Löhner Naturschützer nehmen den Werreauenpark unter die Lupe

Löhne. Ein Naherholungsgebiet mitten in der Stadt, direkt am Fluss, soll er sein. Der Werreauenpark. Gefördert als Stadtentwicklungsprojekt, vor kurzem erst mit einer großen Veranstaltung feierlich eingeweiht. Zusammen mit der noch kommenden Grünachse soll er den Löhnerinnen und Löhnern sowie Besuchern ein grünes Band durch die Innenstadt bieten, vom Bahnhof aus am Wasser entlang. Natur und Ökologie stehen bei diesem Anliegen zwar nicht im Mittelpunkt, können aber mitgeplant werden. Wie stark sind Klima- und Artenschutz berücksichtigt worden? Als die Werreauen im Frühjahr 2019 gerodet wurden, war das Kind aus Sicht von Naturschützern schon in den Brunnen gefallen. Rund ein Hektar Grünmasse sei zerstört worden, klagte der engagierte Naturgarten-Experte Karl Heinz Niehus damals, der Löhner BUND-Ortsgruppen-Leiter Burkhard Kriesten sprach von unverhältnismäßigen Schäden für die Natur. Nun ist anstelle des Auenwalds ein Park entstanden. Fremde Arten Ist doch weiterhin ziemlich grün, oder? Doch nicht alles was grün ist, sei auch förderlich für Biodiversität, erklärt Niehus. Er hat sich die im Park gepflanzten Stauden und Gehölze einmal genauer angeschaut. Das Ergebnis: Viele Zuchtformen, einige heimische Gewächse, aber durchaus auch fremde Arten. So wurde unter anderem an den Parkbuchten zwischen Park und Werretalhalle als Rankpflanze der sogenannte Wilde Wein, auch Selbstkletternde Jungfernrebe genannt, gepflanzt. "Der wächst schneller als man den zurückschneiden kann", meint Kriesten. Im Herbst werden die Blätter der aus Nordamerika stammenden Rankpflanze tiefrot. "Wilder Wein ist schnellwüchsiger als der Efeu und dient ebenfalls vielen Insekten als Nahrungsquelle", betont Eike Ehrig vom Landschaftsarchitekturbüro Ehrig, das den Park gestaltet hat, auf Anfrage. Dass auch der Wilde Wein eine Nahrungsquelle für Insekten sein kann, die nicht wählerisch sind, stellt auch Niehus nicht infrage. "Es ist nicht wirklich klar, welche und wie viele Insekten da drauf gehen", zweifelt er die Nachweisbarkeit an. Diese Themen würden leider noch viel zu wenig wissenschaftlich erforscht. "Und an die Spezialisten - beim Efeu etwa die Efeu-Seidenbiene - ist damit nicht gedacht." Im Zweifel würde er darum immer eher auf eine heimische Art setzen, auch wenn die Herbstfärbung nicht so auffällig sei. Zuchtformen Zuchtformen heimischer Arten sind auf den ersten Blick nicht so fehl am Platz. Meist ist in der Zucht ein bestimmter Aspekt verändert worden, zum Beispiel das Aussehen. Im neuen Park findet sich etwa die Säuleneiche an der Plattform unterhalb der Werretalhalle. Sie hat eine hohe und schlanke Form und sei gepflanzt worden, "um eine proportionierte Abstufung zum Baukörper der Werretalhalle zu bilden", wie Ehrig erklärt. Niehus ist auch hier skeptisch. Es gebe durchaus Tierarten, die auf die spezifische Form angewiesen sind, zum Beispiel auf einen engen oder weiten Winkel der Astgabeln, lichte Baumkronen oder andere Merkmale. Im komplexen Beziehungsgeflecht der Arten, das nur schwer gänzlich zu erforschen sei, sei es schwierig, die Konsequenzen abzusehen. "Jede Art ist Teil eines ökologischen Systems, das über Millionen Jahre gewachsen ist", sagt er. Klimawandel Nachvollziehen kann der Naturschützer zumindest in Teilen die Argumentation, Arten zu pflanzen, die gegen den Klimawandel gewappnet sind - solange diese ein heimisches Vorkommen haben und somit ins vorhandene Ökosystem passen. Landschaftsarchitekt Ehrig zählt gleich mehrere Arten auf, bei denen dieser Faktor eine Rolle gespielt habe. Darunter die Elßbeere, die Esskastanie und der Speierling, letzterer sei sogar auf der Roten Liste gefährdeter Arten, betont Ehrig. "Diese Arten wurden ausgewählt, weil es sich hierbei um klimaresiliente Arten handelt, die noch dazu nur selten vorkommen." Angesichts der Klimaerwärmung sei es fahrlässig die Klimaresilienz von Gehölzen bei Neupflanzungen außer Acht zu lassen, meint der Landschaftsarchitekt. Zudem sei es ratsam, dass sich Städte und Gemeinden möglichst divers aufstellen und die Artenauswahl nicht auf wenige natürliche Baumarten verengen. "Denn wir müssen leider davon ausgehen, dass die Klimaerwärmung eher über 3 Grad Celsius hinausgehen wird", sagt Ehrig. "In 100 Jahren werden sich die Löhner darüber freuen, dass seinerzeit genau die Baumarten im Auenpark gepflanzt wurden, die heute bei manchem noch zu Irritationen führen mögen." Versiegelung Wenn es ums Bewusstsein fürs Klima geht, fassen Kriesten und Niehus hingegen die neuen Plattformen ins Auge. "Hier ist unnötig viel Fläche versiegelt worden", sagt Niehus. Das Problem: Wenn Boden versiegelt wird, kann keine Feuchtigkeit mehr eindringen, Lebensraum für Tiere und Pflanzen geht verloren und im Sommer fehlt der kühlende Effekt von Vegetation. Statt der Pflasterung hätte man doch mehr mit Rasengittersteinen arbeiten können, meint Kriesten. Eine Art Fenster aus Rasengittersteinen gibt es schon. "Das ist die Abstellfläche für die Feuerwehr", erklärt Valentin Knopke vom Amt für Straßenbau und Verkehr der Stadt Löhne. Er hat von Seiten der Verwaltung den Bau des Werreauenparks begleitet. Eine komplette Gestaltung mit Rasengittersteinen wäre nicht möglich gewesen, sagt Knopke, weil dadurch die Barrierefreiheit gefährdet würde. "Gerade für gehbehinderte Menschen oder solche mit Rollator ist das schon eher schweres Gelände. In den Lücken der Rasengittersteine können die Räder von Rollatoren durchaus hängenbleiben." Pflege "Ziel ist es ja, die Leute hier an den Fluss zu kriegen", meint Burkhard Kriesten, der als sachkundiger Bürger im Planungsausschuss den Entstehungsprozess verfolgt hat. Ob der neue Park diesen positiven Effekt entwickeln kann, "das hängt an der richtigen Pflege". Aber auch, ob die Ufervegetation, für die aus Sicht der Naturschützer in der Tat ein dem Ort entsprechendes Saatgut gewählt wurde, ein guter Lebensraum sein kann, sei damit eng verzahnt. Als positiv bewerten Niehus und Kriesten etwa, dass dort abschnittsweise und abwechselnd gemäht wird. Das bestätigen sowohl das Landschaftsarchitekturbüro als auch Valentin Knopke von der Stadt. "Es werden hier zwei Bereiche abgewechselt, damit Tiere und Insekten umsiedeln können", sagt Knopke. Neuer Raum anderswo? Lebensraum für Insekten sei ein wichtiges und immer rarer werdendes Gut, sagen auch die Naturschützer. Aus ihrer Sicht wäre sowohl für das Klima als auch für den Artenschutz der Erhalt des Auenwaldes die bessere Alternative gewesen. Kühlende Effekte, Wasserspeicher, Lebensraum - all das sei damit verloren gegangen. "Vielleicht kann so etwas ja wieder entstehen mit der Werrerenaturierung", meint Kriesten. Der groß angelegte Umbau des Flusses soll auf Löhner Gebiet 2024 starten. Wenn sich in der Folge die Vegetation natürlich ausbreiten könne, dann wäre das vielleicht ein Ersatz.

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