"Die haben mich verstümmelt": Patientin leidet noch Jahre nach Operationen

Löhne/Bad Oeynhausen. Sara Simon sitzt am Keyboard in ihrem Wohnzimmer. "Liebe mich so wie ich bin", singt sie den von ihr für ihren Mann erdachten Text. "Verzweifle bloß nicht an mir." Für diesen Moment, wenn sie Musik macht, spürt sie den Schmerz nicht so sehr, das zur Hälfte gelähmte Gesicht entspannt sich, sagt die 81-Jährige. Das Gleiche gilt auch für das Schreiben. Fünf Bücher hat sie unter dem Pseudonym Sara Simon schon veröffentlicht, zwei davon ganz aktuell während der Corona-Pandemie. Die Autorin hat lange in Löhne gelebt, wohnt heute kurz hinter der Kreisgrenze in Bad Oeynhausen. Hinter der zierlichen, schlanken Frau, die mit jeder Strophe etwas lauter singt, liegt eine lange Leidensgeschichte. Eine, die kaum zu erahnen ist, wenn die lebensfrohe Simon einem gegenübersitzt. Angefangen hat alles, als sie noch in Ostberlin lebte und dort als Friseurmeisterin einen Salon betrieb. Starke Kopfschmerzen und Schwindel plagen sie von Tag zu Tag mehr. Da ist sie 35 Jahre alt. Mit 36 erleidet sie einen Herzinfarkt. Ein Jahr vorher ist ihr Vater an einem Herzinfarkt gestorben. Sie hat Angst, dass es ihr genauso geht. Von einem Arzt zum Nächsten geht sie mit ihren Beschwerden, auch immer wieder in die Kieferorthopädische Abteilung der Charité. Doch die Ärzte dort fanden nichts - "angeblich", sagt sie. Behandelt wird sie nicht. Sie bekommt nur Schmerzmittel und Ratschläge. "Gehen Sie doch mal an die frische Luft, haben die zu mir gesagt.""Mut ist, wenn man trotzdem kämpft" Doch Sara Simon gibt nicht auf, kämpft weiter um eine Diagnose und eine Behandlung. "Mut ist, wenn man trotzdem kämpft, auch wenn der Feind in der Überzahl ist", zitiert sie einen ihrer liebsten Sinnsprüche, die sie sammelt. Sie fasst schnell den Verdacht, einfach nicht ernstgenommen zu werden. In ihren Büchern schreibt sie von der "weißen Mafia". Sie sei auf einer schwarzen Liste gelandet. Sogar in die Psychiatrie habe man sie einweisen wollen, wäre nicht ein anderer Arzt eingeschritten. Später habe sie dann herausgefunden bei einem der vielen Ärzte, die sie konsultierte, dass sie wohl zahlreiche Entzündungsherde im Kiefer hatte. Zysten hätten sich gebildet. "Die waren doch auf dem Röntgenbild klar zu erkennen", sagt sie heute.Viel zu spät wird sie dann operiert - und auch hier sei vieles schiefgelaufen. "Die haben mich ja so verstümmelt", sagt sie. 18 Operationen im Gesicht hat Simon insgesamt hinter sich, einige richteten mehr Schaden an, als zu helfen. Bei einer OP wurde ihr ein Nerv verödet - als Folge ist ihre rechte Gesichtshälfte gelähmt, bis über die Stirn und in den Hals hinein. Auch ihre Zunge ist mit betroffen. "Es ist, als würde einem der halbe Kopf fehlen.""Ich habe gelernt damit zu leben" Nach der Wende zieht sie schließlich der Liebe wegen nach Löhne. Weitere Operationen und gute wie schreckliche Begegnungen mit Ärzten im Westen folgen. Gleichzeitig hören die quälenden Schmerzen nie auf, wie ein Messer fühle es sich an, dass ihr plötzlich ins Gesicht getrieben wird. Zu ändern sei ihr jetziger Zustand nicht mehr. "Ich habe gelernt damit zu leben." All diese Erfahrungen verarbeitet Simon in ihren Autobiografien. In ihren Büchern heißt die Protagonistin jedoch Mira oder Rosa. Erstmals schrieb sie 2014 "Die Macht der weißen Krähe". Darauf folgten "Blanker Wahnsinn" (2017) und "Die Russen, die Stasi und ihre Machenschaften" (2018). In letzterem hat sie die Kriegserlebnisse vom Vater, Erinnerungen von Verwandten und eigene Erlebnisse auf 391 Seiten miteinander verwoben. In der Corona-Pandemie sind nun noch zwei weitere Bücher hinzugekommen. "Das gestohlene Leben" greift ihre Odyssee von einem Arzt zum nächsten noch einmal auf, erzählt das Ganze aber fragmentarischer. Und in einem etwas schmaleren Band hat sie unter dem Titel "Über bewusste Verstümmelung durch Kieferchirurgen" eher protokollarisch zusammengefasst, was ihr widerfahren ist. Sie schreibe, weil es ihr gut tue, aber auch, weil sie anderen Menschen Mut machen will, die Ähnliches erlebt haben. Sara Simons Bücher sind im Selbstverlag erschienen, die ersten drei gibt es auch online als E-Book. Wer sich aber für die beiden neusten Erscheinungen interessiert oder Interesse an einer gedruckten Variante hat, kann sich selbst mit der Autorin in Kontakt setzen unter mrtat@web.de.

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