker nach dem Spiel gern auf ein kühles Blondes zu ihnen kamen. &bdquo;Wir haben sogar Duschen für die Spieler bei uns im Keller einbauen lassen", sagt Gerda Specht. &bdquo;Vereinsheime gab’s damals ja noch nicht." Die Duschen gibt es heute noch, auch, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Der Sportplatz ist längst an einen neuen Standort verlagert worden. Nicht nur die Fußballer schätzten die Atmosphäre im Specht. Die ehemalige Wirtin erinnert sich an viele schöne Feste – vom Tanz in den Mai über feucht-fröhliche Vatertagsfeiern bis hin zu den &bdquo;legendären Polterabenden in der Scheune". Dabei war der Specht gar nicht die einzige Kneipe im Dorf. Die ehemalige Wirtin erinnert sich an Zeiten, in denen es mindestens vier weitere Gaststätten in Bardüttingdorf gab. Vor allem die &bdquo;Centrobar" ist ihr in lebhafter Erinnerung. Alles vorbei &bdquo;Da gab es an den Wochenenden Tanz mit wirklich tollen Kapellen", schwärmt sie noch heute. Die Leute seien von weither gekommen, um hier das Tanzbein zu schwingen. &bdquo;Alles vorbei", sagt sie dann. &bdquo;Heute gibt’s in Bardüttingdorf nicht mal mehr ein Brötchen zu kaufen!" Und wenn es den Bürgerbus mit regelmäßigen Verbindungen nach Spenge-Mitte nicht gäbe, sähe es für die Selbstständigkeit der älteren Menschen im Ort schlecht aus. Bis in die 70er Jahre führte das Ehepaar Specht seinen kleinen Einkaufsmarkt. So lange, bis sie mit ihrem Angebot neben den aufkommenden großen Supermärkten nicht mehr mithalten konnten. Die Gaststätte gaben sie Anfang der 90er Jahre in jüngere Hände. Zwei Pächter versuchten seitdem, die Traditionsgaststätte mit neuem Leben zu füllen. Beide hielten jeweils rund zehn Jahre durch. Die letzte Pächterin machte den Specht noch einmal als Musikkneipe bekannt, fast alle Bands aus der Region traten hier auf. Auf der Wand im Flur haben sich viele von ihnen schriftlich verewigt. Es ging bergab Dann schien auch für die letzte Kneipe im Dorf das endgültige Aus unvermeidlich. &bdquo;Das war schon schwer für mich mit anzusehen, wie es immer weiter bergab ging", sagt Gerda Specht. Umso mehr freut sie sich, dass sich jetzt wieder etwas tut im Specht. Die Brüder Matthias und Stefan Koring haben die Gaststätte und sämtliche Nebengebäude übernommen. Unter dem Motto &bdquo;Miet den Specht" bieten sie die ehemalige Dorfkneipe als Partylocation an. Dabei haben sie versucht, soviel von dem Charme der alten Kneipe wie möglich in das neue Konzept hinüber zu retten. Die Theke ist erhalten Zwar gab es die alte Einrichtung nicht mehr. &bdquo;Aber glücklicherweise war wenigstens die Theke noch erhalten", sagt Matthias Koring. Seit Ende letzten Jahres ist der Specht soweit wieder hergerichtet, dass er vermietet werden kann. Für Feiern im Sommer steht außerdem der schöne alte Biergarten bereit. Und es läuft gut, freuen sich die Brüder, die ihr Geschäft in &bdquo;Bar-Düttingdorf" mehr oder weniger als Hobby nebenberuflich, aber mit viel Herzblut betreiben. Gerda blickt auf den Biergarten Und selbstverständlich guckt auch &bdquo;Gerda" ab und zu mal nach, was in ihrem Specht jetzt so los ist. Sie wohnt noch immer auf dem alten Hofgelände in dem zum Wohnhaus umgebauten ehemaligen Schlachthaus. Von dort aus hat sie auch einen schönen Blick auf den Biergarten. Da geht’s bei Feiern zwar manchmal hoch her – aber das ist allemal besser als Verfall. Und schließlich ist sie das Feiern ja auch gewohnt . . .

Meistgelesen