Privatinsolvenzen: Wieso gerade jetzt mehr Schuldner diesen Weg wählen

Löhne. Wer sich die Zahlen der Privatinsolvenzen für das dritte Quartal 2021 anschaut und sie mit dem Vorjahr vergleicht, könnte erst einmal einen Schock bekommen. Diese sind in NRW um 199,6 Prozent gestiegen, während die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sogar leicht abgenommen hat. Das belegen Zahlen des statistischen Landesamts IT NRW. Im Kreis Herford sind vor allem in Löhne im dritten Quartal besonders viele Insolvenzen angemeldet worden - mehr noch als in Herford, das deutlich mehr Einwohner hat. Gleichzeitig sinkt laut aktuellem Schuldneratlas von Creditreform die Anzahl der verschuldeten Haushalte - insgesamt und auch hier vor Ort. Woran liegt das? Dass die Zahl der Privatinsolvenzen flächendeckend zugenommen hat, hat einen wichtigen formal rechtlichen Grund, wie Dirk Markus von Creditreform Herford-Minden erklärt. Die Auskunftei hat ihren Sitz in Löhne. "Die Zeit bis zur Restschuldbefreiung ist von sechs Jahren auf drei verkürzt worden." Die auf Basis einer EU-Richtlinie verfasste Änderung war Ende 2020 verabschiedet worden. Sowohl IT NRW als auch Dirk Markus weisen darauf hin, dass das dazu geführt haben könne, dass viele Insolvenzanträge - vor allem aus dem zweiten Halbjahr 2020 - hinausgezögert wurden. Das, so sagt Markus, könne schnell ein falsches Bild erzeugen. Laut Schuldneratlas 2021, eine Übersicht, die das Unternehmen regelmäßig veröffentlicht, hat die Überschuldung privater Haushalte eher abgenommen. "Das ist auch in Löhne nicht anders." Von 2004 bis 2021 habe in der Werrestadt die Überschuldungsquote von 10,87 Prozent auf 9,69 Prozent abgenommen. Und galten 2020 noch 3.602 von 33.137 Löhnern über 18 Jahren als überschuldet, waren es 2021 noch 3.224 von nun 33.264. "Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt" Es sei in diesem Zusammenhang wichtig, die Überschuldung und die Insolvenzen nicht einfach in einen Topf zu werfen. "Wer Insolvenz beantragt, befindet sich schon am Ende der Nahrungskette", erklärt der Geschäftsführer. Insofern sei die Überschuldungsquote ein deutlich genauerer Gratmesser als die Insolvenzen für die finanzielle Lage privater Haushalte. Also kein Grund zu Sorge? Nicht ganz, meint Markus. Die Corona-Pandemie bringe viele Unwägbarkeiten mit sich. Zum Einen hätten die Menschen in der Pandemie ihr Geld eher zusammengehalten, weniger konsumiert. Zum Anderen würden viele Probleme durch Überbrückungshilfen und Kurzarbeit nach hinten verschoben. "Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt." Diese Einschätzung bestätigt auch Susanne Niebuhr von der Schuldner- und Insolvenzberatung der AWO in Löhne. "Das ist noch ein langer Rattenschwanz, der sich da hinterherzieht." Wenn die Hilfen der Pandemie endeten, dann würde sich erst in zwei oder drei Jahren wirklich zeigen, wie sich all das letztendlich auswirke. Derzeit sei außerdem der Druck nicht so da, es werde auch mal länger auf eine Mietzahlung gewartet. "Da schieben die Leute das nach hinten." Persönliches Unglück als Auslöser Leider kämen die Menschen oft erst dann zu ihr, wenn es eben nicht mehr fünf vor zwölf sei. "Sondern schon mindestens fünf nach zwölf." Viele hätten dann bereits eine Insolvenz als möglichen Ausweg im Sinn - jetzt sogar noch mehr als vorher, da die Zeit bis zur sogenannten Restschuldbefreiung verkürzt worden ist. "Dadurch kommt das Verfahren für mehr Menschen in Frage, die es sonst nicht erwogen hatten." Ganz so einfach sei dieser Weg jedoch nicht. Es gibt klare Voraussetzungen und auch die Auflagen sind streng. "Bei ganz vielen macht es keinen Sinn. Da muss man dann schauen, ob es eine andere Möglichkeit gibt", erklärt Niebuhr. Oftmals sei persönliches Unglück der Auslöser dafür, warum Menschen überhaupt in einer Schuldenspirale landen. Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung und Trennung nennt die Schuldnerberaterin als Beispiele. Teilweise seien auch Häuslebauer dabei. "Aber aktuell eher weniger. Die Zinsen sind in dem Bereich gerade ganz gut, so dass sich oft eine Anschlussfinanzierung ergibt."

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