Wie barrierefrei wählt Löhne?

Löhne. Wählen dürfen und Wählen können ist bei Weitem nicht das gleiche. Viele Menschen stehen bei Wahlen regelmäßig vor Barrieren, die sie davon abhalten, ihre Rechte auszuüben. Menschen mit Behinderungen werden so Selbstbestimmung und Teilhabe erschwert: Ob die Treppe vorm Wahllokal, zu wenig Platz in der Wahlkabine oder das Ankreuzen des Wahlscheins: Das Wählen ist auf nicht-behinderte Menschen zugeschnitten. Dabei betrifft Barrierefreiheit viele Menschen – auch in Löhne: Laut einer Auswertung des statistischen Landesamtes IT.NRW leben in Löhne 3.976 Menschen mit einer Schwerbehinderung (Stand 31.Dezember 2019). Damit war vor über anderthalb Jahren jede zehnte Person in Löhne schwerbehindert. Gleichzeitig stieg diese Zahl in den vergangenen Jahren kontinuierlich: Waren 2017 beispielsweise 3.696 Menschen mit Schwerbehinderung in Löhne ansässig, waren es 2013 erst 3.391. Kleine Mittel, große Wirkung Alle Wahlräume der Stadt Löhne seien seit Jahren barrierefrei: "Menschen mit Rollstuhl oder Rollator können jedes Wahllokal erreichen," sagt Ordnungsamtsleiter Paul Urban. Zusätzlich verteile die Stadt am Wahlmorgen Keile, damit Türen aufgesperrt werden können, die keine elektrischen Türöffner haben. Das sei für ihn ein Beispiel, wie schon mit kleinen Mitteln viel für Barrierefreiheit getan werden kann. "Dass blinde oder sehbehinderte Menschen in die Löhner Wahllokale kommen, ist relativ ungewöhnlich", so Urban. Mit einer Wahlschablone können sie selbstständig den Stimmzettel der Bundestagswahl ankreuzen – auch in der Kabine. Bei einer Kommunalwahl dagegen können Blinde das Wahlgeheimnis praktisch nicht wahren: Weil es keine einheitlichen Stimmzettel gibt, gibt es auch keine solche Schablone. Aber auch mit Wahlschablone bliebe der Gang zur Wahlurne in Löhne selten. "Das werden die meisten Zuhause machen", schätzt Urban. Barrierefreie Wahl nur durch barrierefreie Stadt Wählen bleibt aber auch ein soziales Ereignis, kommentiert Ute Brandt-Brüggemann von der Arbeitsgruppe zur Wahrung der Belange für Menschen mit und ohne Handicap. "Es geht um den sozialen Kontakt und die Möglichkeit, mit den Nachbarn zusammen wählen gehen zu können." Zur Frage, wie barrierefrei das Wählen in Löhne ist, gehört deshalb auch die Frage, wie barrierefrei die Stadt Löhne ist. Denn obwohl Löhne auf eine Rekordzahl an Briefwählern zusteuert und Urban Ende August mit bis zu 50 Prozent Briefwählern rechnete, werden trotzdem viele Löhnerinnen und Löhner zum Wahllokal gelangen müssen. Nicht nur die Wahlgebäude selbst, sondern auch der Weg dorthin müsse deshalb barrierefrei sein, damit das Wählen wirklich möglichst vielen zugänglich gemacht werden kann. Ampelanlagen etwa fehlt es an Leitlinien, Akustiksignalen und abgesenkten Bordsteinen, kritisiert Brandt-Brüggemann. "Das ist alles noch lange, lange hin." Barrierefrei ist nicht gleich barrierefrei "Es ist längst nicht alles barrierefrei, wo barrierefrei draufsteht", sagt Wolfgang Linnemann, 1. Vorsitzender der Spastikerhilfe Bad Oeynhausen e.V. und ebenfalls Mitglied der Arbeitsgruppe zur Wahrung der Belange für Menschen mit und ohne Handicap. So fordert die Arbeitsgruppe, dass sie und ihre Expertise bei Entscheidungen stärker miteinbezogen werden. Etwa bei der Verlegung von Pflastersteinen, die oft zu Stolperfallen würden. "Da denkt ja auch keiner dran", sagt Linnemann. Immerhin beträfe es viele nicht – und die, die es betrifft, fällten nicht die Entscheidungen. Ihm sei bewusst, dass häufig schlicht Berührungspunkte fehlten. "Wir wollen keine Steine in den Weg legen, sondern erhoffen uns Teilhabe am gesellschaftlichen Leben", so Linnemann weiter. "Wir wissen auch, dass das nicht von heute auf morgen geht. Aber wenn keiner was sagt, ändert sich nichts." Es gebe aber durchaus positive Entwicklungen: Der Trakt A der Realschule beispielsweise ist von der Pestalozzistraße aus barrierefrei zu erreichen, erzählt Ute Brandt-Brüggemann. Und insgesamt sei etwa ein Zugang zur Gastronomie, zum sozialen Leben wichtiger, sagt Linnemann. "Die Wahl können wir notfalls auch anders regeln. Gesellschaftliche Teilhabe nicht." Scheitert anonyme Wahl an zu engen Wahlkabinen? "Als Rollstuhlfahrer ist es gar nicht immer möglich, anonym zu wählen", sagt Brandt-Brüggemann. Die Kabinen seien meist zu eng und die Höhe der Ablage, auf dem Wählerinnen und Wähler den Wahlzettel ablegen, um ein Kreuz zu machen, ist für Personen ausgelegt, die das im Stehen erledigen. Wer im Rollstuhl sitzt, reiche da nicht heran. Es brauche eine separate Kabine. Die allerdings gebe es bereits, sagt Urban: "Wir haben in allen Löhner Wahllokalen rollstuhlgerechte Kabinen." Mindestens eine, oft aber auch alle Kabinen seien breit genug. Der Tisch könne zudem tiefer gehängt werden - entweder von den Wählerinnen und Wählern selbst, oder vom Wahlvorstand. In den letzten Jahren sei ein Großteil der Lokale mit behindertengerechten Kabinen ausgestattet worden, so Urban. Noch sind nicht alle Kabinen umgerüstet, geplant sei das allerdings. Am Wahltag selbst würden zudem die Wahllokale ausgeschildert, sodass alle möglichst zügig barrierefreie Eingänge finden.

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