Löhner Schulbusfahrer lässt sich von Schülerin für Manga begeistern und ermutigt zum Lesen

Löhne. &bdquo;Meine Klauen habe ich heute aber nicht dabei“, sagt Stadtbücherei-Mitarbeiterin Kristin Reinert, als sie sich für das Foto aufstellt. &bdquo;Und die Kontaktlinsen fehlen auch“, ergänzt die 17-jährige Mia-Lynn Brannon. Beide haben sich als ihre Lieblingsfiguren aus unterschiedlichen Geschichten verkleidet. Zwischen den beiden Cosplayerinnen steht der 74-jährige Peter Müller und lächelt. Sie alle eint eins: Sie wollen noch mehr Löhnerinnen und Löhner, gerade Jüngere, mit ihrer Begeisterung für Manga anstecken. Denn die, sagt Kristin Reinert, sorgen dafür, dass die Kinder und Jugendlichen auch sonst noch mehr lesen. Noch vor wenigen Jahren wusste Peter Müller gar nicht so genau, was Manga eigentlich ausmacht. Bis er Mia kennenlernte. Sie war damals Schülerin der Pestalozzischule, er ihr Schulbusfahrer, &bdquo;der immer alles wissen wollte“, wie Mia sagt. Eines Morgens erzählte sie ihm nebenbei, dass sie bald zu einer Messe in Düsseldorf fährt. Müller wurde im Nachhinein neugierig, recherchierte und fand raus, dass sie zur Dokomi wollte, der größten Anime- und Manga-Convention in Deutschland. Am nächsten Tag begrüßte Müller seine Passagierin dann mit dem neu gewonnenen Wissen: &bdquo;Guten Morgen, Lady Cosplay.“ Damit sei das Eis gebrochen gewesen. Denn Mia macht seit mehreren Jahren Cosplay, fertigt ihre Kostüme mit Unterstützung ihrer Oma Petra Schwarz und fährt mit ihren Großeltern, bei denen sie lebt, auch gerne zu Conventions. Ihre Oma unterstützt das Hobby gerne und ist begeistert vom Enthusiasmus der Manga- und Anime-Fans: &bdquo;Die haben teilweise wirklich unglaublich tolle Kostüme, in die viel Arbeit geflossen ist“, meint Petra Schwarz. Wie sich Comics und Manga unterscheiden Auch Peter Müller war neugierig auf Manga, die den Comics seiner eigenen Jugend in einigen Punkten ähnlich sind, in anderen wieder gar nicht. &bdquo;Ich wusste zum Beispiel vorher überhaupt nicht, dass Manga von rechts nach links gelesen werden“, sagt er. Sowohl die Buchseiten als auch die Sprechblasen sind entsprechend der japanischen Leserichtung angepasst. Und auch die Helden unterscheiden sich: &bdquo;Die sind knalliger, die Sprüche kerniger“, meint Müller, der in den Heften aber schnell auch Potenzial gesehen hat. &bdquo;Als ich den Schulbus gefahren bin, haben die Kinder ganz oft nur an ihrem Handy gedaddelt.“ Und zu Hause sei es dann vermutlich gleich an die Konsole gegangen. Das fand Müller ziemlich einseitig. Aber vielleicht könnten es ja Manga schaffen, den Blick vom Bildschirm auf eine Buchseite zu lenken? Durch die Kombination von Bild und Text seien die erzählten Geschichten schließlich leichter zu verstehen und nicht so anstrengend zu lesen. Peter Müller kaufte also gebrauchte Manga-Bände auf dem Flohmarkt. Die brachte er mit in den Bus. &bdquo;Die haben mir die Bücher aus den Händen gerissen.“ In kurzer Zeit hätten alle Schülerinnen und Schüler gelesen und miteinander Manga-Bände getauscht. Einstieg in die Welt der Bücher Dass Manga die Begeisterung fürs Lesen wecken können, weiß auch Kristin Reinert. Sie ist in der Stadtbücherei Löhne für genau diesen Bereich zuständig. Sie kennt sich aus, auch weil sie selbst eine Leidenschaft für Manga und Anime hat. In der Stadtbücherei betreut sie den Manga- und den Pokémon-Treff, wo die Kids unterschiedlichsten Alters hinkommen und ihre Lieblingscharaktere zeichnen. Reinert fertigt dafür größtenteils in Handarbeit Vorlagen an, an denen sich die Teilnehmenden orientieren können. Währenddessen können sie sich auch über neue Manga-Bände austauschen, von denen immer mehr in der Stadtbücherei ausgeliehen werden können. Einmal im Jahr werden neue Bände angeschafft. &bdquo;Ich versuche, mich daran zu orientieren, was nachgefragt ist“, sagt Reinert. Das hänge oft mit erfolgreichen Anime-Serien zusammen. Nicht wenige basieren auf einem Manga. &bdquo;Manche sind sogar eher so etwas wie Werbung für den Manga“, meint sie. Oftmals seien das zwar Themen, die sich eher an Jugendliche richten, es gebe aber in der Stadtbücherei auch viele Mangas für ein jüngeres Publikum. Der Manga-Treff habe tatsächlich so etwas wie einen Übersprungeffekt: &bdquo;Die kommen nur wegen der Manga und leihen dann noch ganz andere Bücher aus.“ In der Bücherei stehen eben noch mehr Bücher, die die jungen Leser attraktiv finden. Von der &bdquo;Schule der magischen Tiere“ bis zu &bdquo;Gregs Tagebuch“. Ausleihen schont das Taschengeld Und auch auf das Taschengeld geht das Ausleihen aus der Stadtbücherei nicht: &bdquo;Kinder und Jugendliche bis 15 sowie Schülerinnen und Schüler und Studierende bis 20 Jahre können kostenfrei ausleihen. Gebühren fallen dann nur für Vorbestellungen oder auch bei einer versäumten Rückgabe an“, erklärt Reinert. Gründe genug also für Peter Müller und Mia, auch Eltern und Großeltern zu ermutigen, ihre Kinder oder Enkel auf die Manga-Auswahl in der Stadtbücherei hinzuweisen, vielleicht mal vorbeizuschauen. &bdquo;Wenn die Kinder merken, sie werden von den Eltern unterstützt, dann klappt das mit dem Lesen auch“, sagt Müller. Inzwischen fährt Müller zwar den Schulbus nicht mehr und auch Mia ist nicht mehr auf die Pestalozzischule, sondern macht jetzt eine Ausbildung beim Wittekindshof. Der Rentner übergibt der 17-Jährigen aber noch eine Erinnerung an die besondere Zeit im Bus. Das &bdquo;Lärmometer“, wie Müller es nennt, ist ein großes buntes Poster mit einer Übersicht unterschiedlicher Lärmpegel bekannter Lärmquellen. Der einstige Arbeitsschutzingenieur hat es für seine Passagiere damals angefertigt, um begreifbar zu machen, wie sich bestimmte Lautstärken anfühlen. Dass zum Beispiel eine Schulklasse mit 75 Dezibel genauso laut ist wie ein Rasenmäher. &bdquo;Vielleicht kann man ja beim Wittekindshof etwas damit anfangen“, meint er.

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