Rödinghausen. Eine Szenerie, wie bei einem französischen Film in der Bretagne: Die heiße Nachmittagssonne bringt die Luft über den feinsäuberlich gepflegten Kunstrasenplatz der Fichtenarena in Bruchmühlen zum Flirren, ausgelassene Gespräche schallen über die kleinen abgesteckten Felder, hier und da steht eine Bierflasche in der Sonne und wartet darauf, genüsslich entleert zu werden.
Doch die Atmosphäre ist eine ganz andere: Wie bei einem Duell im Western spürt man buchstäblich die Konzentration und Spannung, die in diesem Moment aufkommt. Ich stehe neben einem eleganten kleineren Mann im blauen Polo. Auf seiner Brust prangt, auf Italienisch, das Motto „Für Bier und Ehre".
Ungefähr sechs Meter von uns entfernt liegt ein kleines Holzkügelchen, das sogenannte Schwein. Wir sind mitten in einer Partie Boule beim Ballerina-Boule Turnier des CVJM Rödinghausen. Und es wird ernst. Das Ziel der beiden Kontrahenten ist es, möglichst viele Kugeln, näher als der Gegner, um das Schwein zu positionieren. Langsam, fast anmutig geht unser Gegner breitbeinig in die Hocke. Ruhig legt er die silberne Eisenkugel in seine rechte Hand. Seine Mimik ändert sich zu einem starren und zielgerichteten Blick. Er holt aus und lässt sanft die Kugel in Richtung der Holzkugel rollen. Nur wenige Zentimeter entfernt von ihrem Ziel bleibt die Kugel liegen.
Der Konkurrent sagt: "Das wird mit der Zeit."
Ich bin dran: Der Schweiß läuft mir über die Stirn. Das schwarze NW-Polo-Shirt tut sein Übriges. Am Abend zu vor habe ich noch Youtube-Videos im Internet angeschaut, in denen die unterschiedlichen Boule-Techniken erläutert wurden. Jetzt im Moment des Wurfes ist alles vergessen. Ich werfe irgendwie und genauso unpräzise wie mein technisches Verständnis ist auch mein Wurf. Er landet im Feld, eine genauere Beschreibung wäre unnötig. Mein Konkurrent schaut mich gönnerhaft an und sagt: „Das wird mit der Zeit". Auch meine NW-Kollegen konnten gegen die Dominanz der drei italienischen Männer nichts ausrichten. Lediglich zwei Punkte holten wir in den 12 Minuten der Spielzeit gegen sie.
Doch es kamen noch andere Gegner an diesem Samstagnachmittag. Aufgrund des Schweizer Systems des Turniers, indem am Ende immer gleich starke Mannschaften gegeneinander spielen, wurden unsere Partien immer besser.
Insgesamt 23 Mannschaften nahmen teil. Neben mehreren CVJM Mannschaften spielten auch Gruppen wie die "Flotten Bienen", "Raketen", "Fußballmuttis" und auch eine syrische Mannschaft mit. Oftmals verrieten schon die Namen die Ambitionen der Mannschaften. Mein Lieblingsteam: "Granuf(l)ink- Bei uns läufts nicht". Eine Truppe, die mindestens so lustig ist wie ihr Name war.
"Wenn der Wurf in Ordnung ist, freuen wir uns - wenn nicht, ist es auch in Ordnung"
Spiel für Spiel nahm auch unsere Boulespielform Gestalt an. In unserer sechsköpfigen Truppe wandelten sich einfühlsame Kollegen in ehrgeizige Boulespieler. Manche wurden zu filigranen Technikern, die die Aufgabe bekamen, möglichst nah ans Schweinchen zu werfen. Eine andere kristallisierte sich als Abräumerin heraus, wenn nichts mehr ging, musste sie die gegnerischen Kugeln einfach wegstoßen. Tireure, sagt man in Fachkreisen zu solch dominanten Spielern. Meine Aufgabe war schlicht und einfach: „Wirf, wenn der Wurf in Ordnung ist, freuen wir uns. Wenn nicht, ist es auch in Ordnung".
Wohlverdient gewann das dreiköpfige Team von „Boule the Park" mit 15 Punkten das Turnier. Zweiter wurden die Routiniers der CVJM-Oldies und Drittplatzierte wurden „Die Syrer" mit 13 Punkten.
Unser Team liegt am Ende auf Platz neun - immerhin von 23. Zum Schluss zwinkert mir mein Konkurrent aus dem ersten Spiel zu. Ich glaube, er wollte mir sagen: „Siehst du, das wird mit der Zeit".