Lokale Inzidenz jenseits der 250: Ist Löhne ein Corona-Hotspot?

Löhne. Wer tagtäglich die Corona-Zahlen nachliest, dem wird es aufgefallen sein: Seit geraumer Zeit sind die Infektionszahlen in Löhne auffallend hoch. Und nicht nur das: Auch im Vergleich zum Rest des Kreises hat die Werrestadt schon seit zwei Wochen ausgesprochen viele Neuinfektionen - während die Inzidenz im Kreis langsam sinkt. Ist Löhne also ein Hotspot in der Pandemie? Und wie hoch wäre eigentlich die errechnete Inzidenz in Löhne? Das hat sich auch NW-Leser Hans-Peter Scarabis gefragt. Der 67-jährige Löhner hat nach seinem Mathematikstudium viele Jahre in der IT gearbeitet und kennt sich entsprechend mit Zahlen gut aus. Also setzte er sich kurzerhand hin und errechnete aus den vom Kreis gemeldeten Coronazahlen die Neuinfektionen für die Stadt und daraus wiederum die Sieben-Tages-Inzidenz. Diese ergibt sich aus der Anzahl der Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen, gerechnet auf 100.000 Einwohner. "Ich hatte erwartet, dass die Inzidenz sehr hoch ist", berichtet er. Aber das Ausmaß überraschte ihn dann doch: Lag die errechnete Inzidenz am 8. März noch bei 45, überschritt sie bereits eine Woche später die 100er-Marke. Ende März lag sie bereits bei über 200 und pendelte sich in der ersten Woche im April bei Werten um 250 ein. "Damit ist die Inzidenz in Löhne seit einiger Zeit etwa doppelt so hoch wie die im gesamten Kreis", erklärt Scarabis, der beide Werte einander gegenüber gestellt hat. Zum Vergleich: Bünde mit einer ähnlichen Bevölkerungszahl kommt auf Inzidenzwerte zwischen 86 und 107 in der Woche nach Ostern. Laut Kreis gibt es keine konzentrierten Infektionsgeschehen Aber woran liegt das? Laut Kreis gibt es in Löhne keine konzentrierten Infektionsgeschehen, weder in beruflichen Zusammenhängen, noch bei Kitas oder Schulen. Es gebe an vielen Stellen familiäre Zusammenhänge, die erkennbar seien, berichtet Kreissprecherin Petra Scholz. Vereinzelt gebe es Firmen, die mehrere betroffene Beschäftigte haben, und in einigen Kitas gebe es Infektionen. "Aber es ist an keiner Stelle auffällig", so Scholz. Auch bei der Stadt kann man dazu nichts ergänzen. "Es gibt bei uns keine Umstände, wo wir sagen könnten, da ist irgendwas", berichtet Stadtsprecherin Ursula Nolting. "Es wäre ja schön, wenn wir das wüssten, dann könnte man da auch was gegen machen." In jedem Fall sei es sinnvoll, sich an die Corona-Regeln zu halten und möglichst wenig private Kontakte zu haben. "Wir haben jede Menge Infizierte, da müssen wir echt vorsichtig sein", betont Nolting. Erklärungen, die auch für Hans-Peter Scarabis nicht gerade zufriedenstellend sind. Seiner Meinung nach müsste viel stärker auf die lokale Ebene geschaut werden. Wie hoch die Zahl der Neuinfektionen tatsächlich sei, gehe in den gemeldeten Zahlen schlichtweg unter. "Viele Leute glauben wahrscheinlich, wir stehen eigentlich ganz gut da", meint er. Das liege unter anderem daran, dass viele nur die Differenz zwischen den Infizierten heute und gestern mit einbeziehen. Dabei müssen für die Zahl der Neuinfektionen natürlich auch die von gestern auf heute Genesenen und Verstorbenen mit einberechnet werden. Zu verwirrend für all die, die sich nicht häufig mit Zahlen beschäftigen. Warum der Kreis die einzelnen Inzidenzwerte nicht meldet "Im Fernsehen abends ist hingegen immer nur die Rede von den Inzidenzwerten", sagt Scarabis. An diese, sowie die Grenzwerte 50 und 100, habe sich die Bevölkerung inzwischen gewöhnt. "Es wäre doch viel einfacher, wenn für die einzelnen Orte einfach die Inzidenzwerte gemeldet werden." Das würde aus seiner Sicht auch vermeiden, dass ein lokales Infektionsgeschehen von den Menschen unbemerkt bleibt, da die Inzidenz im Kreis gerade sinkt, weil andernorts die Neuinfektionen zurückgehen. Warum also meldet der Kreis Herford die Inzidenzzahlen für die einzelnen Kommunen nicht? "Wir erheben und kommunizieren keine Einzel-Inzidenzwerte der Kommunen im Kreisgebiet. Das Virus macht an der Stadt- oder Gemeindegrenze nicht Halt", erklärt Petra Scholz. Zudem gebe es, vor allem im dicht besiedelten Kreis Herford, viele Bewegungen aus und in die Kommunen. Die räumlichen Gegebenheiten der einzelnen Kommunen gingen teilweise fließend ineinander über. Es gebe im gesamten Kreisgebiet größere Gewerbegebiete oder auch größere Wohngebiete, die ineinander übergehen, große Arbeitgeber, deren Beschäftigte aus dem gesamten Kreisgebiet kommen oder auch Schulen, die weitere Einzugsgebiete haben. Sind einzelne Inzidenzen aussagekräftig? "Maßnahmen machen hier nur kreisweit Sinn", betont die Sprecherin. "Deshalb ist für uns der Inzidenzwert des gesamtes Kreisgebiets eine wichtige Entscheidungsgrundlage für kreisweite Abstimmungen und Vorgehensweisen." Einzeln erhobene Inzidenzwerte der Kommunen seien nicht annähernd so aussagekräftig. Ausnahmen wären Hot-Spot-Entwicklungen, für die gegebenenfalls eigene kommunenscharfe Maßnahmen erarbeitet werden würden. Und für Stadtsprecherin Ursula Nolting spielt noch eine andere Sache durchaus eine Rolle: Da Löhnes 40.000 Einwohner auf die 100.000 hochgerechnet werden müssen, werden Veränderungen, die in absoluten Zahlen recht gering sind, relativ gesehen stärker abgebildet. Das ist jedoch ein Argument, das zumindest Hans-Peter Scarabis nicht gelten lässt: "Die Umrechnung auf 100.000 Einwohner macht die Zahlen doch erst vergleichbar", betont er. "Ja, in einem Dorf von 1.000 Einwohnern entspricht eine Infektion in der Woche einer Inzidenz von 100", sagt Scarabis. Aber bei der Größe der Stadt Löhne sei die Zahl immer noch repräsentativ genug. Und ein Inzidenzwert, der immerhin seit mehr als zwei Wochen über 200 liegt, Grund genug zur Sorge.

Meistgelesen