Die Geburt der „gelben Wand“: Ein Löhner Blick auf die Wende beim BVB

Löhne. Zu Tausenden pilgern sie Woche für Woche zu ihrem Tempel. Gehüllt in schwarz-gelbe Stammesfarben, gefüllt mit Vorfreude und Emotion, gespickt mit Leidenschaft für Tradition und echtes Leder. Dann der erhabene Moment beim Betreten des Fanblocks: Die sagenumwobene &bdquo;gelbe Wand“, deren Faszination und Kraft sich selbst Außenstehende kaum entziehen können. Der BVB und seine Anhänger - das ist auch im modernen Fußball eine besondere Beziehung. Wenn auch keine selbstverständliche. Denn noch vor 20 Jahren sah die Welt rund um das Dortmunder Westfalenstadion noch gänzlich anders aus. Genau dieser Phase widmet sich jetzt der Löhner Jan Philipp Platenius in seinem neuen Buch – und erzählt dabei die Geschichte, wie die Borussia ihre heutige DNA erhielt. Der BVB im &bdquo;Vorraum zur Pathologie“ Die Worte auf dem Buchcover lassen tief blicken. &bdquo;Als der BVB fast pleite war und wir die gelbe Wand wurden“ lautet der gleichsam ehrliche wie prägnante Titel, den Jan Philipp Platenius seinem Werk verpasst hat. Ausgangspunkt ist die Bundesliga-Saison 2004/2005, die den allermeisten Dortmund-Fans noch bestens im Gedächtnis sein dürfte. Und das sowohl mit schmerzhaften als auch freudigen Erinnerungen. Mehr zum Thema: Lokalsport in OWL: Aktuelle News & Ergebnisse &bdquo;Damals“, so sagt Platenius, &bdquo;stand der Verein mit dem Rücken zur Wand.“ Sportliche Misserfolge und unternehmerische Fehlentscheidungen hatten den BVB seinerzeit in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten oder – wie eine oft bemühte Floskel damals sagte – in den &bdquo;Vorraum zur Pathologie“ gebracht. Vereinspräsident Gerd Niebaum und Manager Michael Meier sahen sich mit verstärkter Kritik aus der Anhängerschaft konfrontiert. Ein &bdquo;Schwarzgelber“ durch und durch Zu jenen gehörte damals auch schon Platenius, der sich selbst als &bdquo;Schwarzgelber durch und durch“ bezeichnet. Anfang der 1990er Jahre war der heute 41-Jährige durch den WM-Titel in Italien zum Fußball- und kurze Zeit später auch zum BVB-Fan geworden. &bdquo;Meine Eltern hatten mir zum Geburtstag den Besuch eines Bundesligaspiels geschenkt“, erinnert sich der Löhner. &bdquo;Und weil Arminia damals nur in der Oberliga kickte, war Dortmund irgendwie das naheliegendste.“ Schon damals weckten BVB-Legenden wie Stéphane Chapuisat, Michael Zorc oder Stefan Klos das Interesse von Platenius. Spätestens bei der zweiten Reise ins Westfalenstadion wenig später, dieses Mal mit den Mannschaftskollegen von TuRa Löhne, wurde aus anfänglicher Begeisterung schließlich echte Leidenschaft. &bdquo;Und die hat sich dann einfach verfestigt.“ Ein Ausverkauf der Tradition? Zwei Meisterschaften und einen Champions-League-Triumph durfte er in der Folge bejubeln, bevor die Zeiten rauer wurden. Als der BVB im Jahr 1999 zunächst die Lizenzspielerabteilung ausgliederte und ein Jahr später an die Börse ging, waren Platenius und seine schwarz-gelben Mitstreiter bereits in Aufruhr. &bdquo;Wie viele andere Fans sehe und sah ich solche kommerziellen Entwicklungen immer kritisch“, erklärt er. Als dann nach einem kurzen sportlichen Zwischenhoch unter Trainer Matthias Sammer ein Negativtrend einsetzte und sogar das Gerücht umging, der Klub habe die Marketingrechte an seinem Vereinsnamen und dem BVB-Logo an einen Versicherungskonzern verpfändet, war das Maß schließlich voll. &bdquo;Wir befürchteten damals einen Ausverkauf unserer Traditionen“, sagt Platenius rückblickend. &bdquo;Außerdem spielte Borussia eine miserable Hinrunde.“ Zäsur in der Vereinsentwicklung Im Februar 2005 gipfelte die sportliche und finanzielle Talfahrt schließlich in wütenden Fanprotesten. &bdquo;Not for sale“, skandierten die aufgebrachten Anhänger auf eigens anberaumten Demos. Niebaum und Meier nahmen ihren Hut, Hans-Joachim Watzke und Reinhard Rauball übernahmen das Kommando - und retteten den Verein auf fast wundersame Weise vor der Insolvenz. &bdquo;Und ab diesem Zeitpunkt“, so sagt Platenius, &bdquo;wurde alles positiver.“ Nicht nur, dass die Mannschaft in einer fulminanten Aufholjagd die beste Rückrunde der Vereinsgeschichte spielte und nach vielen Jahren erstmals wieder einen Derbysieg gegen Schalke einfuhr – auch die Fans selbst rückten wieder zusammen und versammelten sich geschlossen hinter der Neuausrichtung ihres BVB. &bdquo;Das war auch die Geburtsstunde der gelben Wand, die Fangruppe ,The Unity’ hatte auf der die Südtribüne eine beeindruckende Choreografie mit 4.000 Doppelhaltern auf die Beine gestellt“, erinnert sich Platenius. Ein Anblick, der bis heute das Bild der Borussia prägt und den selbst gewählten Vereinsslogan &bdquo;Echte Liebe“ ein Stück weit mit Leben füllt. Trailer zum BVB Film Wir Die Wand: Neun Monate Recherche auf knapp 200 Seiten Zwei Jahrzehnte ist all das nun her. Längst bewegt sich der BVB wieder in höheren Sphären. Die Erinnerungen an die Saison 2004/2005 und damit an eine der turbulentesten Spielzeiten aus Borussia-Sicht, leben aber noch immer in den Köpfen etlicher Dortmunder Fans – und wurden jetzt erstmals von Jan Philipp Platenius verschriftlicht. &bdquo;Tatsächlich gibt es über diese Zeit kaum Literatur“, sagt der Löhner. Lediglich das Buch &bdquo;Die Akte schwarzgelb“ beschäftige sich mit dem Thema, konzentriere sich aber ausschließlich auf den wirtschaftlichen Aspekt. &bdquo;Das war mir zu wenig“, sagt Platenius. Neun Monate lang hat der Unternehmer, der vor Jahren auch den erfolgreichen Podcast &bdquo;Football was my first love“ ins Leben rief, an seinem Buch gearbeitet, Erinnerungen aufgeschrieben, mit Zeitzeugen gesprochen und in Fan- und Fachzeitschriften recherchiert. Herausgekommen sind knapp 200 Seiten, die gleichzeitig als Fangeschichte, Wirtschaftskrimi und Vereinshistorie von Borussia Dortmund gelten können, gespickt mit zahlreichen Anekdoten. Freiwilliger Verzicht auf einen Derbysieg &bdquo;Ich verfolge dabei mehrere Stränge“, sagt der Autor. &bdquo;Die Fast-Pleite des BVB, die sportliche Entwicklung und die Anhängerschaft werden mal im Wechsel, mal gemeinsam unter die Lupe genommen.“ Auch der eigene Blick kommt nicht zu kurz. Schließlich war Platenius seinerzeit als Fan ganz nah am Geschehen, gehörte einer Ultragruppe an und verpasste nach eigenen Angaben damals kein Spiel. Mittlerweile sind die Fahrten zum Westfalenstadion seltener geworden. Die Liebe zum BVB aber, zur Fanszene und zur Vereinsidentität ist bei Jan Philipp Platenius noch immer ungebrochen. Trotz oder auch gerade wegen der Ereignisse von vor 20 Jahren. Nur auf einen Derbysieg gegen Schalke kann der Löhner erst einmal verzichten: &bdquo;Die dürfen ruhig noch ein paar Jahre in der zweiten Liga kicken.“

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