Eine große Pionierin aus Löhne tritt ab: Danke, Lena!

Als der Deutsche Fußballbund im November wohlwollend seine "50 Jahre Frauenfußball" feierte, war das nur die halbe Wahrheit. Denn der Festakt unterschlug die vielen Jahre, in denen Frauen das Spiel mit dem runden Leder zuvor schlicht untersagt wurde und verschwieg den langen Kampf, den manche kickende Pionierin zu kämpfen hatte; meist begleitet von ekelhaften Kommentaren und herablassenden Bemerkungen. Mit Lena Goeßling tritt nun eine von ihnen von der großen Fußballbühne ab. Und mit ihr ein Löhner Kind, dessen Verdienste gar nicht hoch genug einzuschätzen sind. Für den Fußball, für die Frauen und nicht zuletzt auch für ihre Heimat. Es war in den 90er Jahren, als Lena Goeßling in Obernbeck erstmals die Fußballschuhe schnürte. In einer Zeit, in der kickende Frauen oftmals nicht nur belächelt, sondern zum Teil regelrecht verspottet wurden. Während die deutschen Nationalspielerinnen für ihren EM-Triumph vom DFB eine vielsagende Prämie in Form eines Kaffeeservices überreicht bekamen, trotze Goeßling sämtlichen Vorurteilen und begleitete ihren Zwillingsbruder Arne zum SVLO. Eine gute Entscheidung, wie sich zeigen sollte. Der Grundstein zur Karriere Viele Mädchen, die seinerzeit dem Fußball frönten, hängten ihre Stollenschuhe bald an den Nagel. Lena Goeßling aber hatte einfach zu viel Freude am Spiel und am Sport, um sich entmutigen zu lassen. Sie nahm den Kampf an - und gewann ihn. Auf dem grünen Rasen erwarb sie sich zunächst inmitten von kickenden Jungs ihre wohlverdiente Anerkennung, überzeugte mit Pass- und Stellungsspiel und überragte in Sachen Talent etliche ihrer Mitspieler. Schon damals, so sagen ehemalige Mitspieler und Trainer, zeichnete sich ab, dass sie mal eine ganz Große werden würde. Und sie sollten Recht behalten. Lena Goeßling ging beständig ihren Weg, der sie im Lauf der Jahre zu immer größeren und erfolgreicheren Frauenteams führte. Erst ging es zum SV Sundern, dann nach Gütersloh, der damaligen ostwestfälischen Hauptstadt des Frauenfußballs. Es war die Zeit, in der sich erstmals eine Löhnerin das Nationaltrikot überstreifen durfte: Mit der U-19 des DFB wurde Goeßling 2004 Weltmeisterin, zuvor hatte sie bereits die deutsche Meisterschaft der B-Juniorinnen gewonnen. "Da ist eine von uns dabei!" Auch in der Heimat wurde man plötzlich hellhörig. Hatten ehemalige Löhner Weggefährten ihren Weg stets verfolgt, war der Name Lena Goeßling nun auch einer breiteres Masse der Werrestadt und des Kreises Herford ein Begriff. "Da ist eine von uns dabei", erzählte man sich auf der Straße. Und mit einem Mal war es gar nicht mehr so wichtig, dass es sich bei dem heimischen Talent um eine Frau handelte - es war eine Löhnerin. Und allein das war immer mehr Menschen Grund genug, auf der Couch vielleicht doch mal zum Spiel der deutschen Frauen umzuschalten. Sofern sich irgendein Sender bequemte, die Partien überhaupt zu übertragen. Denn obwohl mit der Nationalmannschaft im Jahr 2001 erstmals ein weibliches Team zur "Mannschaft des Jahres" gewählt wurde, kämpfte der Frauenfußball noch immer gegen etliche Klischees, Widerstände und zweifelhaften Ruhm an. Schalke-Manager Rudi Assauer fand, Frauen seien zu besserem geeignet als Fußball - bezeichnenderweise in einem Interview mit dem Playboy. Rudi Völler ätze über einen Schiedsrichter, er pfeife wie beim Frauenfußball. Und als Claudia Müller das DFB Team 2001 zum EM-Titel schoss und sich beim Torjubel das Trikot über den Kopf zog, landete das Foto auf dem Titel der Bild: "So schön kann Frauenfußball sein!" Eine Bilanz, die sie zur Pionierin macht Wie schön er wirklich war, zeigte indes Lena Goeßling. Unbeirrt von derlei markigen Sprüchen arbeitete sie beharrlich an ihrer Karriere, wechselte in die Bundesliga nach Bad Neuenahr und später zum aufstrebenden VfL Wolfsburg - und belehrte die Besserwisser und Möchtegern-Machos schnell eines Besseren. Schon bald wurde sie zum festen Bestandteil der Nationalelf und hielt bei den Wölfinnen die Defensive zusammen, führte beide Mannschaften zu mehreren Titeln. Als Sprücheklopfer Mario Basler 2013 über Twitter verlauten ließ, die Frauen-EM sei schlimmer als die Sommerpause im Männerfußball, antwortete Goeßling auf ihre Weise und schenkte dem Land mit beeindruckenden Leistungen im Turnier nicht nur den Europameistertitel, sondern auch einen der seltenen Momente von Euphorie für den heimischen Frauenfußball. Viel Stolz dabei Heute stehen acht DFB-Pokalsiege, sechs deutsche Meisterschaften und zwei Champions-League-Titel in Goeßlings Vita. 2015 wurde sie zur Nationalspielerin des Jahres gewählt, 2016 setzte sie sich zudem die Krone auf, als sie in Rio die Goldmedaille gewann und als erste Löhner Olympiasiegerin zurück kehrte. Eine Bilanz wie sie nur wenige Sportler, auch männliche, vorweisen können. Eine Bilanz, die viele Löhner mit Stolz erfüllt. Eine Bilanz, die vielen jungen kickenden Frauen als Ansporn und Mutmacher dient. Und eine Bilanz, die dem Frauenfußball die Akzeptanz verleihen kann, die er schon lange verdient. Eine Bilanz, die sie zur Pionierin macht. Auch nach ihrem Rückzug von der großen Fußballbühne. Danke dafür!

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