Wenige Männer im Kreis Herford gehen länger in Elternzeit: Ein Paar macht es anders

Rödinghausen. "Wir kennen einen Mann, der zwei Monate Elternzeit macht, geht das auch?", dieser Satz war während der Recherche häufig zu hören. Einen Mann im Kreis Herford zu finden, der auch den Großteil der Elternzeit übernimmt, ist wie die Nadel im Heuhaufen zu finden. Frauen in dergleichen Situation gibt es dagegen viele. Das belegen auch die Zahlen des Kreises Herford. Demnach haben im vergangenen Jahr 2.118 Frauen Elterngeld bezogen und 912 Männer. Davon hatten die meisten (730) sich Elterngeld allerdings nur für zwei Monate auszahlen lassen, bei den Frauen waren es 26. Der Rödinghauser Tim Gebert gehört zu den wenigen Männern, die 14 Monate Elternzeit nehmen. Er und seine Frau Charlene haben die kleine Ida Mitte Mai vergangenes Jahr bekommen. Seit Mitte Juli betreut Gebert die gemeinsame Tochter alleine zu Hause und seine Frau geht arbeiten. Zunächst will der 30-Jährige eines klarstellen: "Viele Frauen machen das ganz selbstverständlich und das wird als nichts Besonderes angesehen." Er wolle nicht beklatscht werden, sondern zeigen, dass es auch anders ginge. Weshalb sich das Rödinghauser Paar so entschieden hat Es habe mehrere Gründe dafür gegeben, dass er die Elternzeit komplett übernommen hat. Zum einen sei seine Frau damals noch in einer Ausbildung zur Referendarin. Elternzeit zu nehmen, wäre für sie schwieriger gewesen, als für ihn. Der 30-Jährige arbeitete zu dem Zeitpunkt Vollzeit als festangestellter Fluggerätemechaniker. Ihm sei es wichtig gewesen, selbstständig zu sein und alles alleine zu können. "Alles, was meine Frau kann, kann ich auch, außer Stillen", sagt der 30-Jährige. Ein weiterer Grund sei gewesen, dass er es selbst einfach ausprobieren wollte: "Ich stelle mich gerne neuen Aufgaben und es ist ein Abenteuer." Für den Fluggerätemechaniker ist die Elternzeit nach eigenen Aussagen eine echte Herausforderung. Er gibt zu, dass er sie sich entspannter vorgestellt habe. "Ich dachte, das Kind schläft und ich kann dann den Haushalt machen", sagt Gebert. Doch wenn seine Frau nach Hause gekommen sei, hatte er nichts geschafft. Er sei eigentlich ein großer Planungsmensch, aber das Kind habe da seine eigenen Willen und kümmere sich nicht um den Plan. "Man wird ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt", sagt der Vater schmunzelnd. Hinzu kam, dass Ida in den ersten drei Monaten Koliken gehabt habe und dauerhaft am Weinen gewesen sei. "Ich bin Stress aus dem Arbeitsleben gewöhnt, aber ein Kind bringt einen schneller an die mentale Grenze", so der 30-Jährige. Er sei froh gewesen, wenn seine Frau am Abend nach der Arbeit übernehmen konnte, sagt er. "Hut ab vor jeder alleinerziehenden Mutter und jedem alleinerziehenden Vater." Kommentar zum Thema: Wenige Väter nehmen den Großteil der Elternzeit - Jungs, ihr seid dran! Stillzeit muss Mutter gewährt werden Aber nicht nur für den 30-Jährigen sei die Situation ungewohnt, auch für seine Frau. Bevor sie zurück zur Arbeit ging, habe das Paar die ganze Zeit versucht, Ida an die Flasche zu gewöhnen. Das habe erst drei Tage vor der Rückkehr zum Arbeitsplatz geklappt. Seitdem pumpe seine Frau ab und friere die Milch ein. Auch auf der Arbeit habe sie die Möglichkeit. Das ist sogar gesetzlich vorgeschrieben. Beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales steht, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, der Mutter eine Stillzeit von mindestens einer Stunde am Tag zu gewähren. Die Zeit muss von der Mutter laut dem MAGS auch nicht nachgearbeitet werden. Mit dem Arbeitgeber seiner Frau habe es auch keine Probleme gegeben, so Gebert. "Für sie war das natürlich anstrengend." Tagsüber arbeiten, zwischendurch abpumpen und nachts stillen. Warum wenig Väter Elternzeit nehmen Nach der Erfahrung von Kerstin Stute, Leiterin der Beratungsstelle der Diakonie Herford, liege es nicht am Unwillen der Männer, dass so wenige in Elternzeit gingen. "Die meisten Männer sind engagiert und wollen das", sagt sie. Seit der Einführung des Elterngeldes habe sich viel verändert. "Das Elterngeld ist eine große Errungenschaft im Vergleich zum Vorgänger Erziehungsgeld", sagt sie. Dass es bei vielen Vätern dennoch bei maximal zwei Monaten Elternzeit bleibt, liegt aus ihrer Sicht am Geld, an der Angst vor verständnislosen Arbeitgebern und an der Zeit, die Mütter für die Regeneration nach der Geburt brauchen. Für viele Mütter sei es auch wichtig, ihr Kind in den ersten Lebensmonaten zu stillen. Da das Basiselterngeld für insgesamt 14 Monate gezahlt wird, gehen viele Monate oft schon aus diesem Grund an die Mutter. "Wenn das Elterngeld insgesamt länger gezahlt würde, dann würden eventuell auch mehr Väter länger in Elternzeit gehen", meint sie. Eine Analyse des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB) zeigt, dass 2022 bereits viel häufiger Elterngeld von Vätern bezogen wird als noch 2007. Die Studie zeigt aber auch, dass doch Luft nach oben ist: Nicht einmal die Hälfte der Väter (43 Prozent) nehmen die zwei Monate Elternzeit in Anspruch. Oftmals werden die parallel zur Partnerin genommen. Das Elterngeld war damals eingeführt worden, um für eine gleichberechtigtere Partnerschaft und bessere berufliche Chancen für Frauen zu sorgen. Das Fazit dieser Studie Jahre später ist ernüchternd: "Trotz der starken Zunahme in der Nutzung des Elterngeldes durch Väter zeigen sich kaum Zuwächse in ihrer Beteiligung an der Kinderbetreuung und Hausarbeit." Dass so wenige Männer die Betreuungszeit übernehmen, versteht Gebert selbst nicht. "Ich kann es nur jedem raten, es ist eine Erfahrung fürs Leben", sagt er. Auch in seinem Freundeskreis und im Umfeld ist der Vater alleine auf weiter Flur. Nicht immer fand ihre Entscheidung Anklang, wie Gebert durchblicken lässt. Der Vollzeitpapa möchte nicht ins Detail gehen und sagt nur so viel zu dem Thema: "Man darf sich nicht verunsichern lassen, ich habe ein dickes Fell entwickelt."

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